Diese Woche hat der Bundesverband der Deutschen Industrie e.V. (BDI) eine von ihm in Auftrag gegebene BCG/Prognos-Studie „Klimapfade für Deutschland“ vorgelegt und darauf aufbauend am 18. Januar 2018 die BDI-Handlungsempfehlungen zur Studie „Klimapfade für Deutschland“ herausgegeben. Die Studie soll volkswirtschaftlich kosteneffiziente Wege zur Erreichung der deutschen Emissionsminderungsziele aufzeigen, mit denen zugleich die Wettbewerbsfähigkeit und Industriestruktur des Landes grundsätzlich erhalten bleiben und deutschen Exporteuren zusätzliche Chancen am Weltmarkt eröffnet werden kann.
Im Gebäudebereich liegt ein großes CO2-Einsparpotenzial, das sich insbesondere auf den Gebäudebestand fokussiert. Die Umsetzung der CO2-Einsparungen, die mit dem 80-Prozent-Szenario der Studie „Klimapfade für Deutschland“ aufgezeigt werden, ist für den Gebäudebereich mit verfügbaren Technologien realisierbar. Eine betriebswirtschaftliche Umsetzung der erforderlichen Maßnahmen ist jedoch in vielen Fällen eine Herausforderung. Deshalb sind für die zusätzlich benötigten Anstrengungen im Gebäudebereich eine starke staatliche Flankierung und Anreize erforderlich, um Amortisationszeiten zu verringern und Eigentümer anzureizen. BDI-Handlungsempfehlungen zur Studie „Klimapfade für Deutschland“, 18.01.2018, S. 24
Die Studie versteht sich als objektive und breit abgesicherte Faktenbasis für den weiteren gesellschaftlichen und politischen Diskurs. Der politische Diskus findet derzeit nicht nur in der GroKo-Sondierung, sondern insbesondere auch auf europäischer Ebene statt.
So hat das EU-Parlament in dieser Sitzungswoche über diverse Normierungsvorschläge der EU-Kommission aus deren Maßnahmenpaket für erneuerbare Energien & Energieeffizienz („Winterpaket“ 2016/2017) entschieden. Es wird nun mit dem Rat Verhandlungen aufnehmen, der sich ebenfalls bereits positioniert hatte (zur Überarbeitung der Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden siehe schon hier). Werfen wir einen Blick auf die Positionen und einige Änderungen des EU-Parlaments (Einzelheiten in den nachfolgenden Links):
Richtlinie zur Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen
- Kommissionsvorschlag: COM(2016) 767
- Geänderter und vom Europäischen Parlament angenommener Text vom 17.01.2018
- Standpunkt des Rates vom 18.12.2017
Die zentrale Abweichung zwischen den Vorstellungen der Beteiligten zeigt sich in Art. 3 Abs. 1 des Richtlinienentwurfes:
Die Mitgliedstaaten stellen gemeinsam sicher, dass der Anteil von Energie aus erneuerbaren Quellen am Bruttoendenergieverbrauch der Union im Jahr 2030 mindestens [Kommission: 27%, Parlament: 35%, Rat: 27%] beträgt.
In Art. 15 des Richtlinienentwurfes findet sich für den Gebäudebereich ein zentraler Diskussionspunkt zwischen Kommission und Parlament:
Besonders umfangreich hat sich das Europäische Parlament dem Thema Eigenverbraucher erneuerbarer Energien gewidmet und einige Änderungen im Richtlinienentwurf vorgenommen, etwa:
Über die Kosten und die Vergütung des Eigenverbrauchs sollten Anreize für die Entwicklung intelligenterer Technologien zur Integration von Energie aus erneuerbaren Quellen gesetzt und Eigenverbraucher von Energie aus erneuerbaren Quellen für Investitionsentscheidungen zum gegenseitigen Vorteil der Verbraucher und der Netze gewonnen werden. Damit ein solches Gleichgewicht entstehen kann, muss dafür gesorgt werden, dass Eigenverbraucher von Energie aus erneuerbaren Quellen und Gemeinschaften im Bereich der Energie aus erneuerbaren Quellen in Bezug auf die Elektrizität, die sie aus erneuerbaren Quellen erzeugen und in das Netz einspeisen, Anspruch auf eine Vergütung haben, die dem Marktwert der eingespeisten Elektrizität und den langfristigen Vorteilen entspricht, die damit für das Netz, die Umwelt und die Gesellschaft entstehen. Aus Erwägung 53 (neu)
Folglich hat Art. 21 des Richtlinienentwurfes zum Eigenverbrauch nicht unerhebliche Änderungen erfahren. Hier auszugsweise einige Neuformulierungen im Fettdruck:
Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass Verbraucher Anspruch darauf haben, Eigenverbraucher von Energie aus erneuerbaren Quellen zu werden. Zu diesem Zweck sorgen die Mitgliedstaaten dafür, dass Eigenverbraucher von Energie aus erneuerbaren Quellen individuell oder über Aggregatoren […]
- berechtigt sind, ihre selbst erzeugte und auf ihrem Grund und Boden verbleibende Elektrizität aus erneuerbaren Quellen zu verbrauchen, ohne Abgaben, Gebühren oder Steuern unterworfen zu sein;
- berechtigt sind, mit Anlagen zur Erzeugung von Elektrizität aus erneuerbaren Quellen für den Eigenverbrauch zusammengeschaltete Stromspeicheranlagen zu installieren und zu betreiben, ohne Abgaben einschließlich Steuern und doppelter Netzgebühren für gespeicherte Elektrizität, die auf ihrem Grund und Boden verbleibt, unterworfen zu sein; […]
Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die Verteilung der Kosten der Netzverwaltung und des Netzausbaus gerecht und verhältnismäßig ist und dabei die Vorteile der Eigenerzeugung für das Gesamtnetz, darunter auch dem langfristigen Wert für das Netz, die Umwelt und die Gesellschaft, zum Ausdruck kommen.
Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Eigenverbraucher von Energie aus erneuerbaren Quellen, die in demselben Mehrfamilienhaus oder Wohngebiet wohnen bzw. sich in denselben Gewerbestätten, Industriegebieten, Gebieten, in denen Leistungen gemeinsam genutzt werden, und denselben geschlossenen Verteilernetzen befinden, gemeinsam in gleicher Weise wie ein individueller Eigenverbraucher von Energie aus erneuerbaren Quellen am Eigenverbrauch teilhaben dürfen. […]
Die Mitgliedstaaten bewerten die bestehenden Hemmnisse und das Entwicklungspotenzial des Eigenverbrauchs in ihrem jeweiligen Hoheitsgebiet, um einen Förderrahmen zu schaffen, mit dem der Ausbau des Eigenverbrauchs von Energie aus erneuerbaren Quellen unterstützt und begünstigt werden kann. Dieser Rahmen umfasst unter anderem
- spezifische Maßnahmen, mit denen sichergestellt wird, dass der Eigenverbrauch allen Verbrauchern offensteht, auch jenen, die in einkommensschwachen oder sozial schwachen Haushalten bzw. in Sozial- oder Mietwohnungen leben;
- Instrumente, mit denen der Zugang zu Finanzmitteln erleichtert wird;
- Anreize für Gebäudeeigentümer, den Mietern Möglichkeiten des Eigenverbrauchs zu eröffnen;
- die Beseitigung ungerechtfertigter rechtlicher Hemmnisse für den Eigenverbrauch von Energie aus erneuerbaren Quellen, auch derjenigen für Mieter. […]
Richtlinie zur Energieeffizienz
- Kommissionsvorschlag: COM(2016) 761
- Geänderter und vom Europäischen Parlament angenommener Text vom 17.01.2018
- Standpunkt des Rates vom 26.06.2017
Die zentrale Abweichung zwischen den Vorstellungen der Beteiligten zeigt sich in Art. 1 Abs. 1 des Richtlinienentwurfes:
[…] wird mit dieser Richtlinie ein gemeinsamer Rahmen für Maßnahmen zur Förderung der Energieeffizienz in der Union geschaffen, um sicherzustellen, dass die übergeordneten Energieeffizienzziele der Union von 20 % bis 2020 sowie die verbindlichen übergeordneten Energieeffizienzziele der Union von [Kommission: 30%, Parlament: mindestens 35%, Rat: 27-30%] für 2030 erreicht werden […]
Auch bei der Effizienzrichtlinie hat das Europäische Parlament für den Gebäudebereich einige Ergänzungen zum Kommissionsvorschlag vorgeschlagen. Die folgenden seien hier hervorgehoben:
- […] wobei langfristig darauf abgezielt wird, einen gewissen Bestand an Niedrigstenergiegebäuden zu erreichen. Die Energieeinsparverpflichtung war ein entscheidender Faktor für die Schaffung von Wachstum und Arbeitsplätzen vor Ort und sollte beibehalten werden, damit die Europäische Union ihre Energie- und Klimaschutzziele erreichen kann, indem weitere Möglichkeiten eröffnet werden, und damit der Energieverbrauch in geringerem Maße vom Wachstum abhängt. Die Zusammenarbeit mit der Privatwirtschaft ist wichtig, damit beurteilt werden kann, unter welchen Bedingungen sich private Investitionen für Energieeffizienzvorhaben erschließen lassen, und damit neue Ertragsmodelle für Innovationen im Energieeffizienzbereich entstehen. Ergänzung Erwägung 6
- Energieeffizienzsteigerungen wirken sich überdies positiv auf die Luftqualität aus, weil in energieeffizienten Gebäuden weniger Bedarf an – insbesondere festen – Brennstoffen zu Heizzwecken besteht. […] Die Senkung des Energiebedarfs von Gebäuden sollte als Teil der Politik zur Luftreinhaltung gelten […] Aus Erwägung 6a (neu)
- In Anbetracht dessen, dass in den Schlussfolgerungen des Rates vom 10. Juni 2011 über den Energieeffizienzplan hervorgehoben wurde, dass 40 % des Primärenergieverbrauchs und damit 50 % des Endenergieverbrauchs der Union auf Gebäude entfallen, und mit dem Ziel, für mehr Wachstum und Beschäftigung in Wirtschaftszweigen mit Fachkräftebedarf wie dem Baugewerbe und der Herstellung von Bauprodukten und in Branchen wie Architektur, Stadtplanung und Beratung zu Heiz- und Kühltechnologien zu sorgen, sollten die Mitgliedstaaten in diesen Bereichen eine langfristige Strategie festlegen, die über das Jahr 2020 hinausreicht. Erwägung 16a (neu)
- Mit dem Ziel, private Mittel für Energieeffizienzmaßnahmen und energetische Renovierungen zu mobilisieren, nimmt die Kommission den Dialog mit öffentlichen und privaten Finanzinstituten auf, um mögliche strategische Mechanismen zu planen. Angesichts des großen Potenzials für Verbesserungen der Energieeffizienz im Gebäudebereich sind insbesondere Investitionen in diesem Bereich in Betracht zu ziehen […]. Aus Art. 1 Abs. 1b (neu)
- In Gebäuden mit mehreren Wohnungen und in Mehrzweckgebäuden, die über eine zentrale Anlage zur Wärme- oder Kälteerzeugung verfügen oder über Fernwärme- und Fernkältenetze versorgt werden, werden individuelle Verbrauchszähler installiert, um den Wärme-, Kälte- oder Warmwasserverbrauch der einzelnen Einheiten zu messen, wenn dies technisch machbar und kosteneffizient durchführbar und im Hinblick auf die möglichen Energieeinsparungen verhältnismäßig ist. Art. 9a Abs. 2 (fettdruck neu)
- Die Mitgliestaaten fördern die Cybersicherheit und sorgen für den Schutz der Privatsphäre und der Daten der Endnutzer im Einklang mit dem einschlägigen Unionsrecht. Art. 10a Abs. 2 lit. da) (neu)
Verordnung über das Governance-System der Energieunion
- Kommissionsvorschlag: COM(2016) 759
- Geänderter und vom Europäischem Parlament angenommener Text vom 17.01.2018
- Standpunkt des Rates vom 18.12.2017
Bei dieser Verordnung hat das Europäische Parlament den Kommissionsvorschlag insbesondere insoweit abgeändert, dass sich die Energieunion nach den Zielen und Zielvorgaben des Pariser Klimachutzübereinkommens richten soll.
Eine voll funktionsfähige und krisenfeste Energieunion würde die Union zu einer führenden Region für Innovation, Investitionen, Wachstum und soziale und wirtschaftliche Entwicklung machen und damit wiederum als gutes Beispiel dafür dienen, wie ambitionierte Ziele in Bezug auf die Eindämmung des Klimawandels mit Maßnahmen zur Förderung von Innovation, Investitionen und Wachstum verflochten sind. Erwägung 3a (neu)
Im Einklang mit der im Übereinkommen von Paris verankerten Zielsetzung, in der zweiten Hälfte des 21. Jahrhunderts ein ausgewogenes Verhältnis zwischen verursachten und durch Senken gebundenen anthropogenen THG-Emissionen zu erreichen, sollte die Union auf gerechte Weise darauf hinwirken, dass die Emissionen in der EU bis 2050 klimaneutral ausfallen und im anschließenden Zeitraum negative Emissionen erreicht werden. Erwägung 6b (neu)
Hervorgehoben werden sollen hier noch eine Ergänzung zum Thema Cybersicherheit (siehe auch hier) und weitere Ergänzungen bzw. Änderungen zum Gebäudebereich:
- In Vorbereitung auf eine künftige Überprüfung dieser Verordnung und vor dem Hintergrund der Unionsstrategie für Cybersicherheit sollte die Kommission in enger Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten beurteilen, ob es möglicherweise erforderlich ist, die Maßnahmen der Mitgliedstaaten für den verbesserten Schutz der kritischen Infrastruktur des Energiesystems der Union vor Bedrohungen aus dem Internet um zusätzliche einheitliche Planungs- und Berichterstattungsanforderungen zu ergänzen, insbesondere im Hinblick auf die steigende Anzahl potenziell kritischer Cyber-Angriffe in den letzten zehn Jahren, um die Energiesicherheit in jedem Fall zu gewährleisten. Eine solche verbesserte Koordination innerhalb der Union sollte jedoch nicht die nationalen Sicherheitsinteressen der Mitgliedstaaten durch die Offenlegung sensibler Informationen beeinträchtigen. Erwägung 44a (neu)
- Die Mitgliedstaaten betrachten Energieeffizienz als Priorität der Infrastruktur. Sie nehmen Energieeffizienzprogramme in ihre Infrastrukturplanung auf und machen Investitionen in die Renovierung von Gebäuden zu ihrer Priorität. Aus Art. 7 (neu)
- In ihrem integrierten nationalen Energie- und Klimaplan erläutern die Mitgliedstaaten die folgenden in Anhang I Abschnitt A.2 angeführten wesentlichen Ziele, Vorgaben und Beiträge: […] die geplanten Strategien und Maßnahmen sowie der Fortschritt bei der Umwandlung des nationalen Gebäudebestands in einen in hohem Maße energieeffizienten Gebäudebestand mit niedrigen CO2-Emissionen, einschließlich einer nachweisgestützten Schätzung der zu erwartenden Energieeinsparungen und weiter reichender Vorteile, im Zeitraum 2020–2030; Art. 4 Abs. 1 lit. b Nr. 3a (neu)
Aus dem letzten Punkt der Verodnung ergeben sich Folgeanpassungen in dem genannten Anhang I, der den Rahmen für die nationalen Energie- und Klimapläne vorgibt:
Zunächst geht es um eine Folgeänderung bei den nationallen Zielen und Vorgaben (Anhang I, Teil 1, Abschnitt A, Nr. 2.2 lit. iii):
Desweiteren geht es um eine Folgeänderung in den nationalen Strategien und Maßnahmen (Anhang I, Abschnitt A, Nr. 3.2, lit. ii):
Über den weiteren Fortgang der Gesetzgebung werden Sie in diesem Forum informiert.
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