Der BGH hat in einer ersten Entscheidung zum neuen Architektenrecht Grundlegendes entschieden und seine Rechtsprechung zur Baukostenobergrenze bestätigt und fortgeschrieben.
Die gesetzliche Ausgangslage nach neuem Recht
Nach § 650p Abs. 1 Satz 1 BGB wird der Architekt durch einen Architektenvertrag verpflichtet, die Leistungen zu erbringen, die nach dem jeweiligen Stand der Ausführung des Bauwerks oder der Außenanlage erforderlich sind, um die zwischen den Parteien vereinbarten Planungs- und Überwachungsziele zu erreichen.
ZUR VERTIEFUNG:
Mit dieser Formulierung wird nach der Vorstellung des Gesetzgebers zum Ausdruck gebracht, dass der Architektenvertrag typischerweise eine Reihe verschiedener Pflichten umfasst und zwischen dem Planungserfolg und den Planungs- und Leistungsschritten zu unterscheiden ist.
Was daraus folgt: Auf die privatautonome Vereinbarung der Parteien kommt es an
Das Gesetz definiert bewusst nicht die vom Architekten als Hauptleistung zu erfüllenden Pflichten. Das Architektenvertragsrecht des BGB unterscheidet sich darin etwa vom Kauf- oder Mietrecht des BGB. Es verweist auf die Planungs- und Überwachungsziele, die die Parteien selbst vereinbaren.
Die vertragliche Vereinbarung ist damit entscheidend dafür, welche Hauptleistungspflichten der Architekt zu erfüllen hat.
Bundesgerichtshof
ZUR VERTIEFUNG:
Vor diesem Hintergrund ist auch die neue gesetzliche „Leistungsphase 0: Zielfindung“ zu sehen: Soweit wesentliche Planungs- und Überwachungsziele noch nicht vereinbart sind, hat der Architekt/Ingenieur nach § 650p Abs. 2 BGB zunächst eine Planungsgrundlage zur Ermittlung dieser Ziele zu erstellen. Er legt dem Besteller die Planungsgrundlage zusammen mit einer Kosteneinschätzung für das Vorhaben zur Zustimmung vor.
Es ist nach dem im Bürgerlichen Recht geltenden Grundsatz der Privatautonomie den Vertragsparteien im Allgemeinen freigestellt, Leistung und Gegenleistung zu bestimmen.
Bundesgerichtshof
Welche Gestaltungsoptionen die Parteien haben
Nach dem BGH stehen den Parteien für die der Privatautonomie unterliegenden Beschreibung der von dem Architekten geschuldeten Hauptleistung im Grundsatz zwei Wege offen:
- Die Vertragsparteien können im Zeitpunkt des Vertragsschlusses umfassend Planungs- und Überwachungsziele bestimmen und Planungs- und Leistungsschritte detailliert beschreiben.
- Die Vertragsparteien können aber auch im Zeitpunkt des Vertragsschlusses die Planungs- und Überwachungsziele nur im Ansatz, beispielsweise unter Bezeichnung des Grundstücks und Bestimmung des Zwecks des zu errichtenden Gebäudes oder der herzustellenden Außenanlage vereinbaren und die weitergehend notwendige Konkretisierung der zukünftigen Planung überlassen.
HINWEIS:
Die Verlagerung der Gestaltungshoheit über die vertraglichen Hauptleistungspflichten vom Gesetz auf die Vertragsparteien selbst hat weitreichende Folgen etwa für die Frage einer AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle. Nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB unterliegen nur Klauseln der Inhaltskontrolle, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder ergänzende Regelungen vereinbart werden. Klauseln, die Art, Umfang und Güte der vertraglichen Hauptleistung und der hierfür zu zahlenden Vergütung unmittelbar bestimmen (Leistungsbeschreibungen und Preisvereinbarungen), sind dagegen von der Inhaltskontrolle ausgenommen (siehe zu Preishauptabreden und Preisnebenabreden auch schon HIER).
Die Baukostenobergrenze
Zu den Hauptleistungspflichten des Architekten gehören sämtliche Vereinbarungen der Vertragsparteien zur Beschaffenheit der von dem Architekten zu erreichenden Planungs- und Überwachungsziele.
Hierzu kann auch eine Baukostenobergrenze gehören:
Vereinbaren die Vertragsparteien – bei Vertragsschluss oder im Verlauf des Planungsprozesses – eine Baukostenobergrenze, liegt darin eine Beschaffenheitsvereinbarung der zu erreichenden Planungs- und Überwachungsziele, die der Architekt als Hauptleistungspflicht zu erfüllen hat.
Bundesgerichtshof
Hierzu stellt der BGH das Folgende fest und verteidigt seine bisherige Rechtsprechung gegen Kritik:
- Nach ständiger Rechtsprechung entspricht die Planungsleistung eines Architekten nicht der vereinbarten Beschaffenheit, wenn sie ein Bauwerk oder eine Außenanlage vorsieht, dessen/deren Errichtung höhere Herstellungskosten erfordert, als sie von den Parteien des Architektenvertrages vereinbart sind.
- Der Architekt ist verpflichtet, die Planungsvorgaben des Bestellers zu den Herstellungskosten des Bauwerks zu beachten und vereinbarte Baukostenobergrenzen einzuhalten.
- Nicht erforderlich ist, dass der Vertrag die gravierenden rechtlichen und wirtschaftlichen Konsequenzen der Vereinbarung einer Kostenobergrenze ausdrücklich formuliert. Denn nach dem BGH ist dem durchschnittlichen Architekten klar, dass er seine Leistungen unter Wahrung der Vereinbarung mit dem Besteller zur Baukostenobergrenze zu erbringen hat und eine schuldhafte Nichtbeachtung dieser Beschaffenheitsvereinbarung zu Schadensersatzansprüchen gegen ihn führen kann. Eines gesonderten Hinweises auf diese Rechtsfolge bedarf es nicht.
- Diese Verpflichtung ergibt sich, soweit vereinbart, sodann auch direkt aus dem neuen Gesetzesrecht:
- Nach § 650q Abs. 1, § 633 BGB ist der Architekt verpflichtet, seine Leistung frei von Sach- und Rechtsmängeln zu erbringen.
- Nach § 633 Abs. 2 Satz 1 BGB ist das Werk des Architekten frei von Sachmängeln, wenn es die vereinbarte Beschaffenheit hat.
- Zu der vereinbarten Beschaffenheit der Leistungen des Architekten gehört (s.o.), dass der Architekt die zum Vertragsinhalt gewordenen Vorgaben des Auftraggebers zu den Baukosten des Bauwerkes beachtet. Dabei ist der Architekt verpflichtet, seine Leistungen so zu erbringen, dass eine vereinbarte Baukostenobergrenze eingehalten werden kann.
- Diese Feststellung ist wichtig, denn gibt ein Vertrag nur das wieder, was das Gesetz ohnehin vorsieht, handelt es sich um rechtsdeklaratorische Klauseln, die keiner AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle unterliegen.
ZUR VERTIEFUNG:
Der BGH betont schließlich, dass sich die Vereinbarung einer Baukostenobergrenze in einem Architektenvertrag grundlegend von Leistungsbeschreibungen in Vertragsmustern unterscheidet, die Rechte und Pflichten des Vertragspartners ohne individualisierenden Bezug zum konkreten Vertragsschluss allgemein regeln und die deshalb in der Rechtsprechung als Allgemeine Geschäftsbedingungen angesehen werden.
Denn die Baukostenobergrenze wird entsprechend den Gegebenheiten des konkret zu planenden und gegebenenfalls zu verwirklichenden Bauvorhabens und den für dieses Vorhaben verfügbaren finanziellen Mitteln festgesetzt. Baukostensumme und Bauvorhaben bilden demnach eine nur das konkrete Bauvorhaben betreffende, individuelle Einheit, die mitsamt den dazugehörigen Nebenregelungen nicht dem AGB-Recht unterliegt.
Vorformulierte Vertragsmuster, die im Hinblick auf eine Baukostensumme im Einzelfall erst noch ausgefüllt werden müssen, erhalten ihren Regelungsgehalt erst durch das Einsetzen der Baukostensumme, die für das jeweilige Bauvorhaben, d.h. individuell, bestimmt wird. Damit ist die Verwendung solcher Klauseln nur für diesen einen Vertrag beabsichtigt. Und daher sind auch solche Klauseln keine AGB. Denn AGB setzen voraus, dass sie für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert sind, dass im Zeitpunkt des Vertragsschlusses ihre mindestens dreimalige Verwendung beabsichtigt ist.
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