Der BGH (Urt. v. 04.11.2015 – VIII ZR 217/14) hat heute über die in Berlin geltende Kappungsgrenze entschieden. Hierbei handelt es sich um ein Instrument zur Begrenzung von Mieterhöhungen, das bereits vor dem Inkrafttreten der Mietpreisbremse galt (siehe schon den Beitrag zum Inkrafttreten der Mietpreisbremse).

Was ist die Kappungsgrenze?

Bei Wohnraummietverhältnissen besteht eine Kappungsgrenze für Mieterhöhungen bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete:

  • Nach dem BGB kann der Vermieter vom Mieter unter Einhaltung einer Sperrfrist und einer Wartefrist die Zustimmung zu einer Erhöhung der Miete bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete verlangen.
  • Dabei darf sich die Miete aber innerhalb von drei Jahren nicht um mehr als 20 % erhöhen.
  • Die Bundesländer sind ermächtigt, durch Rechtsverordnung Gebiete zu bestimmen, in denen die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen besonders gefährdet ist und in denen daher für die Dauer von jeweils höchstens fünf Jahren eine niedrigere Kappungsgrenze gilt: 15 % anstelle von 20 % (so z.B. in Berlin, Hamburg, München und in weiteren Regionen und Städten). Diese Kappungsgrenze gilt nur im Rahmen bestehender Mietverträge, nicht bei Neuabschlüssen von Mietverträgen (auf diese „Lücke“ zielt die „Mietpreisbremse„).

Zur Wirksamkeit

Der BGH bestätigt nun die Wirksamkeit der Kappungsgrenze, wobei er differenzieren muss zwischen der Ermächtigungsgrundlage für die Rechtsverordnung in § 558 Abs. 3 BGB und der Kappungsgrenzen-Verordnung (des Landes Berlin vom 07.05.2013) selbst:


Nach dem BGH ist § 558 Abs. 3 BGB wirksam, da diese Ermächtigungsgrundlage

  • eine zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung der Eigentumsgarantie ist,
  • ein legitimes, dem öffentlichen Interesse dienendes Regelungsziel verfolgt,
  • einen verhältnismäßigen Interessenausgleich herstellt,
  • insbesondere eine geringe Eingriffsintensität aufweist (keine flächendeckende und zeitlich unbefristete Absenkung der Kappungsgrenze) und
  • insbesondere nicht den Kernbereich des Eigentums berührt (die Wirtschaftlichkeit der Vermietung werde hierdurch nicht ernsthaft in Frage gestellt).

Nach dem BGH ist die Kappungsgrenzen-Verordnung wirksam:

Mit der Ausweisung des gesamten Stadtgebiets von Berlin als Gebiet, in dem die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen besonders gefährdet ist,  hält sich die Verordnung an die Vorgaben der Ermächtigungsgrundlage, denn

  • eine Differenzierung nach Gemeindeteilen ist nicht zwingend vorgeschrieben,
  • dem Verordnungsgeber (hier: Berliner Senat) ist ein weiter wohnungsmarkt- und sozialpolitischer Beurteilungs- und Einschätzungsspielraum eingeräumt (bzgl. örtlichem und zeitlichem Geltungsbereich sowie bzgl. Auswahl geeigneter methodischer Ansätze),
  • die Gerichte können nur überprüfen, ob das methodische Konzept des Verordnungsgebers tragfähig ist.

 Grundrechte des Vermieters werden nicht verletzt, denn

  • die Maßnahme stellt einen verhältnismäßigen Eingriff dar, wobei
  • dem Verordnungsgeber hinsichtlich der Einschätzung der Erforderlichkeit einer Maßnahme ein Beurteilungs- und Prognosespielraum zukommt.
  • Dieser Spielraum ist hier nicht überschritten, denn mit einer stärkeren räumlichen Begrenzung der Verordnung wäre nicht in gleicher Weise rasch und wirksam eine Verlangsamung des Anstieges der Bestandsmieten zu erreichen. Die besondere Gefährdung einer ausreichenden Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen ist aufgrund der vor allem in Ballungsräumen, Industrie- und Universitätsstädten sowie in Städten mit herausgehobener zentraler Lage oder Funktion wirkenden vielfältigen Impulse und der hierdurch ausgelösten spezifischen Labilität des Wohnungsmarktes grundsätzlich räumlich nicht exakt eingrenzbar.“ (Presseerklärung Nr. 185/2015 des BGH)

 

 

 


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