Der BGH hat sich wiederholt mit Klagen von Verbraucherschutzverbänden gegen Kapitalanlagegesellschaften im Sinne des mit Wirkung vom 22. Juli 2013 außer Kraft getretenen und durch das Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB) abgelösten Investmentgesetzes auseinandergesetzt, die auf Unterlassen der Verwendung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen gerichtet waren. Nach Ansicht des Klägers stellen diverse Klauseln in Bezug auf den Erwerb und das Halten von Investmentanteilen unangemessne Benachteiligungen im Sinne des AGB-Rechts (§ 307 BGB) dar, soweit sie im geschäftlichen Verkehr gegenüber Verbrauchern verwendet werden.
- Der BGH, Urteil vom 22. September 2016 – III ZR 264/15, hatte über Allgemeine Geschäftsbedingungen zu entscheiden, nach denen die Kapitalanlagegesellschaft – neben einer jährlichen Vergütung für die Verwaltung des Sondervermögens – eine jährliche Administrationsgebühr in Höhe von 0,5 v.H. des Wertes des Sondervermögens erhält.
- In dem weiteren Urteil vom 19. Mai 2016 – III ZR 399/14, hatte der BGH über eine Klausel zu entscheiden, wonach u.a. die folgenden Aufwendungen zulasten des Sondervermögens gehen sollten: Kosten für den Druck und Versand der für die Anleger bestimmten Jahres- und Halbjahresberichte und Kosten der Bekanntmachung der Jahres- und Halbjahresberichte, der Ausgabe- und Rücknahmepreise und ggf. der Ausschüttungen und des Auflösungsberichtes.
In beiden Fällen bejahte der BGH die Wirksamkeit der Vertragsklauseln und verneinte mithin den klageweise geltend gemachten Unterlassungsanspruch.
Keine Aufwandserstattung aus Geschäftsbesorgungsvertrag mit Anlegern
Zunächst verneint der BGH die Frage, ob die Klauseln lediglich Aufwendungsersatzansprüche bestätigen, die nach §§ 670, 675 Abs. 1 BGB der Kapitalanlagegesellschaft aufgrund der mit den Anlegern geschlossenen Geschäftsbesorgungsverträgen ohnehin gelten:
- Ersatzfähige Aufwendungen müssen nachweisbar im konkreten Einzelfall entstanden sein. Allgemeine Geschäftsunkosten des Beauftragten sind nicht nach § 670 BGB erstattungsfähig.
- Vorliegend sind die in den Klauseln genannten Kosten infolge der Geschäftstätigkeit der Kapitalanlagegesellschaft in Gestalt der Verwaltung des Sondervermögens entstanden. Sie können einzelnen Geschäftsbesorgungsverträgen nicht ohne weiteres zugeordnet werden. Sie sind daher nicht nach §§ 670, 675 Abs. 1 BGB erstattungsfähig.
Befugnis zur Belastung des Sondervermögens wegen investmentrechtlicher Besonderheit
Eine Befugnis der Kapitalanlagegesellschaft zur Belastung des Sondermögens mit den genannten Kosten wird vom BGH jedoch aus der besonderen Rechtsnatur einer Anlage in Gestalt eines Sondervermögens hergeleitet, wie sie in unterschiedlichen Normen des Investmentgesetzes bzw. des Kapitalanlagegesetzbuches zum Ausdruck kommt. Die Besonderheit besteht im Wesentlichen darin, dass es sich nicht um eine individuelle, sondern um eine gemeinschaftliche Kapitalanlage handelt.
- Sondervermögen sind Investmentvermögen in Vertragsform mit dem Zweck der gemeinschaftlichen Kapitalanlage.
- Sie werden von der Kapitalanlagegesellschaft für gemeinschaftliche Rechnung der Anleger nach Maßgabe des Investmentgesetzes bzw. jetzt KAGB und den Vertragsbedingungen, nach denen sich das Rechtsverhältnis der Kapitalanlagegesellschaft zu den Anlegern bestimmt, verwaltet.
- Die Handlungspflichten treffen die Kapitalanlagegesellschaft deshalb, weil das Sondervermögen nicht Träger eigener Pflichten sein kann.
- Dabei handelt die Kapitalanlagegesellschaft bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben nicht in ihrem eigenen, sondern ausschließlich im Interesse der Anleger.
- Die Anleger haften der Kapitalanlagegesellschaft nicht persönlich; statt dessen räumt das Gesetz der Kapitalanlagegesellschaft die Befugnis ein, sich wegen ihrer Ansprüche auf Vergütung und auf Ersatz von Aufwendungen aus den für gemeinschaftliche Rechnung der Anleger getätigten Geschäften aus dem Sondervermögen zu befriedigen.
Die Erstattungsfähigkeit von Aufwendungen
Die vorgenannte Besonderheit steht nach dem BGH einer allein individualvertraglichen, nach den Vorschriften des Auftragsrechts erfolgenden Beurteilung der Ersatzfähigkeit von Aufwendungen entgegen, die seitens der Kapitalanlagegesellschaft im Rahmen der Verwaltung des Sondervermögens getätigt werden.
Die Aufwendungen, die seitens der Kapitalanlagegesellschaft zur Verwaltung des Sondervermögens als gemeinschaftliche Kapitalanlage der Anleger getätigt werden entstehen auf der Ebene des auf gemeinschaftliche Rechnung und im ausschließlichen Interesse der Anleger zu verwaltenden Sondervermögens.
Diese investmentrechtliche Verlagerung des Aufwendungsersatzanspruchs auf die Ebene des Sondervermögens hat zur Folge, dass die Erstattungsfähigkeit von Aufwendungen nicht unter dem Gesichtspunkt allgemeiner Geschäftsunkosten verneint werden kann, wenn die Aufwendungen notwendige Folge der Verwaltung des Sondervermögens sind und mit ihr in einem untrennbaren Zusammenhang stehen.
Insofern kann die Kapitalanlagegesellschaft das Sondervermögen mit Aufwendungen belasten, die abgrenzbar von den sonstigen Geschäftskosten der Kapitalanlagegesellschaft allein dem Sondervermögen zuzuordnen sind.
Dies gilt jedenfalls dann, wenn es sich um Aufwendungen im Sinne von § 670 BGB handelt, welche
- die Kapitalanlagegesellschaft zum Zweck der Ausführung ihrer Verwaltungstätigkeit den Umständen nach für erforderlich halten darf oder
- die sich als notwendige Folge der Ausführung ergeben, namentlich die durch Verwaltung für das Sondervermögen entstandenen ordentlichen Aufwendungen.
Erstattungsfähigkeit trotz gesetzlicher Handlungspflicht
Auch der Umstand, dass es sich um Kosten für Tätigkeiten handelt, die der Kapitalanlagegesellschaft gesetzlich auferlegt sind, steht der wirksamen Belastung des Sondervermögens nicht entgegen.
Zwar sind nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs Entgeltklauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen mit wesentlichen Grundgedanken der Rechtsordnung unvereinbar, in denen Aufwand für Tätigkeiten auf den Kunden abgewälzt wird, zu denen der Verwender gesetzlich oder nebenvertraglich verpflichtet ist oder die er überwiegend im eigenen Interesse erbringt.
Aber auch insoweit setzen sich die investmentrechtlichen Besonderheiten des Sondervermögens durch:
- Denn demnach sind die Kosten, die aus der im ausschließlichen Interesse des Sondervermögens beziehungsweise der Anleger liegenden Erfüllung der gesetzlichen Pflichten entstehen, dem Sondervermögen zuzuordnen.
- Dass die Kapitalanlagegesellschaft Handlungspflichten treffen, beruht einzig darauf, dass das Sondervermögen nicht Träger eigener Pflichten sein kann. Eine entsprechende Pflichtenstellung des Sondervermögens ist nur deshalb nicht möglich, weil es nicht rechtsfähig ist und nicht Träger eigener Pflichten sein kann.
- Daher ist die Kapitalanlagegesellschaft zur entsprechenden Belastung des Sondervermögens mit Kosten befugt, die aus der im ausschließlichen Interesse des Sondervermögens beziehungsweise der Anleger liegenden Erfüllung der gesetzlichen Pflichten entstehen.
Was gilt bei Kostenpauschalen?
Eine unangemessene Benachteiligung der Anleger folgt nach dem BGH auch nicht daraus, dass Kostenpauschalen erhoben werden, durch deren Verwendung ein Betrag verlangt werden kann, der unter Umständen die entstandenen tatsächlichen Aufwendungen übersteigt.
Die Anwendung allgemeiner AGB-rechtlicher Vorgaben lehnt der BGH ab, da diese nicht auf die investmentrechtlichen Besonderheiten des Sondervermögens zugeschnitten seien. Zu diesen Besonderheiten gehört, dass Gebühren und verschiedene Kostentatbestände in kurzen Intervallen zeitanteilig auf ein in seiner Zusammensetzung wechselndes Kollektiv von Personen umgelegt werden.
Zudem betont der BGH die investmentrechtlichen Vorteile einer Pauschalierung:
- Dem aus Sicht des Anlegers nachteiligen Effekt der Pauschalierung des Betrags steht der Vorteil gegenüber, dass die Kapitalanlagegesellschaft das Risiko einer unvorhergesehenen Erhöhung der von der Pauschalgebühr umfassten Kosten trägt.
- Vorteilhaft ist auch, dass bei einer Pauschalgebühr dem Interesse der Anleger an der Vorhersehbarkeit der maximalen Kostenbelastung besonders gut Rechnung getragen wird. Denn während bei einer reinen Aufwendungsersatzklausel die Höhe der künftig zu Lasten des Sondervermögens gehenden Kosten offen bleibt, ist im Fall einer festen Pauschalgebühr die maximale Kostenbelastung für den Anleger von vorneherein erkennbar.
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