Zwei aktuelle Entscheidungen des BGH geben Aufschluss über die Anforderungen an den bauvertraglichen Auftraggeber, der sich gegen eine Vergütungsforderung des Auftragnehmers wehren und/oder Gegenrechte wegen Mängeln/Fertigstellungsmehrkosten geltend machen möchte.
Beginnen wir mit dem BGH, Urteil vom 25. August 2016 – VII ZR 193/13, dessen Leitsatz wie folgt lautet:
Das Gericht muss, wenn bei einem gekündigten Pauschalpreisvertrag der Auftragnehmer prüfbar abgerechnet hat, in die Sachprüfung eintreten, ob und in welcher Höhe die geltend gemachte Werklohnforderung berechtigt ist. Hat der Auftraggeber die Richtigkeit der Schlussrechnung substantiiert bestritten, ist hierüber Beweis zu erheben.
Im Einzelnen hebt der BGH hervor:
- Der Auftraggeber muss, um die Schlussrechnung substantiiert zu bestreiten, keine vollständige Gegenrechnung vornehmen.
- Wenn er unter Vorlage verschiedener Angebote einzelner Handwerksunternehmer geltend gemacht, dass die für die erbrachten Leistungen angesetzten Einheitspreise überhöht seien, genügt er den an ein substantiiertes Bestreiten zu stellenden Anforderungen. Das Gericht muss dann Beweis erheben.
- Eine Darlegung des Umfangs der Mängelbeseitigungskosten einerseits und der Fertigstellungsmehrkosten andererseits ist nur geboten, wenn lediglich die Voraussetzungen für einen Anspruch des AG auf Ersatz der Fertigstellungsmehrkosten (hier: § 8 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 VOB/B, zur insolvenzbedingten Kündigung des Auftraggebers: Der Auftraggeber kann Schadensersatz wegen Nichterfüllung des Restes verlangen), nicht jedoch für einen Anspruch auf Ersatz von Mängelbeseitigungskosten (hier: § 13 Abs. 5 Nr. 2 VOB/B: Kommt der Auftragnehmer der Aufforderung zur Mängelbeseitigung in einer vom Auftraggeber gesetzten angemessenen Frist nicht nach, so kann der Auftraggeber die Mängel auf Kosten des Auftragnehmers beseitigen lassen) vorliegen. Andernfalls ist eine Differenzierung zwischen Fertigstellungsarbeiten einerseits und Mängelbeseitigungsarbeiten andererseits nicht erforderlich.
Die weitere Entscheidung des BGH (Beschluss vom 24. August 2016 – VII ZR 41/14) erging zur Mangelhaftigkeit einer Weißen Wanne:
Das Berufungsgericht nimmt ausdrücklich auf die ständige Rechtsprechung Bezug, nach der ein Mangel ausreichend bezeichnet ist, wenn der Auftraggeber Symptome des Mangels benennt. In diesem Fall sind immer alle Ursachen für die bezeichneten Symptome von der Mangelrüge erfasst. Das gilt auch, wenn die angegebenen Symptome des Mangels nur an einigen Stellen aufgetreten sind, während ihre Ursache und damit der Mangel des Werkes in Wahrheit das ganze Gebäude erfasst.
Das gilt sowohl bei der gerichtlichen Geltendmachung von Mängeln wie auch bei der verjährungshemmenden Mängelrüge. Wenn daher der Auftraggeber in seiner Mängelrüge z.B. die in einem Baubereich (hier: Tiefgarage und Aufzugsschächte) vorliegenden Mangelsymptome einer undichten Weißen Wanne anführt, so heißt das nicht, dass er seine Mängelrüge auf diesen Teilbereich der Weißen Wanne beschränkt (mit der Folge, dass die Mängelrüge für die weiteren Bereiche verspätet wäre).
Dies ist Ausdruck der sog. Symptomtheorie des BGH, wonach der Auftraggeber sowohl außergerichtlich wie auch im Gerichtsverfahren durch die hinreichend genaue Beschreibung von zu Tage getretenen Mangelerscheinungen (der Symptome des Mangels)
- einen Mangel zum Gegenstand des betreffenden Verfahrens bzw. der betreffenden Rüge macht (hier: Undichtigkeit der Weißen Wanne) und
- keine Beschränkung auf die vom Auftraggeber angegebenen Stellen oder die von ihm bezeichneten oder vermuteten Ursachen vornimmt.
Diese Grundsätze dienen dazu, dem Auftraggeber die Durchsetzung seiner Gewährleistungsansprüche außergerichtlich und im Prozess zu erleichtern.
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