Am 09. September 2020 hat der Bauausschuss des Deutschen Bundestages einen Antrag der Regierungsfraktionen zu Leitlinien für innovatives, zukunftssicheres und nachhaltiges Bauen (BT-Drucksache 19/20618) angenommen.
Das Bauvolumen im Bundesbau sowie im Wohnungsbau, der im Auftrag des Bundes erfolgt, und auch die Zuwendungsbaumaßnahmen des Bundes weisen ein erhebliches Wirtschaftspotential mit hoher Vorbildwirkung auf, begründen aber zugleich erhebliche Herausforderung für den Bund, dieses Bauvolumen bedarfs- und kostengerecht sowie zeit- und kostenstabil umzusetzen.
Im Fokus des Handelns muss eine Ausrichtung auf nachhaltiges und wirtschaftliches, innovatives Bauen stehen.
BT-Drucksache 19/20618
Nach dem Antrag soll der Deutsche Bundestag die Bundesregierung im Rahmen der zur Verfügung stehenden Mittel auffordern
- ihre Vorbildfunktion als Bauherr bei allen Baumaßnahmen des Bundes weiter zu stärken,
- Bauforschung zielgerichtet zu entwickeln und Innovation anzustoßen und
- Nachhaltigkeit im Baubereich/Städtebau vorzuantreiben.
Nachhaltigkeit
Nach den Leitlinien ist Nachhaltigkeit definiert über
- die Schonung natürlicher Ressourcen und Lebensräume
- Klimaschutz und Klimaanpassung
- Luftqualität
- Gesundheit
- Biodiversität
- Generationengerechtigkeit
- Barrierefreiheit
- Lebensqualität
- die Qualität unserer gebauten Umwelt
- sozialer Zusammenhalt.
Dem Bund kommt dabei als Bauherr eine besondere Verantwortung zu, sowohl für die eigenen Gebäude als auch als Vorbild für andere öffentliche und private Bauherren.
Nachhaltigkeit zielt auf eine zukunftsfähige Entwicklung und ist mittlerweile breiter gesellschaftlicher Konsens.
BT-Drucksache 19/20618
Zentrale Leitlinien folgen aus dem Leitfaden Nachhaltiges Bauen und das Bewertungssystem Nachhaltiges Bauen (BNB):
- Der Bund verpflichtet sich im Rahmen seiner Vorbildfunktion für klimagerechtes, klimaangepasstes und ressourceneffizientes Bauen, dass alle Neubauten und Modernisierungsmaßnahmen mindestens das Qualitätsniveau „Silber“ des BNB erreichen.
- Bei Baumaßnahmen im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit soll regelmäßig der Goldstandard erreicht werden.
Siehe auch: Nachhaltiges Planen, Bauen und Betreiben: Nachhaltige Büro- und Verwaltungsgebäude
Soweit technisch und wirtschaftlich möglich, soll die Nutzung von Photovoltaik oder anderer regenerativer Energiequellen angestrebt und sollen die klimaschützenden Effekte des BNB ausgebaut werden, indem die Auswirkungen von Planungsentscheidungen auf das Klima mit dem BNB deutlicher herausgestellt werden. Damit soll das BNB von frühen Planungsphasen bis zum Abschluss der Baumaßnahme verstärkt zur Klimaschutzoptimierung eingesetzt werden können. Außerdem soll die Biodiversität auf Bundesliegenschaften durch Fortentwicklung und Ausweitung der Anwendung des BNB-Moduls Außenanlagen gesteigert werden.
Alle Neubaumaßnahmen und Komplettmodernisierungsmaßnahmen des Bundestages mit der Bundestagsverwaltung sollen möglichst als Leuchtturmprojekte ausgeführt werden und dabei grundsätzlich den „Gold-Standard“ des Bewertungssystems Nachhaltiges Bauen (BNB) erreichen.
Nachhaltigkeit ist das Leitmotiv für Planung, Bau und Betrieb von Liegenschaften des Bundes.
BT-Drucksache 19/20618
Digitale Methoden werden als zentrales Tool des Nachhaltigkeitsansatzes verstanden, da sich so die komplexen Zusammenhänge im Bauen ganzheitlich erfassen lassen und die Wechselwirkungen zwischen ökologischen, ökonomischen und soziokulturellen Aspekten vereinfacht bewertet werden können (etwa über BIM Building Information Modeling).
Die Chancen der Digitalisierung sollen bei Bundesbaumaßnahmen von Beginn an konsequent genutzt werden. Digitale Methoden sollen bereits in der Bedarfsplanung noch vor der architektonischen Formfindung auf der Grundlage eines Raum- und Funktionsprogramms zum Einsatz kommen. Im Laufe des Planungsprozesses sollen weitere relevante Informationen, wie z. B. zu Bauprodukten, dem Betrieb, technischen Objekten oder Informationen über die Recyclingfähigkeit, in die Bewertung aufgenommen werden. Diese Informationen sollen über den Lebenszyklus bis hin zum Abbruch verwendet werden können.
Die folgenden Maßnahmen sollen Bestandteil der Nachhaltigkeitsoffensive sein:
- Ökobilanz/alternative nachhaltige Baumaterialien:
- U.a. Auflegung einer Holzbauoffensive 2030 und Einwirkung auf eine Revision der Landesbauordnungen.
- Bei Fördermaßnahmen neben der Energieeffizienz in der Nutzungsphase von Gebäuden auch die Energieaufwendungen für die Herstellung, Instandsetzung und Entsorgung sowie die CO2-Bilanz des Lebenszyklus von Gebäuden berücksichtigen und hierfür ein standardisiertes vereinfachtes Verfahren der Ökobilanzierung entwickeln.
- Einsparpotentiale bei Baustoffen fördern und hierbei beispielsweise auf Baustoffe zurückgreifen, die CO2 binden.
- Förderung nachhaltiger Wohnungsbau
- Demografischer Wandel im Wohnungsbau, insbesondere Förderung barrierefreien/-armen Wohngebäude und Infrastruktur („damit die Wohngebäude keine Insellösungen bleiben“).
- Unterstützung der Länder und Kommunen beim nachhaltigen Bauen, insbesondere die Länder und Kommunen bei der Übernahme und Einführung des Bewertungssystems Nachhaltiges Bauen (BNB) unterstützen.
- EU-Bauproduktenverordnung: Die Berücksichtigung von Fragen der Nachhaltigkeit und der Kreislaufwirtschaft bei einer Revision der EU-Bauproduktenverordnung (Verordnung (EU) Nr. 305/2011) ist zu unterstützen.
- Nationale Stadtentwicklungspolitik
- insbesondere als Förderinstrument für nachhaltige, barrierefreie, innovative und modellhafte Lösungen in der Stadtentwicklung positionieren,
- Weiterentwicklung der Leipzig-Charta als langfristiges Grundlagendokument für eine nachhaltige, integrierte Stadtentwicklung und lebenswerte Städte in Europa und
- Stärkung der Ausrichtung der Förderung städtebaulicher Erneuerung in den Städten und Gemeinden auf Maßnahmen des Klimaschutzes und der Klimaanpassung.
- Modellprojekte Smart Cities: Fortentwicklung der Smart-Cities-Modellprojekte.
Die Modellprojekte Smart Cities zielen auf integrierte, sektorenübergreifende und raumbezogene Strategien der Stadtentwicklung und deren Umsetzung. Sie sollen die Qualitäten der europäischen Stadt und ihrer bürgerlichen und freiheitlichen Gesellschaft in das Zeitalter der Digitalisierung übertragen. Dabei ist mit den Chancen und Risiken der Digitalisierung umzugehen und Digitalisierung für und mit den Menschen und der Wirtschaft vor Ort zu gestalten.
BT-Drucksache 19/20618
Siehe auch: Smart City Konzept: „It’s sustainability, stupid.“
Vorbildfunktion
Die Vorbildfunktion des Bundes bezieht sich auf die folgenden Themenbereiche:
- Baukultur
- Digitalisierung
- Energetische Sanierung Bundesliegenschaften
- Nachhaltige Materialbeschaffung
- Biodiversität und Gebäudegrün
- Lebenszykluskosten
Die Bundesbauten stehen im Blickpunkt der Öffentlichkeit und veranschaulichen das baukulturelle Niveau und Selbstverständnis unseres Staates. Mit ihrer Gestaltung, Konstruktion und Funktionalität spiegeln sie die bau-, sozial- und klimapolitischen Ziele der Bundesregierung wider.
BT-Drucksache 19/20618
Unter anderem geht es um die folgenden Forderungen:
- Ein Hauptaugenmerk soll auf den ressourceneffizienten Baumaterialien mit einem geringen CO2-Fußabdruck im gesamten Produktlebenszyklus liegen.
- Bei Baumaßnahmen des Bundes sollen die Anforderungen des Klima-, Umwelt-, und Gesundheitsschutzes, der Ressourcenschonung, der Energieeffizienz und des demografischen Wandels verstärkt umgesetzt sowie Planung und Ausführung auf qualitätsvolles Bauen ausgerichtet werden.
- Das Ziel eines klimaneutralen Gebäudebestandes soll mit den Zielen der Funktionalität, Arbeitsplatzattraktivität, Architekturqualität, der Stadtbildpflege, der Innovationskraft, des Denkmalschutzes und der Wirtschaftlichkeit in Einklang gebracht werden.
- Der Bund soll in seiner Vorbildfunktion einen aktiven Beitrag zum klimaangepassten Planen, Bauen und Betrieb von Gebäuden leisten.
Siehe auch: Klimaangepasstes Bauen, Arbeiten und Betreiben? Wie Extremwetter-Ereignisse Wertschöpfungs-Ketten beeinflussen - Im städtischen Kontext sollen Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel und zur Verbesserung des Mikroklimas ergriffen werden und vermehrt Gebäudebegrünung bei Baumaßnahmen des Bundes eingesetzt werden.
- Alternative Lösungswege zu technikzentrierten Effizienzstrategien bei Baumaßnahmen des Bundes sollen erprobt werden. Dabei sollen mit robusten und nutzerzentrierten Gebäudekonzepten (lowtech) die bau- und klimapolitischen Anforderungen umgesetzt und den Folgen des Klimawandels begegnet werden.
Bauforschung
Nach dem Antrag setzt das Innovationsprogramm Zukunft Bau des BMI wichtige Impulse für Bauwesen und Architektur im Hinblick auf
- den Klimaschutz,
- die Energie- und Ressourceneffizienz,
- das bezahlbare Bauen,
- die Gestaltungsqualitäten im städtebaulichen Kontext sowie
- für die Bewältigung des demografischen Wandels.
So sollen technische, baukulturelle und organisatorische Innovationen für das zukunftsgerechte, barrierefreie und bezahlbare Bauen in einem Modellvorhaben für experimentelles Bauen als Bestandteil des Innovationsprogramms Zukunft Bau praktisch erprobt und damit deren Diffusion in die allgemeine Planungs- und Baupraxis unterstützt werden.
Dazu soll die Realisierung von experimentellen Baumaßnahmen gefördert werden, die Lösungsstrategien für die gesellschaftlichen Herausforderungen Energiewende, Klima- und Umweltschutz, Ressourcenschonung, Klimawandelfolgen, demografischer Wandel, gesellschaftliche Teilhabe, Digitalisierung – aufzeigen.
BT-Drucksache 19/20618