Zwei aktuelle BGH-Entscheidungen beschäftigen sich mit der Wertsicherung bei Erbbaurechtsverträgen. In der einen Entscheidung geht es um die Auslegung einer Anpassungsklausel und deren Schwellenwert (erfasst der Schwellenwert auch schleichende Erhöhungen des Preisindex?). In der weiteren Entscheidung geht es um die Umstellung einer Anpassungsklausel auf eine automatische Anpassung des schuldrechtlichen  und dinglichen Erbbauzinses nach Maßgabe des Verbraucherpreisindex Deutschland und um die grundbuchliche Umsetzung.


Vertragsauslegung

Die folgende Anpassungsklausel eines Erbbaurechtsvertrages hat der BGH als auslegungsbedürftig bewertet:

Alle fünf Jahre, beginnend mit der erstmaligen Zahlung des Erbbauzinses wird der Erbbauzins für die folgenden fünf Jahre neu festgesetzt, wenn sich der Lebenshaltungsindex für alle privaten Haushalte in der Bundesrepublik gegenüber dem Stand vor jeweils fünf Jahren um mehr als zehn Punkte nach oben oder unten geändert hat. Die Neufestsetzung des Erbbauzinses erfolgt im gleichen Verhältnis, in dem sich dieser Lebenshaltungskostenindex gegenüber dem jeweils maßgeblichen Stand geändert hat. (…) Diejenige Vertragspartei, die aufgrund dieser Vereinbarung die Neufestsetzung des Erbbauzinses verlangt, muss dies jeweils vier Wochen vor Ablauf der Fünfjahresfrist der anderen Partei mitteilen. Einfache schriftliche Mitteilung genügt. Erfolgt innerhalb dieser Vierwochenfrist von keiner Partei eine entsprechende Mitteilung, so kann die nächste Neufestsetzung des Erbbauzinses erst wieder nach Ablauf von weiteren fünf Jahren beantragt werden. (…)“


Der Auslegungsbedarf

Der Auslegungsbedarf ergab sich aus der Konstellation, dass der erforderliche Schwellenwert zwar gemessen seit  der letzten Anpassung im Jahr 1995 gegenüber dem Stand bei Anpassungsverlangen im Jahr 2014, nicht aber gemessen an den letzten fünf Jahren vor dem Anpassungsverlangen erreicht worden war. Der BGH hält zwei Deutungen für möglich:

  1. Der Wortlaut lege nahe, dass eine Anpassung nur möglich sein soll, wenn der Lebenshaltungskostenindex in den letzten fünf Jahren vor dem Anpassungsverlangen um mindestens zehn Punkte gestiegen ist.
  2. Die Klausel könne aber auch dahin verstanden werden, dass die Frist von fünf Jahren nur den Zeitraum festlege, nach dessen Ablauf ein erneutes Anpassungsverlangen frühestens möglich sei. Der Schwellenwert würde dann anhand der Veränderung seit der letzten Anpassung berechnet, nicht nach den letzten fünf Jahren. Nach diesem Verständnis könnte der Eigentümer den Erbbauzins auch an eine schleichende Erhöhung der Lebenshaltungskosten anpassen, d.h. die 5-Jahresfrist würde ihn zwar bei der Geltendmachung einer Anpassung zeitlich beschränken, nicht aber bei der Erfassung relevanter Preissteigerungen. Gemeint wäre nach diesem Verständnis der Indexstand zum Zeitpunkt der letzten Anpassung, die aber mindestens fünf Jahre zurückliegen müsse.

Das Auslegungsergebnis

Der BGH (Urt. v. 13.05.2016 – V ZR 225/15) entscheidet sich für das Auslegungsergebnis zu 1):

  • Bezugspunkt für die Prüfung, ob die maßgebliche Änderung der Lebenshaltungskosten eingetreten ist, ist nach dem Wortlaut der Indexstand vor fünf Jahren.
  • Die weitere Regelung, dass das Anpassungsverlangen innerhalb von vier Wochen vor Ablauf der Fünfjahresfrist der anderen Partei mitgeteilt werden muss und dass bei Fristversäumnis die nächste Anpassung erst wieder nach weiteren fünf Jahren gemäß dem dann geltenen Indexstand beantragt werden kann, verdeutlicht, dass die Parteien den zeitlichen Intervallen von fünf Jahren mit den Bezugspunkten der jeweiligen Indexstände zu Beginn und zum Ende des jeweiligen Zeitraums eine entscheidende Bedeutung beigemessen haben.
  • Nach dem insoweit stimmigen Gesamtkonzept der Anpassungsklausel sollen nur wesentliche Veränderungen der Lebenshaltungskosten zur Anpassung des Erb-bauzinses ausreichen, wobei die Wesentlichkeitsschwelle erst dann erreicht ist, wenn der Lebenshaltungskostenindex in einem bestimmten Ausmaß steigt oder sinkt und hierfür nicht länger als fünf Jahre benötigt.
  • Das Risiko, dass sich die Lebenshaltungskosten lediglich schleichend verändern, ist nach der gewählten Formulierung bewusst in Kauf genommen und von beiden Seiten gleichermaßen zu tragen.
  • Begleitumstände, aus denen ein abweichendes Verständnis geschlossen werden könnte, lagen nicht vor.

Anpassung wegen Wegfall der Geschäftsgrundlage?

Auch ein Rückgriff auf Gesetzesrecht anstelle auf die Anpassungsklausel scheiterte: Die Zahlung eines erhöhten Erbbauzinses konnte insbesondere nicht nach den Regeln über den Wegfall der Geschäftsgrundlage verlangt werden. Ein Anspruch auf Erhöhung des Erbbauzinses besteht demnach nur, wenn die Lebenshaltungskosten seit dem maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt um mehr als 150 % gestiegen sind. Diese Schwelle war nicht erreicht.


Sicherung im Grundbuch

Die weitere Entscheidung des BGH (Beschluss vom 09. Juni 2016 – V ZB 61/15) sah sich mit einer (der früheren Rechtslage geschuldeten) Anpassungsklausel konfrontiert, wonach beide Vertragsparteien grundsätzlich alle fünf Jahre eine Überprüfung des Erbbauzinses auf seine Angemessenheit anhand des damaligen Lebenshaltungsindex verlangen können.

Das Erbbaurecht war mit einer Erbbauzinsreallast und mit einer Vormerkung zur Sicherung des Anspruchs auf Anpassung des Erbbauzinses belastet. Es bedurfte also stets einer gesonderten Geltendmachung einer Erbbauzinserhöhung und der jeweils gesonderten Zustimmung zur Eintragung einer weiteren statischen Erbbauzinsreallast für den jeweiligen Erhöhungsbetrag.

Dies wollten die Parteien ändern:

  • Sie wollten die Anpassungsklausel in eine automatische Anpassung des schuldrechtlichen  und dinglichen Erbbauzinses nach Maßgabe des Verbraucherpreisindex Deutschland umwandeln und
  • die Erbbauzinsreallast bei Aufrechterhaltung der Vormerkungssicherung in eine wertgesicherte Gesamtreallast nach § 9 Abs. 1 ErbbauRG i.V.m. § 1105 Abs. 1 Satz 2 BGB  umwandeln, aus der sich dann die sich nach dem Verbraucherpreisindex verändernden Ansprüche auf die Einzelleistungen ergeben (§ 1107 BGB).

§ 1105 Abs. 1 BGB: Ein Grundstück kann in der Weise belastet werden, dass an denjenigen, zu dessen Gunsten die Belastung erfolgt, wiederkehrende Leistungen aus dem Grundstück zu entrichten sind (Reallast). Als Inhalt der Reallast kann auch vereinbart werden, dass die zu entrichtenden Leistungen sich ohne weiteres an veränderte Verhältnisse anpassen, wenn anhand der in der Vereinbarung festgelegten Voraussetzungen Art und Umfang der Belastung des Grundstücks bestimmt werden können.


Die Vormerkung

Der BGH entschied zum einen, dass die bereits für die alte Anpassungsgestaltung eingetragene Vormerkung genutzt werden kann, um den Anspruch auf Zustimmung zur Eintragung einer wertgesicherten Gesamtreallast zu sichern.

Soll eine Vormerkung, die für einen Anspruch auf Anpassung des Erbbauzinses durch Eintragung neuer Reallasten bestellt worden ist, künftig den Anspruch sichern, eine wertgesicherte Erbbauzinsreallast zu bestellen, bedarf es der Eintragung der Änderung des Anspruchs in das Grundbuch, die entsprechend der für die Änderung des einzutragenden Rechts selbst geltenden Vorschrift (§ 877 BGB) vorzunehmen ist.

Der BGH eröffnet damit die Möglichkeit, dass eine eingetragene Vormerkung auch der Sicherung eines nach ihrer Eintragung geänderten Anspruchs dienen kann, wenn die Änderung die Art der geschuldeten sachenrechtlichen Verfügung betrifft:

  • Bisher: Zustimmung zur Bestellung neuer statischer Erbbauzingsreallasten.
  • Künftig: Zustimmung zu einer einmaligen Umwandlung in eine einheitliche wertgesicherte Reallast.

Die Voraussetzungen für die Änderung der Vormerkung entsprechen denen der Änderung des Rechts, auf deren Verwirklichung der Anspruch gerichtet ist:

  • Die Rechte der Inhaber von Drittrechten werden durch das Zustimmungserfordernis nach § 877 i.V.m. § 876 BGB geschützt und
  • die Publizität des Grundbuchs wird durch die Eintragung der Änderung der Vormerkung gewahrt.

Die Reallast

Zum anderen entschied der BGH die Frage, ob es bei der Umstellung einer schuldrechtlichen Wertsicherung auf eine wertgesicherte Erbbauzinsreallast einer Zustimmung der Inhaber nachrangiger Rechte an dem Erbbaurecht auch dann bedarf, wenn der Anspruch auf Anpassung des Erbbauzinses durch eine vorrangige Vormerkung gesichert ist.

Die Zustimmung des Dritten ist nicht nötig, wenn seine Rechtstellung durch die Änderung nicht berührt wird. Insbesondere kann ein lediglich formelles Betroffensein die Zustimmung zu einer Inhaltsänderung entbehrlich machen.

 

Die Inhaber gleich- oder nachrangiger dinglicher Rechte am Erbbaurecht müssen einer Änderung des Inhalts der Erbbauzinsreallast nicht zustimmen, wenn sich aus der neuen (wertgesicherten) Erbbauzinsreallast kein höherer Erbbauzins als derjenige aus der bisherigen Reallast und dem durch eine Vormerkung gesicherten Anspruch auf Anpassung des Erbbauzinses ergeben kann.

Das bedeutet im konkreten Fall zweierlei:

  • Das Erfordernis der Zustimmung kann daher nicht mit der Änderung der Vertragstechnik begründet werden, dass ein durch Vormerkung gesicherter schuldrechtlicher Anspruch auf Anpassung der Erbbauzinsreallast dessen Geltendmachung voraussetzt (= alte Gestaltung), während bei einer wertgesicherten Reallast die Anpassung in der Regel ohne Zutun des Gläubigers eintritt (= neue Gestaltung).
  • Das Zustimmungserfordernis ist aber dann begründet, wenn die beantragte Rechtsänderung über eine bloß technische Änderung der Wertsicherung hinausgeht, wenn also nach der Änderung des dinglichen Rechts (§ 1105 BGB) höhere Ansprüche auf Einzelleistungen (§ 1107 BGB) entstehen können, als es zuvor möglich wäre. Das war im konkreten Fall anhand eines Vergleichs der konkrteten Sicherungsmechanismen zu bejahen:
    • Nach der alten Gestaltung war der Preisindex lediglich der Maßstab für die Angemessenheit der Änderung des Erbbauzinses, nicht für die Änderung selbst. Damit konnte sich aus der bisherigen Gestaltung ein Anspruch des Erbbauberechtigten ergeben, den Erbbauzins nicht oder jedenfalls nicht in vollem Umfang nach dem vereinbarten Index anzupassen.
    • Nach der neuen Gestaltung dagegen führt die wertgesicherte Reallast zu einer automatischen Anpassung entsprechend der Änderung des Verbraucherpreisindex. Die beabsichtigte automatische Wertsicherung kann mithin zu einem höheren Erbbauzins als nach der ursprünglichen Vereinbarung führen.

Das Zustimmungserfordernis wurde daher im konkreten Fall bejaht.


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