Die Corona-Krise fordert uns heraus, noch entschiedener als bisher darüber nachzudenken, wie wir mit gesellschaftlich prägenden Themen umgehen. Zum Beispiel mit dem Schutz des Klimas.“ Das hatte Ralf Buch, Vorsitzender des Vorstandes der Vonovia SE, kürzlich zum Ausdruck gebracht (zum Interview siehe hier: Nachhaltigkeit in der Immobilienwirtschaft: Interview zu den Herausforderungen für Wohnungsunternehmen). Nun hat sein Unternehmen nachgelegt – auf der Klimakonferenz 2020 „Perspektiven klimaneutralen Wohnens“ in Berlin.

Mit dem Ziel eines klimaneutralen Gebäudebestandes bis 2050 will das Wohnungsunternehmen in der Wohnungswirtschaft Motor für den Klimaschutz sein und dem gesamten Immobilienmarkt einen Schub beim Klimaschutz geben. Also hat Vonovia gemeinsam mit der Fraunhofer-Gesellschaft und der Deutschen Energie-Agentur einen Lösungsansatz für klimaneutrales Wohnen erarbeitet.

Verfolgt wird ein integraler, sektorenübergreifender Ansatz, wobei im Zentrum des Ansatzes das Quartier stehen soll. Wohnquartiere sollen zum Dreh- und Angelpunkt für eine dezentrale Energiewende werden. Hier sollen die Sektoren Strom, Wärme und Mobilität so miteinander gekoppelt werden, dass der vor Ort erzeugte Strom und die erzeugte Wärme für die Mietwohnungen direkt genutzt werden können. Die Wohnungswirtschaft solle nicht nur Energieverbraucher sein, sondern auch zum Erzeuger und Verteiler von Energie in ihren Quartieren werden. Als weiteren Schritt auf dem Weg zu mehr Klimaschutz sollen die Quartiere zu kleinen Kraftwerken werden. Zudem sollen Effizienzgewinne direkt an die Mieterinnen und Mieter weitergegeben werden, damit Klimaschutz für alle bezahlbar wird und die Akzeptanz für energetische Sanierungen steigt. Mit diesem Ziel wurden fünf Handlungsfelder für das Quartier der Zukunft identifiziert:

Sanierungsrate

  • Serielles Sanieren ermöglichen, um eine Energiekostenneutrale Sanierung zu erreichen
  • Spread zwischen Gas und Strom ist weiter zu reduzieren (nicht nur durch die CO2-Bepreisung) um den Umstieg auf strombasierte, CO2- arme Wärmeversorgung zu erleichtern

Mobilität

  • Ausbau der Ladeinfrastruktur forcieren und Marktverfügbarkeit von E-Fahrzeugen durch gezielte Förderprogramme für die Wohnungswirtschaft erhöhen
  • Standards für die technischen Anschlussbedingungen der Netzbetreiber schaffen und den Bestandsschutz bei der Installation von Ladesäulen erhalten 

Mieter:innen

  • Förderkulisse so gestalten, dass Klimaschutz bezahlbar bleibt
  • Mieterstrommodelle in Mehrfamilienhäusern vereinfachen
  • Mehr Aufklärung, warum Energiewende erforderlich und sinnvoll ist
  • Energiekostenneutrale Sanierung ermöglichen, indem Mieterstrom über die Nebenkosten abgerechnet werden kann (Inklusiv-Miete)

Erneuerbare Energien

  • Netzentgelte und Abgaben bei Nutzung bzw. Speicherung von dezentral erzeugtem Strom reduzieren bzw. entfallen lassen
  • Mieterstrom als Nebenleistung der Vermietung ermöglichen
  • Wasserstoffprojekte fördern und Teilhabe der Wohnungswirtschaft an der Wasserstoffstrategie sicherstellen

Systemwechsel Stromversorgung

  • Umbau des elektrischen Energiesystems forcieren
  • Märkte für flexible Stromerzeugung fördern
  • Quartier als aktiven Teil der Energiewirtschaft verstehen
  • Im Quartier Verteilnetze bauen und betreiben können 

Zugleich wird gefordert, die politischen Rahmenbedingungen zu ändern, um Potenziale zu heben und für die Gesellschaft nutzbar zu machen. Wie es damit aussieht, lässt sich zwei aktuellen Äußerungen der Bundesregierung im Bundestag entnehmen (BT-Drucksache 19/22670 und BT-Drucksache 19/22804):

  • Das oberste Ziel der Bundesregierung ist und bleibt demnach die Reduktion der Treibhausgasemissionen in allen Sektoren. Mit dem Bundes-Klimaschutzgesetz verfolgt Deutschland das Ziel der Treibhausgasneutralität bis 2050 als langfristiges Ziel.
    • Für den Gebäudesektor soll dies über ein hohes Maß an Energieeffizienz sowie den Einsatz erneuerbarer Energien für die Wärmeerzeugung erfolgen.
    • Maßgabe soll daher (neben der Entwicklung des Raumwärmeverbrauchs pro Quadratmeter) insbesondere die Entwicklung der Treibhausgasemissionen des Gebäudesektors sein. 
    • Zielsetzungen im Gebäudesektor beziehen sich somit auf die Reduzierung der Treibhausgasemissionen. Bis spätestens 2030 gibt das Klimaschutzgesetz des Bundes das Zwischenziel einer Senkung der Treibhausgasemissionen im Gebäudesektor auf 70 Mio. Tonnen CO2-Äquivalente vor.
    • Die Verbesserung der Energieeffizienz im Gebäudebereich ist dabei ein wichtiger Baustein der Energiewende und für den Klimaschutz.
  • Dabei geht die Bundesregierung von einer Ausweitung der Zahl der Fördermaßnahmen aus, die ihrerseits einen Mehrwert zum Klimaschutz leisten (siehe auch hier zur Förderung für energieeffizientes Bauen und Sanieren).
    • Die im Januar 2020 umgesetzten Beschlüsse des Klimakabinetts zur Stärkung der Förderanreize der energetischen Gebäudeförderung, entsprechend dem Klimaschutzprogramm 2030, haben nach Angaben der Bundesregierung zu einer hohen Auslastung der Programme geführt. Deren Mittelausstattung für Neuzusagen wurde zuletzt durch den 2. Nachtragshaushalt in Umsetzung des Konjunkturpaketes noch einmal angehoben. 
    • In laufenden gutachterlichen Untersuchungen zur Wirkungsabschätzung der Maßnahmen und Zielerreichung in 2030 und 2050 wird die Wirkung der Förderung prognostiziert.
    • Die Förderprogramme werden zudem auch künftig jährlich evaluiert. In diesem Zusammenhang sollen die Wirkungen der Programme analysiert und die Förderkonditionen bei Bedarf angepasst werden.
    • Eine Änderung der Aufgabenteilung zwischen KfW und BAFA im Rahmen der energetischen Gebäudeförderung wird erst in 2021 mit Einführung der neuen Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG) erfolgen.

Mit dem Beschluss zur Einführung des nationalen Emissionshandels, der Austauschprämie für Ölheizungen, der Steigerung der Fördersätze in den bestehenden Programmen und der Einführung der steuerlichen Abzugsfähigkeit der energetischen Gebäudesanierung hat die Bundesregierung zentrale Entscheidungen des Klimakabinetts umgesetzt, um das CO2- Einsparziel im Gebäudesektor für 2030 zu erreichen.

Bundesregierung, BT-Drucksache 19/22670

EXKURS: Am 23.09.2020 hat die Bundesregierung den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Erneuerbare-Energien- Gesetzes und weiterer energierechtlicher Vorschriften (EEG Novelle 2021) beschlossen und dabei – zum Thema dezentrale Stromerzeugung und Quartiersansatz – auch Neuregelungen für den Mieterstrom vorgesehen, also für Strom, der beispielsweise in Solaranlagen auf dem Dach eines Wohngebäudes erzeugt und an Mieter in diesem Gebäude ohne Netzdurchleitung geliefert wird. Wer hier einen mutigen Schub für dezentrale Erzeuger- und Quartiersmodelle ohne große Hürden erwartet hatte, dürfte enttäuscht sein. Der Entwurf enthält – zumindest bislang – mehr punktuelle Überarbeitungen, zumeist unter Verweis auf die Empfehlungen aus dem sog. Mieterstrombericht der Bundesregierung. Mieterstrom wird dort als wichtiger Baustein für die Akzeptanz der Energiewende angesehen, weil er auch eine Partizipation von Mietern an der Energiewende ermöglicht. Also sollen bei der Photovoltaik die Rahmenbedingungen verbessert werden, insbesondere:
(1.) Klarstellung, dass Mieterstrom im gesetzlichen Sinne auch dann vorliegt, wenn der Strom nicht vom Anlagenbetreiber, sondern wie im Fall des Lieferkettenmodells von einem Dritten geliefert wird.
(2.) Separate Ermittlung des Anspruchs auf den Mieterstromzuschlag bei getrennt installierten PV-Mieterstromanlagen auf baulich verbundenen Gebäuden. Als Abgrenzungskriterium für getrennte Projekte wird künftig darauf abgestellt, ob Anlagen an demselben Anschlusspunkt betrieben werden. Voraussetzung für eine separate Ermittlung ist ferner, dass die Anlagen von unterschiedlichen Anlagenbetreibern betrieben werden. Durch eine Begrenzung der Anlagenzusammenfassung soll die Rentabilität von Projekten verbessert und Hemmnisse für die Wirtschaftlichkeit solcher Anlagen beseitigt werden.
(3.) Zur Verbesserung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen werden zukünftig eigene Sätze für die anzulegenden Werte beim Mieterstromzuschlag gesetzlich normiert. Bei der Festlegung der anzulegenden Werte für den Mieterstromzuschlag sollen sämtliche mieterstromspezifischen Mehrkosten berücksichtigt worden sein (insbesondere Abrechnung, Messung, Vermarktung).
(4.) Die Koppelung des Mieterstromzuschlags an die Festvergütung für Solaranlagen in der Einspeisevergütung wird nachjustiert. Eine vollständige Entkoppelung des Mieterstromzuschlags von der Entwicklung der Einspeisevergütung soll nicht stattfinden. Die Entwicklung des Mieterstromzuschlags soll sich auch künftig nach der Degression im Rahmen des „atmenden Deckels“ für die Einspeisevergütung von Solaranlagen richten. Die neu gesetzlich festgelegten anzulegenden Werte für den Mieterstromzuschlag sollen jedoch die Basis für die Berechnung der prozentualen Absenkung des Mieterstromzuschlags bilden, sodass die Absenkung künftig proportional zu der Höhe des Mieterstromzuschlags erfolgt.

  • Flankiert werden die Förderprogramme der Bundesregierung durch
    • das Gebäudeenergiegesetz (GEG), das am 1. November 2020 in Kraft tritt, und
    • durch das Brennstoff-Emissionshandelsgesetz (BEHG), das ab dem 1. Januar 2021 wirkt.

Das GEG führt das Energieeinsparungsgesetz (EnEG), die Energieeinsparverordnung und das Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz in einem Gesetz zusammen und schafft ein neues, einheitliches, aufeinander abgestimmtes Regelwerk für Gebäudeenergieeffizienz und die Nutzung von Wärme aus erneuerbaren Energien. Die aktuellen Energieeffizienzanforderungen an Neubauten und Sanierung bleiben unverändert und werden nicht verschärft. Zugleich legt das GEG fest, dass die Anforderungen an neue und an bestehende Gebäude nach Maßgabe des Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 5 GEG) und unter Wahrung des Grundsatzes der Technologieoffenheit im Jahr 2023 überprüft werden und nach Maßgabe der Ergebnisse der Überprüfung innerhalb von sechs Monaten nach Abschluss der Überprüfung ein Gesetzgebungsvorschlag für die Weiterentwicklung der Anforderungen an zu errichtende und bestehende Gebäude vorgelegt wird. Die Bezahlbarkeit des Bauens und Wohnens ist ein zu beachtender wesentlicher Eckpunkt.

Durch das BEHG wird ein Emissionshandel für die bislang nicht vom EU Emissionshandel erfassten Sektoren eingeführt. Damit werden ab 2021 auch im Gebäudesektor finanzielle Anreize durch Preissignale zur Emissionsreduktion gesetzt.

  • Auch vor dem Hintergrund von Rebound-Effekten im Gebäudebereich ist die Energieeffizienzpolitik der Bundesregierung als dreigliedriges Prinzip aufgebaut:
    • Neben dem Fördern von Energieeffizienzinvestitionen und
    • dem Fordern durch Setzen von Standards für Neuanlagen und Neubauten
    • hat das Informieren nach der Darstellung der Bundesregierung eine wichtige Bedeutung.

Auch die durch den EU-Emissionshandel und (ab 2021) den nationalen Emissionshandel ausgehenden CO2-Preise tragen aufgrund ihrer energiepreissteigernden Wirkung dazu bei, die Rebound-Effekte im Gebäudebereich einzudämmen.

Bundesregierung, BT-Drucksache 19/22670

Siehe auch: BReg legt Gebäude-Renovierungsstrategie vor: Fahrplan, Indikatoren und Meilensteine zur Energieeffizienz

Schließlich antwortet die Bundesregierung auf die Frage, ob und wann sie beabsichtige, das Mieter-Vermieter-Dilemma bei der CO2-Bepreisung von Wärme bei vermietetem Wohnraum noch vor dem Beginn der CO2- Bepreisung 2021 aufzulösen: Zur Umsetzung der Vereinbarungen im Klimaschutzprogramm 2030 zur begrenzten Umlagefähigkeit der CO2-Bepreisung prüft die Bundesregierung demnach die dafür notwendige Änderung energie- und mietrechtlicher Vorschriften. Die Prüfung sei jedoch noch nicht abgeschlossen.

HINWEIS:
Mit dem erst kürzlich verabschiedeten Gesetz zur Wohngelderhöhung werden Wohngeldempfänger bei den Heizkosten im Kontext der CO2-Bepreisung entlastet. Die Entlastung soll zum 1. Januar 2021 in Form eines CO2-Zuschlags erfolgen.
Ende September kam sodann ein weiterer Vorschlag, den neuen CO2-Preis anteilig von Mietern und Vermietern übernehmen zu lassen. Die SPD-geführten Ministerien Finanzen, Justiz und Umwelt hatten ein Eckpunktepapier verfasst, wonach der für Heizenergie anfallende CO2-Preis ab 2021 für Brennstofflieferungen künftig jeweils zur Hälfte von Vermietern und Mietern getragen wird. Diese Aufteilung sei fair, so die Verfasser, weil sowohl Mieter als auch Vermieter Einfluss auf den CO2-Ausstoß eines Mietobjekts hätten.

Siehe zum Vermieter-Mieter-Dilemma auch hier:
„Grünes Mietrecht“: Instrumente für divergierende Anreize zur Energieeffizienz


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