Eine Betreiberin von Studentenwohnheimen schließt mit einem Ingenieur einen Energieberatervertrag und schließlich einen Ingenieurvertrag mit dem Auftrag zur Planung einer in die Fassade eines Gebäudes integrierten Photovoltaikanlage und deren Bauüberwachung.
Die Abnahme ergibt diverse Mängel und die Verfehlung des im Energieberatungsbericht des Ingenieurs prognostizierten Ertrages. Der Bauherr macht Sanierungskosten und entgangene Einspeisevergütung geltend.
Der BGH nutzt diesen Fall, um Grundlegendes zur Verantwortung des planenden Bauüberwachers und zur Verjährung seiner Gewährleistungshaftung zu klären.
Was schuldet der planende Bauüberwacher?
Der mit Planungs- und Überwachungsleistungen beauftragte Ingenieur ist verpflichtet,
- für die Mangelfreiheit des Bauwerks zu sorgen und
- dem Besteller auch nach dessen Fertigstellung bei der Untersuchung und Behebung eines Baumangels zur Seite zu stehen.
Als Planungs- und Überwachungsverantwortlicher ist der Ingenieur bzw. Architekt aber auch Sachwalter des Bestellers mit einer noch weitergehenden Haftung: Der Sachwalterhaftung. Er schuldet im Rahmen seines jeweils übernommenen Aufgabengebiets
- die unverzügliche und umfassende Aufklärung der Ursachen sichtbar gewordener Mängel des Bauwerks sowie
- die sachkundige Unterrichtung des Bestellers vom Ergebnis der Untersuchung und
- der sich daraus ergebenden Rechtslage.
Wann beginnt die Verjährung für die Gewährleistungshaftung?
Der Lauf der Verjährungsfrist für die gegen einen Architekten oder Ingenieur gerichteten Mängelansprüche beginnt beim Fehlen anderweitiger Vereinbarungen erst mit Abnahme der Werkleistung oder mit der abnahmereifen Herstellung sämtlicher geschuldeter Leistungen.
Schuldet der Überwacher etwa entsprechend dem Leistungsbild der HOAI „Überwachen der Beseitigung der bei der Abnahme der Leistungen festgestellten Mängel“ kann eine – gegebenenfalls konkludente – Abnahme der Planungs- und Überwachungsleistungen erst nach der Überwachung der Beseitigung der bei der Abnahme festgestellten Mängel stattgefunden haben.
Welche Verjährungsfrist gilt?
Die Gewährleistungsansprüche verjähren nach § 634a Abs. 1 Nr. 2 BGB in fünf Jahren bei einem Bauwerk und einem Werk, dessen Erfolg in der Erbringung von Planungs- oder Überwachungsleistungen hierfür besteht.
Von derartigen Planungs- und Überwachungsleistungen ist nicht nur bei der Neuerrichtung eines Bauwerks, sondern auch bei einer grundlegenden Erneuerung eines Gebäudes auszugehen.
- Unter einer grundlegenden Erneuerung sind Arbeiten zu verstehen, die insgesamt einer vollständigen oder teilweisen Neuerrichtung gleich zu achten sind.
- Erfasst sind auch Umbauarbeiten an einem bereits errichteten Bauwerk, wenn sie für Konstruktion, Bestand, Erhaltung oder Benutzbarkeit des Gebäudes von wesentlicher Bedeutung sind und die eingebauten Teile mit dem Gebäude fest verbunden werden.
- Für die Annahme einer Planungs- und Überwachungsleistung bei einem Bauwerk ist neben der Bestimmung zur dauernden Nutzung die für Bauwerke typische Risikolage entscheidend, die der Grund für die längere Verjährungsfrist ist. Es geht dabei typischerweise um die späte Erkennbarkeit von Mängeln aus Gründen der Verdeckung durch aufeinanderfolgende Arbeiten einerseits sowie der Witterung und Nutzung andererseits
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist nicht entscheidend, ob die von der Klägerin im Rechtsstreit geltend gemachten Mängel frühzeitig erkennbar waren. Die für Bauwerke typische Risikolage der späten Erkennbarkeit von Mängeln stellt keine weitere Voraussetzung im Einzelfall für die Annahme der fünfjährigen Verjährungsfrist dar, sondern beschreibt den Grund für das Eingreifen der längeren Verjährungsfrist nach § 634a Abs. 1 Nr. 2 BGB. Es ist daher auf das allgemeine Risiko der späten Erkennbarkeit unter Berücksichtigung der Verdeckung von Mängeln durch aufeinander abgestimmte Arbeiten und die der Witterung ausgesetzte Nutzung bei einem Bauwerk abzustellen; dieses Risiko ist auch bei dem in die Gebäudefassade integrierten Einbau einer Photovoltaikanlage – wie im Streitfall – anzunehmen und im Übrigen ohnehin nicht allein auf die die Leistungskapazität der Anlage bezogenen Mängel beschränkt.
Bundesgerichtshof
Im konkreten Fall war die Photovoltaikanlage im Rahmen einer grundlegenden Umgestaltung eines Bestandsgebäudes in ein Studentenwohnheim über mehrere Stockwerke hinweg in die Fassade integriert worden. Demnach handelte es sich bei dem Einbau der Photovoltaikanlage, für welche der verklagte Ingenieur Planungsleistungen und die Bauüberwachung durchgeführt hatte, um einen Teilbereich der grundlegenden Erneuerung eines Gesamtgebäudes in ein Studentenwohnheim. Diese Erneuerung des Gesamtgebäudes stand nach den Rechtsprechungsgrundsätzen des BGH einer vollständigen oder teilweisen Neuerrichtung gleich. Folglich galt eine Verjährungsfrist von 5 Jahren.
Der BGH grenzt diese Fallkonstellation ab von zwei anderen Konstellationen, zu denen er kürzlich bereits Rechtsklarheit geschaffen hatte:
Bei dieser Sachlage kommt es nicht darauf an, ob die in die Fassade integrierte Photovoltaikanlage für das Gebäude insoweit eine dienende Funktion erfüllt, als das Gebäude hierdurch aufgrund einer Funktionserweiterung zugleich Trägerobjekt der Anlage ist.
Ebenso wenig kommt es bei dieser Sachlage darauf an, ob die Photovoltaikanlage selbst als Bauwerk zu qualifizieren ist.
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