Juristen wird ja gerne mal vorgeworfen, Vertragsparteien mit überzogener Regelungskomplexität zu belästigen. Kurz und einfach ist das neue „Gut“. Entscheidend ist, dass es funktioniert. So eine auch im Bau- und Immobilienbereich anzutreffende Arbeitsthese.
Ärgerlich, wenn „kurz und einfach“ nicht funktioniert, weil eine unterkomplexe Herangehensweise der Sache nicht gerecht wird. Das musste nun ein Pächter erfahren, als er ein Vorpachtrecht ausüben wollte. Er berief sich auf eine von ihm verwendete Vertragsklausel, die Simplifizierern gefallen dürfte, rechtlich aber keinen Bestand hatte:
„Dem Pächter wird ein Vorpachtsrecht für die in § 1 aufgeführten Pachtflächen eingeräumt.“
Die Klausel ist nach einer aktuellen Entscheidung des BGH nicht trotz, sondern wegen ihrer Kürze und Einfachheit als AGB intransparent – und damit unwirksam.
Was ist das Vorpachtrecht?
Das schuldrechtliche Vorpachtrecht ist im Gesetz nicht geregelt. Es ist aber als Ausdruck der Vertragsfreiheit allgemein anerkannt. Es ist mit dem schuldrechtlichen Vorkaufsrecht vergleichbar, dessen gesetzliche Regelungen grundsätzlich entsprechend anwendbar sind.
Der Vorpachtberechtigte kann durch einseitige bedingungsfeindliche Gestaltungserklärung bewirken, dass zwischen ihm und dem Verpächter als Vorpachtverpflichteten ein Pachtvertrag mit dem Inhalt zustande kommt, den der Verpächter mit dem Dritten vereinbart hat.
Zum Vormietrecht gilt im Wesentlichen nichts anderes.
Was verlangt das Transparenzgebot?
Gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB kann sich eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners und damit die Unwirksamkeit einer AGB-Klausel auch daraus ergeben, dass diese nicht klar und verständlich ist:
- Das Transparenzgebot verpflichtet den Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen, den Regelungsgehalt einer Klausel möglichst klar und überschaubar darzustellen.
- Zudem verlangt das aus dem Transparenzgebot abgeleitete Bestimmtheitsgebot, dass die Klausel die wirtschaftlichen Nachteile und Belastungen so weit erkennen lässt, wie dies nach den Umständen gefordert werden kann.
- Der Verwender muss die tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen so genau beschreiben, dass für ihn keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume entstehen
Für die eingangs wiedergegebene Klausel entschied der BGH, dass aus dieser für den Verpächter die aus dem Vorpachtrecht folgenden wirtschaftlichen Nachteile und Belastungen nicht hinreichend zu erkennen sind. Denn ohne weitere Konkretisierung bleibt jedenfalls unklar,
- für wie viele Fälle es gelten soll und
- auf welchen Zeitraum es sich erstreckt.
Da diese Unklarheit auch durch entsprechend anwendbare Gesetzesregelungen nicht behoben werden kann, ist die Klausel intransparent.
Zu 1.): Wieviele Fälle?
Der Vorpachtklausel muss zu entnehmen sein, ob das dem Pächter eingeräumte Vorpachtrecht nur für einen Fall oder für mehrere Fälle gelten soll.
Solche Angaben sind aufgrund der Eigenart des Vorpachtrechts und insoweit in Abgrenzung zum Vorkaufsrecht erforderlich. Insbesondere kann insoweit nicht auf das grundsätzlich entsprechend anwendbare Recht zum Vorkaufsrecht zurückgegriffen werden. Die Regelungen des schuldrechtlichen Vorkaufrechts sind nach dem BGH für eine weitere Konkretisierung ungeeignet, weil es insoweit einen entscheidenden Unterschied zu dem Vorpachtrecht gibt:
Ein schuldrechtliches Vorkaufsrecht besteht grundsätzlich – ohne Weitergabe der Vorkaufsverpflichtung an den Erwerber – allein gegenüber dem Vertragspartner und kann folglich nicht mehr ausgeübt werden, wenn die Sache, die Gegenstand des Vorkaufsrechts ist, an einen Dritten verkauft wurde, ohne dass das Vorkaufsrecht ausgeübt worden ist. Während deshalb bei einem Vorkaufsrecht die Ausübung von vornherein auf einen Fall beschränkt ist, liegt es bei der Vereinbarung eines Vorpachtrechts anders. Der Verpflichtete kann nach Ende des Pachtvertrages jeweils einen neuen Pachtvertrag über die Sache abschließen, auf die sich das Vorpachtrecht bezieht.
Die in der vorstehend zitierten Klausel gewählte Formulierung „ein Vorpachtrecht“ genügt dem nicht. Für wie viele Pachtverträge dem Pächter das Vorpachtrecht eingeräumt werden soll, ergibt sich aus der Klausel nicht.
Wie die Revision zutreffend ausführt, kann alleine aus der Verwendung des Wortes „ein“ nicht zwingend – im Sinne eines Zahlworts – auf die Anzahl der möglichen Ausübungsfälle geschlossen werden, da sich das Wort grammatikalisch ebenso als unbestimmter Artikel zu dem Hauptwort „Vorpachtrecht“ verstehen lässt, ohne dessen Inhalt zu präjudizieren.
Zu 2.): Zeitraum?
Da unterschiedliche Optionen in Betracht kommen, muss in der Vertragsklausel hinreichend bestimmt sein, für welchen Zeitraum das Vorpachtrecht bestehen soll, also der Verpächter mit der Ausübung des Vorpachtrechts rechnen muss.
- Zum einen ist es denkbar, dass das Vorpachtrecht nur solche Verträge des Verpächters mit Dritten erfasst, deren Pachtzeit unmittelbar im Anschluss an den Pachtvertrag mit dem vorpachtberechtigten Pächter beginnt.
- Zum anderen ist vorstellbar, dass das Vorpachtrecht auch dann noch ausgeübt werden kann, wenn sich an den Pachtvertrag zunächst ein Zeitraum der Eigennutzung oder der fehlenden Verpachtung aus anderen Gründen anschließt und erst später wieder ein Pachtvertrag mit einem Dritten abgeschlossen wird.
- Generell bedarf es Angaben dazu, wie lange nach Auslaufen des Pachtvertrages das Vorpachtrecht bestehen bleiben, und ob es sich möglicherweise um ein unbefristetes Recht des Pächters handeln soll.
Auch hierzu kann nicht konkretisierend auf die entsprechend anwendbaren Vorschriften des schuldrechtlichen Vorkaufsrechts zurückgegriffen werden.
Insbesondere hilft der Verweis der Revisionserwiderung auf § 469 Abs. 1 und Abs. 2 BGB nicht weiter, da in dieser Vorschrift nur die Mitteilungspflichten und die Ausübungsfrist bei einem tatsächlich bestehenden Vorkaufsrecht geregelt sind.
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