In der Effizienzstrategie 2050 der Bundesregierung und deren Nationalen Aktionsplan Energieeffizienz (NAPE 2.0, S. 22) ist zu lesen, man wolle die Frage diskutieren, ob und wie z. B. mittels Digitalisierung (z. B. Homeoffice etc.) der Energieverbrauch durch eine Verringerung des Verkehrsaufkommens gesenkt werden kann – ohne dabei die persönliche Mobilität der Bürgerinnen und Bürger zu beschränken. Senkung des Energieverbrauchs durch Homeoffice? Das klingt nach einem Aufreger für Präsenzkulturelle.
In COVID-Zeiten, die nicht wenige von uns im Homeoffice verbringen, sieht das plötzlich ganz anders aus – plötzlich wird vieles möglich bis normal, was zuvor noch zumindest ungewöhnlich schien. Selbst für Unternehmen und Einrichtungen mit dem Digitalisierungsstand kurz hinter der Karteikarte scheint Digitalisierung plötzlich nicht mehr ganz so abstrakt oder gar überflüssig. Zweifellos wird die COVID-Erfahrung in vielerlei Hinsicht die Digitalisierung nochmals stärken und vorantreiben.
Aber gilt das auch für die Baubranche?
Auf eine parlamentarische Anfrage ließ die Bundesregierung (BT-Drucksache 19/18229, 17.03.2020) nun wissen, bisher hätten nach aktuellen Erhebungen nur 18 Prozent der Unternehmen im Bauwesen eine ausgereifte Digitalstrategie vorzuweisen, aber 80 Prozent wollten digitale Methoden für sich nutzen.
Die Planungs- und Designseite wie auch der Anlagenbausektor weisen derzeit einen höheren Digitalisierungsgrad auf als die Bauwirtschaft. Bau- und Baugewerbeunternehmen wägen sorgfältig ab, welche digitalen Instrumente und Methoden für das eigene Unternehmen sinnvoll sind.
BT-Drucksache 19/18229
Die Bundesregierung betont:
- Die Verantwortung für die Einführung digitaler Methoden liegt bei den Marktteilnehmern.
- Die Bundesregierung unterstützt und begleitet jedoch den Prozess der Digitalisierung. Zu nennen ist das F&E Förderprogramm Smart Service Welt II mit zwei BIM Projekten, welche die Wertschöpfungskette der Bauwirtschaft weiter digitalisieren wollen:
- Das Projekt „Digital Twin“ will das digitale Abbild eines Gebäudes von Beginn der Planungsphase bis zur Bewirtschaftung des Gebäudes allen Beteiligten einfacher zugänglich machen. DigitalTWIN steht für Digital Tools and Workflow Integration for Building Lifecycles und soll bis 2021 digitale Werkzeuge und Techniken entlang der Wertschöpfungskette des Bauwesens entwickeln.
- Das Projekt „BIMSWARM“ entwickelt eine offene Plattform, die Unternehmen der Bauwirtschaft mit unterschiedlichem Digitalisierungsgrad eine durchgängige Projektbearbeitung von Bauwerken ermöglichen soll. Im Zentrum steht dabei eine Zertifizierung und Bewertung der Einsatzbarkeit auf Basis herstellerneutraler BIM-Schnittstellen. Dadurch sollen sowohl Auftraggeber (AG) bei der Abwicklung von Bauprojekten als auch Auftragnehmer (AN) bei der Digitalisierung ihrer Geschäftsprozesse unterstützt werden können.
Im Gebäudesektor bietet z. B. die stärkere Digitalisierung des Planungs- und Bauprozesses (Building Information Modeling) erhebliches Innovationspotenzial. Denn damit wird sowohl die Planungs- als auch die Betriebsphase weitestgehend digitalisiert.
Effizienzstrategie 2050 der Bundesregierung und deren Nationalen Aktionsplan Energieeffizienz (NAPE 2.0), S. 24
Schließlich verweist die Bundesregierung auf das BIM Deutschland (Zentrum für die Digitalisierung des Bauwesens), das als nationales BIM-Kompetenzzentrum im Herbst 2019 durch das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (BMI) und das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) eingerichtet wurde. Durch BIM Deutschland wird der gesamte Bundesbau betrachtet. Es ist die zentrale öffentliche Anlaufstelle des Bundes für Informationen und Aktivitäten rund um Building Information Modeling (BIM). Die Produkte, offenen Standards und Konzepte sollen sowohl dem öffentlichen Bau als auch der gesamten Wertschöpfungskette Bau zur Verfügung gestellt werden. BIM Deutschland soll die Aktivitäten, Erkenntnisse und Erfahrungen zum Einsatz von BIM auf nationaler und internationaler Ebene zusammenführen und eine Plattform bieten, die Muster, Vorgaben und Werkzeuge für alle Anwender im öffentlichen wie auch im privatwirtschaftlichen Bau bereitstellt.
Die Digitalisierung beschleunigt sich und durchdringt alle Lebensbereiche. Rechenleistung, Speicherkapazitäten für Daten und die Methoden zu ihrer Analyse entwickeln sich dynamisch weiter. Neue Technologien wie 5G, Künstliche Intelligenz oder Blockchain ermöglichen eine effizientere Ausgestaltung von Prozessen und die Etablierung neuer Anwendungen und Geschäftsmodelle. Digitalisierung ist damit der wesentliche Treiber der Umgestaltung wirtschaftlicher Prozesse.
Effizienzstrategie 2050 der Bundesregierung und deren Nationalen Aktionsplan Energieeffizienz (NAPE 2.0), S. 24
Wie sehr die Digitalisierung alle Lebensbereiche durchdringt und welch starker Treiber sie ist oder sein soll für die Umgestaltung wirtschaftlicher Prozesse zeigt auch ein vom Deutschen Bundestag am 05. März 2020 angenommener Antrag zur Digitalisierung des Planens und Bauens (BT-Drucksache 19/14341). Im Zentrum steht dabei die Wohnraumfrage. Hierzu bedarf es Neubau von Wohnimmobilien, was jedoch mit Kosten und Risiken verbunden ist. Um trotz auch in absehbarer Zeit hoher wenn nicht gar höherer Kosten eine Effizienzsteigerung und Beschleunigung im Wohnungsneubau zu erreichen, soll die Prozesskette Planen, Bauen und Nutzen einschließlich Verkehrsinfrastruktur mit Hilfe der Digitalisierung modernisiert und beschleunigt werden.
Die Digitalisierung wird einen wichtigen Beitrag für die Effizienzsteigerung im Bauwesen leisten. Einen großen Mehrwert bieten hier die medienbruchfreie Weitergabe und Nutzung von Daten. Die für die Digitalisierung notwendige gemeinschaftliche und kooperative Zusammenarbeit erfordert einen intensiven digitalen Informationsaustausch. Es zeigt sich aber, dass in den Bereichen der Standardisierung, Normung, Best Practice, Erfahrungsaustausch, Wissenstransfer und Informationsbereitstellung sowohl auf Auftraggeber- wie Auftragnehmerseite noch ein erheblicher Handlungsbedarf besteht.
BT-Drucksache 19/14341
Im Zentrum des digitalen Transformationsprozesses der Wertschöpfungskette Bau steht nach dieser Vorstellung die Etablierung des Building Information Modeling (BIM).
BIM
- beinhaltet die Digitalisierung des Planens, Bauens und Nutzens von Bauwerken,
- zielt methodisch darauf, dass in der Planung, in der Ausführung und später bei der Bewirtschaftung leichter mit allen Beteiligten kommuniziert wird,
- soll den kompletten Lebenszyklus eines Bauwerks ab dem Spatenstich virtuell vom Bau bis zur Nutzung simulieren,
- soll den Ressourceneinsatz optimieren und die Risiken von Kosten- und Terminüberschreitungen minimieren,
- soll besonders vorteilhaft sein, wenn Synergieeffekte etwa mit einer digitalen Bauleitplanung und mit digitalen Baugenehmigungsprozessen oder mit seriellem und modularem Bauen eintreten.
Und nicht zuletzt:
Auch für das Thema Nachhaltigkeit ist eine solche Simulation von hohem Wert. (…) Es bietet die Möglichkeit, schnell, kostengünstig und trotzdem qualitativ hochwertig, aber auch architektonisch ansprechend zu bauen.
BT-Drucksache 19/14341
Nach der Entschließung des Deutschen Bundestages zur Digitalisierung des Planens und Bauens tun sich einige „Baustellen“ auf, deren Lösung eingefordert wird, insbesondere:
- Mehr Engagement bei der Normung insbesondere auf europäischer und internationaler Ebene.
- Digitalisierung planungsrechtlicher und bauaufsichtlicher Verfahren vorantreiben. Ziel soll ein medienbruchfreies offenes digitales System sein, das von der Planrechtsetzung über die Planung, den digitalen Bauantrag, das Erstellen von Bauwerken bis hin zum Betrieb reicht.
- Mehr BIM-Pilotprojekte auf den Weg bringen.
- Aufstellung einer BIM-Strategie für den gesamten Bundeshochbau als Basis für eine praxisgerechte Einführung einer BIM-Pflicht für Vorhaben mit einem Ausgabevolumen ab 5 Mio. Euro.
- Unter der 5 Mio.-Schwelle Prüfung der BIM-Geeignetheit.
- Mit der Durchführung von Pilotprojekten sollen wichtige Erkenntnisse über die Einführung und Anwendung digitaler Methoden erlangt und gleichzeitig eine Breitenwirkung für die gesamte Branche erreicht werden.
Während die Entschließung des Deutschen Bundestages zur Digitalisierung des Planens und Bauens vom 05. März 2020 trotz aller nationaler Kompetenzzentren, Initiativen, Gesprächsrunden, Kongresse und eines nicht mehr ganz so jungen Stufenplans noch immer viel Arbeit offenbart, zeigt ein Blick etwa auf die europäische Ebene, dass auch schon einiges erreicht ist und gerade auch von dort weitere Dynamik zu erwarten ist.
Building Information Modelling (BIM) steht als Synonym für die digitale Transformation des Baugewerbes und der bebauten Umwelt. (…) Der Gewinn ist hoch: Wenn durch die breite Annahme von BIM in ganz Europa Einsparungen in Höhe von 10 % für den Bausektor erzielt werden, würden zusätzlich 130 Mrd. EUR für den 1,3 Bio. EUR schweren Markt generiert. Selbst diese Auswirkungen sind im Vergleich zu den potenziellen sozialen und umweltpolitischen Vorteilen, die im Wege der Agenda zu Klimawandel und Ressourceneffizienz erzielt werden könnten, gering.
EU BIM Task Group, Handbuch für die Einführung von Building Information Modelling (BIM) durch den europäischen öffentlichen Sektor, S. 4

Nicht nur die EU BIM Task Group hat bereits früh auf die Bedeutung der Digitalisierung für den Klimaschutz und umgekehrt den Klimaschutz als Treiber der Digitalisierung hervorgehoben. Das setzt sich auf nationaler Ebene fort, indem etwa das Klimaschutzprogramm der Bundesregierung dies aufgreift und deren Effizienzstrategie BIM als Energieeffizienzmaßnahme Nr. 15 führt.
Klimaschutz und Digitalisierung sind der Motor großer Veränderungen in unserer Volkswirtschaft.
Klimaschutzprogramm 2030 der Bundesregierung zur Umsetzung des Klimaschutzplans 2050, S. 9

Insbesondere aber auf europäischer Ebene erfolgt nicht zuletzt im Green Deal der Europäischen Kommission eine Zusammenführung von Digitalisierung und Nachhaltigkeit bzw. Klimaschutz:
Gleichzeitig braucht Europa einen digitalen Sektor, in dem Nachhaltigkeit im Mittelpunkt steht.
– Green Deal, Mitteilung COM(2019) 640 final, S. 11.
Die Digitalisierung ist ein Schlüsselfaktor für den Grünen Deal. Bedeutende Investitionen in strategische digitale Kapazitäten in Europa und in die Entwicklung und flächendeckende Einführung modernster digitaler Technologien werden intelligente, innovative und bedarfsgerechte Lösungen zur Bewältigung klimabezogener Probleme zeitigen.
– Investitionsplan für den Green Deal, Mitteilung COM(2020) 21 final, S. 4.
Aufbauend auf dem Binnenmarkt und dem Potenzial digitaler Technologien kann die Kreislaufwirtschaft die industrielle Basis der EU stärken sowie Unternehmensgründungen und das Unternehmertum im KMU-Bereich fördern.
– Aktionsplan Kreislaufwirtschaft, Mitteilung COM(2020) 98 final, S. 2.
Siehe ausführlich:
EU Green Deal: Wachstumsstrategie und Investitionsplan für den Gebäudesektor und die Bauwirtschaft
© Copyright by Dr. Elmar Bickert
(Titelbild: pexels)
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