Wieder einmal hat der Bundesgerichtshof dem Berliner Landgericht in Wohnraummietfragen widersprochen. Er bestätigt zwar seine Rechtsprechung, wonach sog. Quotenabgeltungsklauseln in AGB des Vermieters unwirksam sind.

IN DEPTH:
Wird das Mietobjekt bei Vertragsende in einem Zustand zurückgegeben, der zwar schon Abnutzungs- und Gebrauchsspuren aufweist, sind aber die Schönheitsreparaturen noch nicht fällig, so mag der Vermieter ein Interesse daran haben, den Mieter zumindest anteilig an den Kosten der Schönheitsreparaturen zu beteiligen. Hierzu dienen sog. Quotenabgeltungsklauseln. Sie übertragen dem Mieter einen Teil der zukünftig entstehenden Kosten für Schönheitsreparaturen für den Fall, dass das Mietverhältnis vor Fälligkeit der mieterseitigen Schönheitsreparaturpflicht endet. Sie sind als vom Vermieter gestellte Allgemeine Geschäftsbedingungen unwirksam.
Siehe schon:
Neues zu Schönheitsreparatur-Klauseln – Teil 3: Quotenabgeltungsklauseln
BGH legitimiert Mieter-Zuschlag für Schönheitsreparaturen
Neues zu Schönheitsreparatur-Klauseln – Teil 5: Was gilt bei Gewerberaummietverträgen?

In Individualvereinbarungen (also Nicht-AGB) dagegen ist nach dem BGH die wirksame Vereinbarung einer Quotenabgeltungsklauseln möglich. Der BGH widerspricht nicht nur dem Landgericht Berlin, sondern explizit auch dem für mieterfreundliche Rechtsprechung gerne (und auch hier vom LG) zitierten Berliner Professor Lehmann-Richter. Die Begründung des BGH:

  • Die Pflicht zur Ausführung von Schönheitsreparaturen und zur Tragung diesbezüglicher anteiliger Kosten aufgrund der Quotenabgeltungsklausel betrifft die Instandhaltungs- und Instandsetzungspflicht aus § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB. Die Bestimmung des § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB aber ist dispositiv.
  • Die Pflicht zur Ausführung von Schönheitsreparaturen kann deshalb sowohl im Wege Allgemeiner Geschäftsbedingungen – insoweit allerdings eingeschränkt – als auch individualvertraglich auf den Mieter übertragen werden.
  • Und folglich kann eine Quotenabgeltungsklausel zwar nicht im Wege Allgemeiner Geschäftsbedingungen wirksam zum Inhalt des Wohnraummietvertrags gemacht werden. Sie kann jedoch grundsätzlich individualvertraglich wirksam zwischen den Mietvertragsparteien vereinbart werden.

Das Landgericht Berlin und der vom Gericht bemühte Lehmann-Richter dagegegen sind mit ihrer Gegenansicht schlicht in der falschen Welt unterwegs. Falsch, weil sie das Prinzip der Privatautonomie missachten. Und falsch, weil sie sich für ihre umfassende Unwirksamkeitsbehauptung auf § 556 Abs. 4 BGB berufen, der sich aber nur mit der Übertragung von Betriebskosten befasst und schon nichts sagt zur Frage der Übertragung von Schönheitsreparaturen bzw. dere Kosten. Absurderweise räumte das Landgericht ein, dass es nicht um die Abwälzung von Betriebskosten geht, um gleichzeitig aber eine Betriebskostenregelung zu Lasten der Vermietenden anwenden zu wollen.

WICHTIG:
Klar widerlegt ist damit die immer schon unbegründete Ansicht, die Vorschrift des § 556 Abs. 4 BGB schließe jedwede Belastung des Mieters mit sonstigen Kosten, mithin auch solchen, die nicht Betriebskosten sind und ihre Rechtsgrundlage in anderen Bestimmungen haben, aus.

Wenn also im Rahmen von Individualvereinbarungen Gestaltungsfreiheit besteht, stellt sich die Frage danach, wann solche vorliegen. Es ist die Frage nach dem Vorliegen eines individuellen Aushandelns.

HINWEIS:
Individuelles Aushandeln im Sinne des § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB verlangt mehr als Verhandeln, weshalb ein Aushandeln nicht vorliegt, wenn die für den Vertragspartner des Verwenders nachteilige Wirkung der Klausel im Zuge von Verhandlungen zwar abgeschwächt, der gesetzesfremde Kerngehalt der Klausel vom Verwender jedoch nicht ernsthaft zur Disposition gestellt wird.
Siehe ausführlich: Zur Bedeutung konsistenter Vertragsgestaltung im Immobilien- und Baurecht – Zugleich Besprechung von BGH, Urteil vom 25. 2. 2016 – VII ZR 156/13, ZfIR 2016, S. 377 ff.

Für ein Aushandeln der die Quotenabgeltungsklausel enthaltenen Vertragsbedingung im Sinne von § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB verlangt der BGH, dass der Verwender

  • die betreffende Klausel inhaltlich ernsthaft zur Disposition stellt und
  • sich deutlich und ernsthaft zur gewünschten Änderung der Klausel bereit erklärt.

WICHTIG:
Allein die Eröffnung von Wahlmöglichkeiten zwischen mehreren vorformulierten Vertragsbedingungen macht die gewählte Alternative grundsätzlich noch nicht zu einer Individualabrede. Vielmehr muss der Vertragspartner des Klauselverwenders Gelegenheit erhalten, alternativ eigene Textvorschläge mit der effektiven Möglichkeit ihrer Durchsetzung einzubringen.

„Vor diesem Hintergrund wird das Berufungsgericht zu berücksichtigen haben, dass allein der Umstand, dass die Beklagte den Klägern die Wahlmöglichkeit zwischen der Übernahme der Schönheitsreparaturen und der Zahlung einer um 80 € niedrigeren Miete einerseits sowie einer höheren Mietzahlung bei Nichtausführung von Schönheitsreparaturen andererseits eingeräumt hat, nach Vorstehendem nicht ohne Weiteres für ein Aushandeln im Sinne des § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB und damit für das Vorliegen einer wirksamen (individualvertraglichen) Quotenabgeltungsklausel genügt.“
BGH – VIII ZR 79/22

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