Der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts Prof. Dr. Hans-Jürgen Papier hat sein Rechtsgutachten „Landeskompetenz zur Einführung eines sogenannten Mietendeckels?“ (Rechtsgutachtliche Stellungnahme im Auftrag des Bundesverbandes deutscher Wohnungs-
und Immobilienunternehmen e.V. – GdW, September 2019) vorgelegt. Sein Ergebnis ist klar:

Die Länder, somit auch der Landesgesetzgeber von Berlin, verfügen nach dem Grundgesetz unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt über eine Gesetzgebungskompetenz zur Einführung eines sogenannten Mietendeckels. Das bundesrechtliche Mietpreisrecht der Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs übt eine Sperrwirkung gemäß Art. 72 Abs. 1, Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG in Verbindung mit dem Grundsatz der bundesstaatlichen Rücksichtnahme aus.

Prof. Dr. Hans-Jürgen Papier a.a.O., S. 16

Das Gutachten reiht sich damit ein in bereits zuvor verfasste Gutachten, die (noch zu dem Eckpunktepapier des Senats) eine Gesetzgebungskompetenz des Landes Berlin für den Mietendeckel verneinen.


Für Verbandsmitglieder siehe auch schon ausführlich die Vortragspräsentation zur Sonder-Verbandskonferenz BBU am 28. Juni 2019:


Das nun vorliegende Papier-Gutachten bezieht sich bereits auf den aktuellen Referentenentwurf eines Gesetzes zur Mietenbegrenzung im Wohnungswesen in Berlin (Berliner MietenWoG) der Senatsverwaltung für Stadtentwicklug und Wohnen vom 30. August 2019.

Die Begründung des Papier-Gutachtens legt den Finger in die Wunde. Wenig Neues, aber präzise auf den Punkt gebracht und wenig zurückhaltend im Ton, v.a. auch gegenüber den Thesen des „Gründungsgutachtens“ zum Mietendeckel von Prof. Dr. Franz C. Mayer und Prof. Dr. Markus Artz (Rechtsgutachten Öffentlich-rechtliche und privatrechtliche Aspekte eines „Mietendeckels“ für das Land Berlin):

  • Das Papier-Gutachten attestiert dem Mietendeckel ein sehr rigoroses und vom bundesgesetzlichen Mietpreisrecht des BGB gravierend abweichendes Konzept, das nicht mit dem schlichten Hinweis legitimiert werden könne, dass das Landesrecht öffentliches Recht sei.
    Diese rein begrifflich oder gar terminologisch orientierte Differenzierung ist für die grundgesetzliche Kompetenzordnung und die Auslegung des Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 und Art. 72 GG grundsätzlich belanglos.“
  • Der Landesgesetzgeber besitze „evidentermaßen“ keine Regelungsbefugnis, bundesgesetzlich geregelte Rechte und Pflichten der Parteien eines Mietvertragsverhältnisses über Wohnraum zu suspendieren, auch nicht durch öffentliches Recht bzw. durch Verwaltungsakt.
  • Eine Landeszuständigkeit für das Mietpreisrecht in Form des Mietendeckels würde „konzeptionelle Entscheidungen“ des zuständigen Bundesgesetzgebers verfälschen, verdrängen oder umgehen bzw. einen sachlichen Widerspruch bewirken.
    Der Widerspruch zum Bundesrecht ist offenkundig.“
  • Der schlichte Hinweis der Mietendeckel-Befürworter, dass der Mietendeckel öffentliches Recht ist, sei belanglos.
  • Auch der Grundgesetz-Änderungsgesetzgeber sei davon ausgegangen, dass das soziale Mietrecht einschließlich des Mietpreisrechts Bestandteil des „bürgerlichen Rechts“ ist und im BGB seine abschließende Regelung findet. Das Gutachten widerspricht damit einer zentralen These des Referentenentwurfes, die da lautet:
    „Seit der Föderalismusreform 2006 und der damit erfolgten Streichung des Kompetenztitels für das „Wohnungswesen“ aus Artikel 74 Absatz 1 Nummer 18 GG sind die Länder befugt, auf Grundlage des Artikels 70 Absatz 1 GG ein öffentlich- rechtlich ausgestaltetes Mietpreisrecht zu schaffen. Von dieser Gesetzgebungsbefugnis macht das Land mit dem vorliegenden Gesetz zur Mietenbegrenzung im Wohnungswesen in Berlin (Berliner MietenWoG) Gebrauch.“ (aus der Begründung zum Referentenentwurf)
  • Ein Rückgriff auf Landesverfassungsrecht (Art. 28 Abs. 1 der Landesverfassung von Berlin) zur Bestimmung der Bundesverfassung sei „abwegig“.
    Unter Berufung auf eine landesverfassungsrechtliche Staatsziel- oder Grundrechtsbestimmung kann der Landesgesetzgeber nur tätig werden, wenn und soweit das Grundgesetz dem Landesgesetzgeber Regelungszuständigkeiten einräumt.“ Dies sei „evident“ und bedürfe „keiner weiteren juristischen Begründung„.
  • Von einer Konzeptoffenheit des Bundesrechts und einer bewussten bloßen Teilregelung des sozialen Mietpreisrechts im Bundesrecht, das der landesgesetzlichen Ergänzung, Erweiterung, Modifizierung oder gar partiellen Suspendierung und Verdrängung zugänglich ist, kann ersichtlich keine Rede sein.“

Wie geradezu hilflos auch nach diesen Ausführungen der Versuch von Mayer/Artz in ihrem vorgenannten Gutachten wirkt, eine konsistente Abgrenzung von öffentlichem Mietpreisrecht (angeblich  Mietendeckel = angeblich Länderzuständigkeit) und privatem Mietpreisrecht (angeblich Mietpreisbremse = unstreitig Bundeszuständigkeit) zu konstruieren, zeigt ein unbefangener Rückblick auf ihr Gutachten:

Dort heißt es einerseits, der Mietendeckel bewirke keinen Vertragseingriff:

Der Mietpreisdeckel wirkt final und unmittelbar auf den Wohnungsmietpreismarkt ein und nicht unmittelbar in das Privatrechtsverhältnis (daher öffentliches Mietpreisrecht). 

Das komplette Gegenteil steht sodann aber im gleichen Gutachten an anderer Stelle:

  • In dem Ausschluss der Dynamik der Vertragsbedingungen im laufenden Mietverhältnis liegt das zentrale Anliegen und Instrument des Mietendeckels. 
  • Eine Beschränkung des Mieterhöhungsrechts betrifft das austarierte Verhältnis zwischen dem Kündigungsschutz des Mieters und dem Vertragsänderungsrecht des Vermieters. Der Mietendeckel greift intensiv in die Rechtsposition des Vermieters ein, da der Anspruch auf Anpassung der Miete an das ortsübliche Niveau nicht weniger als die zentrale Kompensation für den Ausschluss der Änderungskündigung und die grundsätzlich dauerhaft bestehende Bindung des Vermieters an den Vertrag ist. 

Man darf gespannt sein, welches Gutachten der Landesgesetzgeber nun als die rechtssichere Grundlage für eine Gesetzgebungsentscheidung mit weitreichenden Folgen für Verwaltung, Markt, Bürger und Entwicklung der Stadt erachtet.