Neues Jahr, neue Vorsätze. Altes hinter sich lassen. Neue Wege gehen, manchmal auch getrennte Wege.

So hat es das Landgericht Berlin zum neuen Jahr gemacht. Ab dem 01. Januar 2024 wird aus diesem das Landgericht I und das Landgericht II.

Falls Sie sich fragen, ob man der 66. Zivilkammer einen Spin-Off als rechtspolitische Einheit gegönnt hat (Remember: Der an Gesetz und Recht gebundene Richter darf eine eindeutige Entscheidung des Gesetzgebers nicht aufgrund eigener rechtspolitischer Vorstellungen verändern oder ersetzen, so der BGH zu dieser Kammer – die auch den verfassungswidrigen Mietendeckel für wirksam hielt). Nein, hat man nicht. Das Landgericht I ist nun das Berliner Landgericht für Strafsachen, das Landgericht II ist jenes für Zivilsachen, also mein Battlefield.

Ein wunderbares Gericht mit wunderbaren Richtern wird damit zukunftsfit gemacht. Und mehr noch. Am Landgericht II nimmt auch das Projekt „Commercial Chambers / Commercial Courts“ weiter Fahrt auf, um nationalen wie internationalen Unternehmen ein attraktives Gerichtsverfahren zur Beilegung ihrer Rechtsstreite zu schaffen und die Leistungsfähigkeit der Justiz im Bereich des Wirtschaftsrechts zu stärken. Das betrifft die Internationale Kammer für Handels- und Wettbewerbssachen und die Internationale Zivilkammer für Baustreitigkeiten und allgemeine Zivilsachen (Kammer für Handelssachen 103b und Zivilkammer 9). Seit 2021 sind hier Verfahren anhängig u.a. zu Bauträgerverträgen ausländischer Erwerber, internationalen Kaufverträgen, insolvenzrechtlichen Verfahren mit internationalen Bezügen und Schadensersatzansprüchen bei internationalen Unternehmenskaufverträgen, am 05. Januar 2024 ist ein erstes Urteil der 9. ZK ergangen.

Die Internationalen Kammern versprechen zu Rechtsstreitigkeiten mit internationalem Bezug eine Prozessführung in Englisch bzw. Französisch, zügige und digitale Verfahren, eine Besetzung des Gerichts mit international und in Wirtschaftssachen erfahrenen Richtern sowie einen erweiterten Schutz von Betriebsgeheimnissen.

Derzeit werden die Internationalen Kammern durch einvernehmliche Erklärung der Parteien zuständig. Das wird anders, wenn das Justizstandort-Stärkungsgesetz i.V.m. einer Landesverordnung kommt (derzeit im Bundestag), das zur Stärkung des Justiz- und Wirtschaftsstandorts Deutschland noch in diesem Jahr in Kraft treten soll.

Vor diesem Hintergrund bedarf es einer Stärkung des Justiz- und Wirtschaftsstandorts Deutschland. Parteien von privatrechtlichen Wirtschaftsstreitigkeiten sollen Verfahren künftig vollständig in englischer Sprache führen können. Außerdem soll den Parteien von großen privatrechtlichen Wirtschaftsstreitigkeiten ein attraktives Gesamtpaket für das Verfahren angeboten werden, damit sich Deutschland dem Wettbewerb mit anerkannten ausländischen Handelsgerichten und Schiedsgerichten stellen kann. Insbesondere Unternehmen mit starker Exportorientierung werden davon profitieren. Insgesamt wird ein an den Bedürfnissen der Wirtschaft orientiertes, schnelles, effizientes und attraktives Gerichtsverfahren angeboten werden. Der Gerichtsstandort Deutschland soll national gestärkt werden und auch international an Anerkennung und Sichtbarkeit gewinnen. Überdies soll die notwendige Rechtsfortbildung im Bereich des Wirtschaftszivilrechts gefördert werden.

Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung des Justizstandortes Deutschland durch Einführung von Commercial Courts und der Gerichtssprache Englisch in der Zivilgerichtsbarkeit (Justizstandort-Stärkungsgesetz), BT-Drucksache 20/8649

Es ist aber ein bisschen wie im Bau- und Immobilienwesen (Baugenehmigungsverfahren einerseits, baurechtliche Anforderungen andererseits). Verfahrensrecht ist das eine, materielles Recht das andere. Ein modernisiertes Verfahrensrecht reicht nicht, wenn die materiellen Anforderungen nicht hinreichend attraktiv sind. Möchte der Wirtschaftsstandort Deutschland (als Investitionsstandort und als Rechts- und Justizstandort) attraktiv sein, muss beides beachtet werden. Die Einrichtung von Commercial Chambers & Courts bei deutschen Gerichten führt nicht zu der erhofften Stärkung des Justiz- und Wirtschaftsstandorts, wenn Unternehmen schon kein deutsches materielles Recht für ihre Geschäfte wählen. Das war das Ergebnis einer Sachverständigenanhörung zum Gesetzentwurf im Bundestag, wobei insbesondere eine Reform des AGB-Rechts im unternehmerischen Geschäftsverkehr angemahnt wurde – damit deutsche Unternehmen und das deutsche Recht nicht getrennte Wege gehen.

Siehe auch: Zur Bedeutung konsistenter Vertragsgestaltung im Immobilien- und Baurecht


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