Bekanntlich hat der Auftragnehmer nach Abnahme oder Beendigung des Vertrages seine Leistungen prüfbar endgültig abzurechnen, d.h. die gesamte Vergütung einschließlich vergütungsgleicher Ansprüche darzustellen und den Saldo, der sich durch Abzug der Abschlagszahlungen und ggf. weiteren Zahlungen ergibt, zu ermitteln. Handelt es sich bei dem Auftragnehmer um einen Architekten bzw. Ingenieur, dessen schlussabgerechnetes Pauschalhonorar die Mindestsätze der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure unterschreitet, stellt sich die Frage, ob er die sich nach der HOAI ergebende Vergütung noch geltend machen kann. Der BGH (Urt. v. 19.11.2015 – VII ZR 151/13) hat hierzu seine Rechtsprechung fortgeschrieben:
Kein Verzicht
Der Umstand, dass eine Schlussrechnung bereits erteilt worden ist, in der die Forderung nicht vollständig ausgewiesen worden war (Pauschalhonorar statt der höheren Vergütung nach HOAI), steht der Nachforderung nicht entgegen. Denn die Schlussrechnung
- bedeutet grundsätzlich kein Verzicht auf weitergehende Forderungen
- und bewirkt auch nicht in anderer Weise eine Verkürzung.
Bindungswirkung?
Der Architekt ist an eine Schlussrechnung gebunden, wenn
- der Auftraggeber auf eine abschließende Berechnung des Honorars vertrauen durfte und
- der Auftraggeber sich im berechtigten Vertrauen auf die Endgültigkeit der Schlussrechnung in schutzwürdiger Weise eingerichtet hat,
- und zwar so, dass ihm eine Nachforderung nicht mehr zugemutet werden kann.
Dies gilt auch dann, wenn der Architekt die Differenz zwischen dem ihm nach der HOAI preisrechtlich zustehenden und dem vertraglich vereinbarten Honorar nachfordert.
Wann hat sich der AG auf die Endgültigkeit der Schlussrechnung eingerichtet?
Die vorstehend genannte Voraussetzung 2 verlangt,
- dass sich der Auftraggeber durch vorgenommene oder unterlassene Maßnahmen darauf eingerichtet hat, dass weitere Forderungen nicht erhoben werden, wobei
- allein die Zahlung auf die Schlussrechnung keine solche Maßnahme darstellt und
- es auch keine allgemeine Lebenserfahrung gibt, dass ein Auftraggeber sich nach einem bestimmten Zeitraum darauf eingerichtet hat, nichts mehr zu zahlen.
Wann ist eine Nachforderung unzumutbar?
Die oben genannte Voraussetzung 3 verlangt, dass
- sich gerade die durch eine Nachforderung entstehende zusätzliche Belastung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls für den Auftraggeber als nicht mehr zumutbar erweist, weil sie eine besondere Härte für ihn bedeutet, wobei
- nicht allein auf den Zeitablauf abgestellt werden darf. Insbesondere: Allein der Zeitraum zwischen der Erteilung und dem Ausgleich der Honorarrechnung des Architekten und der erstmaligen Geltendmachung eines weitergehenden Honorars auf der Grundlage der Mindestsätze der HOAI macht die Zahlung eines Differenzbetrages zwischen einem abgerechneten Pauschalhonorar und den Mindestsätzen der HOAI nicht unzumutbar.
- Auch hier ist zu berücksichtigen, welche Maßnahmen der Auftraggeber im Hinblick auf ein schützenswertes Vertrauen vorgenommen oder unterlassen hat.
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