Der BGH hat in einer aktuellen Entscheidung seine Rechtsprechung zur Verkäuferhaftung beim Immobilienkauf fortgeschrieben: Auch für den fachkundigen Verkäufer gelten die strengen Anforderungen an die Arglisthaftung.


Der Fall

Der Klassiker:

Ein Käufer kauft eine Bestandsimmobilie infolge mehrerer Besichtigungen – sogar unter sachverständiger Begleitung – und unter Ausschluss der Haftung für Sachmängel .

Die Besonderheit:

Der Verkäufer war Inhaber eines Bauunternehmens.

Der Mangel/Schaden:

Bereits bei der Besichtigung war an einer Rückwand ein Wasserfleck erkennbar. Vier Jahre nach Ankauf stellte der Käufer – erst infolge Bauteilöffnungen – fest, dass die von dem Verkäufer eingebrachte Drainage nicht den zum Zeitpunkt der Errichtung des Hauses im Jahre 1993 geltenden DIN-Vorschriften und anerkannten Regeln der Technik entsprach, unter anderem weil eine Vliesummantelung an der Horizontaldrainage sowie ein funktionsfähiger Vertikaldrain fehlten, und dass die Abdichtung des Hauses im Übrigen wegen des verwendeten Materials funktionsuntüchtig war.


Die Entscheidung

Liegt ein Mangel vor?

Weil die Drainage und die Abdichtung des Gebäudes gegen eindringende Feuchtigkeit nicht nach den zum Zeitpunkt der Errichtung geltenden DIN- Vorschriften ausgeführt wurden, im Ganzen nicht den anerkannten Regeln der Technik entsprachen und nicht voll funktionstüchtig waren bejahte der BGH das Vorliegen eines Mangels an der gekauften Immobilie.

Arglisthaftung?

Die Vorinstanz hatte den Verkäufer wegen arglistiger Täuschung bzw. arglistigem Verschweigen des Mangels auf Schadensersatz verurteilt. Der BGH stimmt dem nur insoweit zu, dass der Immobilienverkäufer dem Immobilienkäufer ungeachtet des vertraglich vereinbarten Haftungsausschlusses wegen eines Mangels nach § 444 BGB haftet, wenn er den Mangel arglistig verschwiegen hat.

Auf eine Vereinbarung, durch welche die Rechte des Käufers wegen eines Mangels ausgeschlossen oder beschränkt werden, kann sich der Verkäufer nicht berufen, soweit er den Mangel arglistig verschwiegen oder eine Garantie für die Beschaffenheit der Sache übernommen hat.

§ 444 BGB

Der BGH lehnt aber die Ansicht der Vorinstanz als rechtsfehlerhaft ab, der Verkäufer habe den Käufer über die Mangelfreiheit der Drainage und Abdichtung des Hauses getäuscht.

Der BGH nutzt die Entscheidung, um Grundlegendes zur Arglisthaftung festzustellen, einerseits zum arglistigen Verschweigen (Unterlassen einer Aufklärung) und andererseits zur arglistigen Täuschung (falsche Angaben/Antworten):

Arglistiges Verschweigen?

Zunächst stellte sich dem BGH die Frage der Arglisthaftung in der Form des arglistigen Verschweigens – hier der Ursache der Feuchtigkeitserscheinung. Fraglich war, ob der Verkäufer als Fachmann erkannt hatte, dass schadensursächlich für den Wasserfleck nicht eine sich lösende Bitumenbahn war, die er mehrfach versucht hatte zu sanieren, sondern die mangelhafte Abdichtung des Gebäudes insgesamt.

GRUNDSATZ:
Arglist setzt zumindest Eventualvorsatz voraus; leichtfertige oder grob fahrlässige Unkenntnis genügt nicht. Ein arglistiges Verschweigen ist danach nur gegeben, wenn

  • der Verkäufer den Mangel kennt oder ihn zumindest für möglich hält und
  • zugleich weiß oder doch damit rechnet und billigend in Kauf nimmt, dass der Käufer den Mangel nicht kennt und bei Offenbarung den Vertrag nicht oder nicht mit dem vereinbarten Inhalt geschlossen hätte.

AUSNAHME:
Bei Mängeln, die einer Besichtigung zugänglich und damit ohne weiteres erkennbar sind, besteht grundsätzlich keine Offenbarungspflicht; der Käufer kann insoweit eine Aufklärung nicht erwarten, weil er diese Mängel bei der im eigenen Interesse gebotenen Sorgfalt selbst wahrnehmen kann. Auch hierzu gibt es jedoch wiederum Einschränkungen:
(1) Nicht ohne weiteres erkennbar sind auch solche Mängel, von denen bei einer Besichtigung zwar Spuren zu erkennen sind, die aber keinen tragfähigen Rückschluss auf Art und Umfang des Mangels erlauben. In diesen Fällen muss der Verkäufer gemäß seinem Kenntnisstand aufklären und darf sein konkretes Wissen nicht zurückhalten.
(2) Zieht der Verkäufer auf Grund eigener Sachkunde oder auf Grund eines von ihm eingeholten Gutachtens Schlüsse auf den Mangel und seine Ursachen, die sich dem Käufer bei einer Inaugenscheinnahme der Symptome nicht in gleicher Weise aufdrängen, kann der Käufer erwarten, dass ein redlicher Verkäufer ihm diese Schlussfolgerungen mitteilt.

ZUM FALL:
Im konkreten Fall lehnte der BGH vor diesem Hintergrund die Annahme der Vorinstanz ab, der Verkäufer habe den Mangel an der Drainage und der Abdichtung des Hauses dem Käufer arglistig verschwiegen. Insbesondere reichte es nicht aus, dass der Verkäufer als Baufachmann immer wieder erfolglos versucht hatte, den Wasserfleck zu sanieren. Die Vorinstanz meinte noch, dem Verkäufer habe sich als Fachmann aufgrund der erfolglosen Sanierungsversuche aufdrängen müssen, dass die Mangelursache in einem anderen Bereich anzusiedeln sei. Für den Arglistvorwurf genügt es jedoch gerade nicht, wenn sich dem Verkäufer das Vorliegen aufklärungspflichtiger Tatsachen hätte aufdrängen müssen. Selbst ein bewusstes Sichverschließen reicht für die Annahme der Arglist nicht aus, erforderlich ist die Kenntnis der den Mangel begründenden Umstände zumindest in der Form des Eventualvorsatzes. Diese Kenntnis muss festgestellt werden; sie kann nicht durch wertende Überlegungen ersetzt werden.



Arglistige Täuschung & falsche Antworten?

Dem BGH stellte sich die weitere Frage, ob der Verkäufer deswegen arglistig im Sinne von § 444 BGB gehandelt hatte, weil er dem Käufer gegenüber vorsätzlich falsche Angaben über die Einhaltung der einschlägigen DIN-Vorschriften bei der Erstellung der Drainage und Abdichtung des Hauses gemacht hatte.

Grundsatz:
Der Verkäufer ist verpflichtet, Fragen des Käufers richtig und vollständig zu beantworten.

AUSNAHME:
Allein der Umstand, dass Fragen falsch beantwortet werden, begründet jedoch noch nicht den Vorwurf der Arglist. Derjenige, der gutgläubig falsche Angaben macht, handelt nämlich grundsätzlich nicht arglistig, mag der gute Glaube auch auf Fahrlässigkeit oder selbst auf Leichtfertigkeit beruhen.
Dies wiederum erfährt eine Einschränkung, wenn der Verkäufer auf Fragen des Käufers falsche Angaben ohne tatsächliche Grundlage – „ins Blaue hinein“ – macht und mit deren Unrichtigkeit rechnet; wer so antwortet, handelt grundsätzlich bedingt vorsätzlich.

Zum Fall:
Die Vorinstanz hatte die Arglist des Verkäufers damit begründet, er habe Angaben ohne tatsächliche Grundlage „ins Blaue hinein“ gemacht. Von einem Fachmann könne man die Einhaltung bestimmter Qualitätsstandards erwarten, er müsse die jeweils aktuell geltenden Regeln seines Fachs kennen und anwenden und eben dies habe der Verkäufer auch erklärt. Der BGH dagegen entscheidet, dass nach den vorstehend beschriebenen Maßstäben nicht davon ausgegangen werden könne, der Verkäufer habe vorsätzlich falsche Angaben über die Einhaltung der einschlägigen DIN-Vorschriften bei der Erstellung der Drainage und Abdichtung des Hauses gemacht. Macht der Verkäufer auf Fragen des Käufers falsche Angaben ohne tatsächliche Grundlage „ins Blaue hinein“, setzt die Annahme bedingten Vorsatzes voraus, dass der Verkäufer mit der Unrichtigkeit seiner Angaben rechnet. Hiervon kann nicht allein deshalb ausgegangen werden, wenn die Abdichtung des Hauses nicht den einschlägigen DIN-Vorschriften entspricht und der Verkäufer diese als Fachmann grundsätzlich zu kennen hatte.

Die Angabe des fachkundigen Verkäufers, das Kaufobjekt fachgerecht bzw. nach den anerkannten Vorschriften errichtet zu haben, erfolgt nicht schon dann ohne tatsächliche Grundlage „ins Blaue hinein“, wenn er bei der Bauausführung unbewusst von einschlägigen DIN-Vorschriften abgewichen ist.

Bundesgerichtshof

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