Die Wohnraum- und Mietenfrage bestimmt die politische Diskussion der letzten Zeit. Sie wird begleitet und gelenkt von einer rechtlichen Diskussion mit immer neuen Vorschlägen, Ansichten, Begriffen und Entscheidungen. Schnell verliert man die Übersicht, findet sich zwischen Bundesrecht und Landesrecht, zwischen öffentlichem Recht und Zivilrecht, zwischen Kappen, Deckeln und Bremsen von Mieten wieder – und ist jetzt eigentlich der Mietendeckel oder die Mietpreisbremse wirksam, und was ist eigentlich der Unterschied?
Während das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe mit seinem Beschluss vom 18.07.2019 die Verfassungsgemäßheit der Mietpreisbremse (i.d.F. 2015) bestätigt hat, plant die Bundesregierung in ihrem aktuellen Wohn- und Mietenpaket eine weitere Verschärfung (zu viel gezahlte Miete soll auch rückwirkend für einen Zeitraum von 2,5 Jahren nach Vertragsschluss zurückgefordert werden können, sofern ein Verstoß gegen die Mietpreisbremse vorliegt) und Verlängerung um weitere fünf Jahre der erst zum Beginn 2019 reformierten Mietpreisbremse und zeichnen sich Pläne einer Bundesratsinitiative ab, die Mietpreisbremse auf das Gewerbemietrecht auszuweiten.
Im Kanonenrauch der Enteignungsdebatte treibt derweil eine Senatsverwaltung in Berlin ein Landesgesetz zum sog. Mietendeckel (Berliner MietenWoG) voran, dessen Referentenentwurf vom 30.08.2019 zwar moderater erscheint als zwischenzeitlich geleakte Vorschläge, der aber gleichwohl noch Regelungen enthält, die sogar das von der Senatsverwaltung selbst zur Rechtfertigung herangezogene Rechtsgutachten (Mayer/Artz, Öffentlich-rechtliche und privatrechtliche Aspekte eines „Mietendeckels“ für das Land Berlin, 16. März 2019) als unverhältnismäßig ansieht und der selbst gegenüber dem Beschluss des Berliner Senats vom 18.06.2019 zum Mietendeckel nicht frei von Widersprüchen ist.
Dass es sich bei der Diskussion um den Mietendeckel nicht um ein rein Berliner Thema handelt, zeigen vergleichbare Diskussionen in weiteren Bundesländern, z.B. das Volksbegehren zu einem Mieten-Stopp in Bayern des DMB Mieterverein München, dem zwischenzeitlich ein Gesetzesentwurf der Gutachter Mayer/Artz zugrundeliegt.
Aus München kommt jedoch auch Gegenwehr. So hat der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts Prof. Dr. Hans-Jürgen Papier sein Rechtsgutachten „Landeskompetenz zur Einführung eines sogenannten Mietendeckels?“ (Rechtsgutachtliche Stellungnahme im Auftrag des Bundesverbandes deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen e.V. – GdW, September 2019) vorgelegt, das in seinem Ergebnis kaum klarer sein könnte: Die Länder verfügen nach dem Grundgesetz unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt über eine Gesetzgebungskompetenz zur Einführung eines sogenannten Mietendeckels. Das Gutachten liegt damit auf einer Linie nicht nur mit diversen Ausarbeitungen des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages sondern auch mit dem HEUSSEN-Positionspapier vom 17.06.2019 und weiteren Stellungnahmen.
In Übereinstimmung mit einem weiteren Punkt des aktuellen Wohn- und Mietenpakets der Bundesregierung liegt zudem bereits ein Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz für ein Gesetz zur Verlängerung des Betrachtungszeitraums für die ortsübliche Vergleichsmiete vor. Durch eine Verlängerung des Betrachtungszeitraums für die ortsübliche Vergleichsmiete von vier auf sechs Jahre soll in Gebieten mit steigenden Angebotsmieten eine Senkung der ortsüblichen Vergleichsmiete und, da diese Maßstab ist für das Vergleichsmietensystem des BGB bei Mieterhöhungen im Bestand und bei der zulässigen Neuvertragsmiete im Geltungsbereich der Mietpreisbremse, eine Dämpfung des Mietpreisanstiegs erreicht werden. Während also der Bund an einer Reform der Regelung zur ortsüblichen Vergleichsmiete arbeitet und das Bundesverfassungsgericht (a.a.O.) soeben die Bedeutung des bundesgesetzlichen Vergleichsmietensystem herausgestellt hatte („Das Abstellen auf die ortsübliche Vergleichsmiete soll die Marktbezogenheit der regulierten Miethöhe und damit die Wirtschaftlichkeit der Vermietung sicherstellen„), arbeitet man in Berlin über den Mietendeckel an dessen Abschaffung für ganze fünf Jahre.
Ein weiterer Vorschlag des aktuellen Wohn- und Mietenpakets der Bundesregierung macht die Sache nochmals komplizierter: Geplant ist ein Gesetzentwurf, der die Möglichkeit zur Umwandlung von Mietwohnungen in Eigentumswohnungen begrenzen soll. Damit ist zumindest in Teilaspekten die Brücke geschlagen zu dem wiederum zu unterscheidenden Milieu- und Quartierschutz des (öffentlichen) sozialen Erhaltungsrechts. Auf dessen Zielsetzung beruft sich übrigens auch der Beschluss des Berliner Senats vom 18.06.2019 zur Begründung seines angeblich öffentlich-rechlichen Mietendeckels. Der Schutzgedanke des sozialen Erhaltungsrechts klingt aber auch in der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Mietpreisbremse (a.a.O.) mit Verweis auf deren Gesetzesbegründung an: Auch der BGB-Gesetzgeber kann sich auf das gesellschaftspolitische Interesse an einer durchmischten Wohnbevölkerung in innerstädtischen Stadtvierteln berufen.
So scheint also irgendwie alles mit allem zusammenzuhängen und selbst das Strafrecht spielt, was gerne übersehen wird, eine gewisse Rolle. Und während wohl erst ein Gericht verbindlich zu klären haben wird, ob ein Landes-Mietendeckel insbesondere aufgrund der Bundeskompetenz sowohl für das Mietpreisrecht des BGB wie auch für das Bodenrecht und soziale Erhaltungsrecht des BauGB Bestand haben kann, ist es Zeit für eine Übersicht zu ausgewählten Rechtsinstrumentarien im Rahmen der aktuellen Wohnraum- und Mietenfrage:
Du muss angemeldet sein, um einen Kommentar zu veröffentlichen.