Die Rechtsprechung des BGH zum bauvertragsrechtlichen Gewährleistungsrecht ist gefestigt. Es fehlt zwar nicht an Versuchen vereinzelter Stimmen, Abweichungen hiervon zu begründen. Der BGH geht auf diese aber nicht mehr im Einzelnen ein, sondern schreibt seine Rechtsprechungsgrundsätze fort.


Hierzu dient dem BGH (Urt. v. 25.06.2015 – VII ZR 220/14) nun ein anschaulicher Fall, der den ebenso schlichten wie altbekannten Satz in Erinnerung ruft: „Das Dach muss dicht sein“ – auch ein über Gewerberäumen befindliches Parkdeck.

Die grundlegenden Parameter

Zur Bestimmung des vom Auftragnehmer geschuldeten Werkes (Erfolgssoll) soll zunächst Grundlegendes vergegenwärtigt werden:

  1. Die Ermittlung des Erfolgssolls erfolgt nicht quasi vom Ergebnis her aus abstrakten Risikokategorien heraus.
  2. Eine einseitige Risikozuordnung aus vorgefertigten Typenbildern, abstrakten Gerechtigkeitssphären oder unreflektierten Billigkeitsüberlegungen heraus ist nicht zulässig.
  3. Die Bauvertragsspezifika sind zu beachten, d.h. neben der bauvertragsspezifischen Interessenlage insbesondere die der Langfristigkeit und Komplexität von Bauprojekten sowie die Folge hieraus: Die bauvertragsspezifische Unvollständigkeit des Bauvertrages bzw. das bauvertragsimmanente  Spannungsverhältnis von Plan und Realität. Normbefehle oder Vermutungswirkungen, die entgegen der bauvertragsimmanenten Unvollständgeit eine Vollständigkeit fingieren, etwa allein auf ausdrücklich beschriebene Leistungen abstellen wollen, sind nicht begründbar.

 


Der BGH bestätigt diese Punkte anschaulich:

  • Maßgeblich sind die gesamten Umstände des Vertrages im konkreten Einzelfall.
  • Da Leistungsbeschreibungen in Bauverträgen häufig nicht abschließend sind und viele Details der Ausführung in ihnen nicht genannt oder genauer beschrieben sind, kann daraus, dass ein bestimmtes Ausführungsdetail nicht erwähnt ist, nicht ohne weiteres geschlossen werden, dass es nicht geschuldet ist.
  • Als maßgeblich heranzuziehen sind auch
    • die sonstigen vertragsbegleitenden Umstände,
    • die konkreten Verhältnisse des Bauwerks und seines Umfeldes,
    • der qualitative Zuschnitt,
    • der architektonische Anspruch,
    • die Zweckbestimmung des Gebäudes.
  • Insbesondere: Entsprechend der vertragsspezifischen Interessenlage sind grundsätzlich auch diejenigen Leistungen geschuldet, die erforderlich sind, damit das Werk die vereinbarte oder nach dem Vertrag vorausgesetzte Funktion erfüllt. Der Auftragnehmer schuldet die vereinbarte Funktionstauglichkeit, soweit diese für den vertraglich vorausgesetzten oder gewöhnlichen Gebrauch versprochen ist.
  • Vorbehaltlich abweichender Vereinbarung schuldet der Auftragnehmer auch die Einhaltung der allgemein anerkannten Regeln der Technik.
  • Bei der Auslegung des Vertrags ist das gesamte Vertragswerk zugrunde zu legen.
  • Soweit die Parteien die Geltung der VOB Teile B und C vereinbart haben, wird auch Abschnitt 4 der Allgemeinen Technischen Vertragsbestimmungen Vertragsbestandteil und ist  bei der Auslegung der geschuldeten Leistung zu berücksichtigen.

 


Da sich im konkreten Fall aus dem Vertragstext nicht das Maß des zu erbringenden Gefälles ergab, stellte das Gericht auf die konkreten Verhältnisse des Bauwerks und dessen Zweckbestimmung ab und ermittelte so unter Hinzuziehung der Erkenntnisse eines gerichtlichen Sachverständigen ein konkretes Mindestgefälle für die funktionstaugliche Ableitung von Regenwasser. Weiter stellt der BGH fest:


Unkenntnis entlastet nicht

Der Auftragnehmer konnte sich nicht darauf berufen, ihm sei nicht bekannt gewesen, welchen Oberbelag das Parkdeck erhalten sollte. Denn als Fachunternehmer war er gehalten, sich vor der Errichtung der Betondecke über die Art des später auszuführenden Oberbodens bei dem Auftraggeber zu informieren und diesen über die Erforderlichkeit eines entsprechenden Gefälles je nach geplantem Oberboden zu unterrichten.


Arglist?

Im Einzelfall kann sogar ein Arglistvorwurf gegen den Auftragnehmer begründet sein: Arglistig verschweigt, wer sich bewusst ist, dass ein bestimmter Umstand für die Entschließung seines Vertragspartners erheblich ist und er nach Treu und Glauben verpflichtet ist, diesen Umstand mitzuteilen, ihn aber dennoch nicht offenbart. Entscheidend hierfür ist nicht, dass der Unternehmer bewusst die Folgen einer vertragswidrigen Ausführung in Kauf nimmt. Arglist erfordert auch keine Schädigungsabsicht und keinen Vorteil.


Schadensrisiko als Mangel

Die Herstellung der Betondecke ohne das erforderliche Gefälle stellte im BGH-Fall einen Mangel dar, der die Gebrauchsfähigkeit erheblich beeinträchtigt hat. Denn das durch die Fugen der Pflasterung fließende Wasser konnte auf der Abdichtungsebene stehen bleiben. Die Nässebelastung der Abdichtung und damit das Risiko von Wassereintritten wurde hierdurch erhöht – auch bei einer mangelfrei hergestellten Abdichtung.

Zu einem weiteren Mangelpunkt (mangelhafte Arbeitsraumverfüllung) stellt der BGH entsprechend fest, dass der Auftragnehmer zum Ersatz der Mängelbeseitigungskosten verpflichtet ist, auch wenn die fehlerhafte Arbeitsraumverfüllung (noch) nicht zu einem weitergehenden Schaden (Feuchtigkeitsschaden) geführt hat. Ein solcher Mangel ist wesentlich und beeinträchtigt schon als solches die Gebrauchstauglichkeit erheblich, da er jederzeit zu Feuchtigkeitsschäden führen kann.


Zur gesamtschuldnerischen Haftung mehrerer Unternehmen
  • Mehrere Unternehmer, die verschiedene Leistungen schulden, haften als Gesamtschuldner, wenn sie wegen Mängeln gewährleistungspflichtig sind, die ihre Ursachen zumindest teilweise in den jeweiligen Gewerken haben und wirtschaftlich sinnvoll nur auf eine einzige Weise beseitigt werden können.
  • Sofern nur eine einheitliche Sanierungsmöglichkeit in Betracht kommt, müssen die Unternehmer im Rahmen ihrer Gewährleistungspflicht im Außenverhältnis gegenüber dem Auftraggeber gemeinsam und jeweils in vollem Umfang für die von ihnen mitverursachten Mängel einstehen.

 


Erstattung der Mangelbeseitigungskosten

Zu erstatten sind dem Auftraggeber diejenigen Kosten, die für die Mängelbeseitigung erforderlich gewesen sind. Für die Bewertung der Erforderlichkeit ist auf den Aufwand und die damit verbundenen Kosten abzustellen, welche der Auftraggeber im Zeitpunkt der Mängelbeseitigung als vernünftiger, wirtschaftlich denkender Auftraggeber aufgrund sachkundiger Beratung oder Feststellung aufwenden konnte und musste, wobei es sich um eine vertretbare Maßnahme der Schadensbeseitigung handeln muss.

  • Der Auftraggeber darf nicht beliebig Kosten produzieren. Die Kosten sind überhöht, wenn eine preiswertere Sanierung, die den vertraglich geschuldeten Erfolg herbeiführt, erkennbar möglich und zumutbar war.
  • Der Auftraggeber ist aber nicht gehalten, im Interesse des säumigen und nachbesserungsunwilligen Auftragnehmers besondere Anstrengungen zu unternehmen, um den preisgünstigsten Drittunternehmer zu finden.
  • Der Auftraggeber darf grundsätzlich darauf vertrauen, dass der Preis des von ihm beauftragten Drittunternehmers angemessen ist.
  • Einen überhöhten Preis kann der Auftraggeber auch dann akzeptieren, wenn ihm keine andere Wahl bleibt, etwa weil die Sache dringend ist.
  • Hat der Auftraggeber sich sachverständig beraten lassen, so kann er Ersatz seiner Aufwendungen auch dann verlangen, wenn sich später herausstellt, dass die von ihm durchgeführte Sanierung zu aufwändig war und eine preiswertere Möglichkeit bestand.
  • Der Auftraggeber hat die Erforderlichkeit der Mängelbeseitigung und deren Kosten darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, wobei an die Darlegung grundsätzlich keine zu hohen Anforderungen zu stellen sind. Zum Vortrag gehört eine nachvollziehbare Abrechnung der Mängelbeseitigungsaufwendungen. Der Auftragnehmer muss in die Lage versetzt werden, die abgerechneten Arbeiten daraufhin zu überprüfen, ob sie zur Ersatzvornahme erforderlich waren.
  • Zu erstatten sind nur Aufwendungen für vertretbare Maßnahmen der Schadensbeseitigung, nicht hingegen für sonstige, weitergehende Baumaßnahmen. Es besteht auch keine Vermutung, dass stets sämtliche von einem Drittunternehmer im Zuge einer Mängelbeseitigungsmaßnahme durchgeführten Arbeiten ausschließlich der Mängelbeseitigung dienen. Während der Auftraggeber darauf vertrauen darf, der Drittunternehmer werde die Mängelbeseitigung zu angemessenen Preisen durchführen, ist ein etwaiges Vertrauen darauf, der Drittunternehmer werde nur der Mängelbeseitigung dienende Arbeiten durchführen, nicht geschützt.

 


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