Die Berliner Landesregierung hatte 2019/2020 starke Wort gewählt: Den „Klimanotstand“ im Hinblick auf den Klimaschutz einerseits ausgerufen und die „Gefahr für den sozialen Frieden“ im Hinblick auf den Mietendeckel andererseits propagiert.

Obwohl schon damals europa-, bundes- und berlinweit Konsens bestand über die Erforderlichkeit verstärkter Maßnahmen für den Klimaschutz mit dem Schwerpunkt einer erhöhten Sanierungsrate und Sanierungstiefe im Bestand, suchte man Aussagen der Landesregierung dazu, wie im Gebäudesektor die Klimaschutzziele unter dem Mietendeckel erreicht werden sollen, vergeblich.

Auf die durch den Mietendeckel begründete Gefahr, dass die erforderliche und geforderte Sanierungsrate und Sanierungstiefe nicht erreicht werden kann, ging man nicht ein, obwohl mit den Beschlüssen von Senat und Abgeordnetenhaus zum Klimanotstand gefordert worden war, dass sämtliche Entscheidungen des Senats gezielt auf die Auswirkungen auf den Klimaschutz überprüft werden.

„Die Mieten- und Wohnraumfrage kann nicht ohne Lösung des „Vermieter-Mieter-Dilemmas“ gelöst werden. Eine nachhaltige Lösung kommt nicht umhin, die sozialen, die ökologischen und die ökonomischen Aspekte zu berücksichtigen und diese zu einem angemessenen Ausgleich zu bringen. Der Berliner Mietendeckel hatte sich das Recht herausgenommen, durch isolierte Mietpreisregulierung in das Vermieter-Mieter-Verhältnis einzugreifen, verweigert sich aber einem fairen Ausgleich zwischen den Interessen der beiden Vertragspartner Mieter und Vermieter. Er malt das Bild einer öffentlich-rechtlich abzuwehrenden Gefahr für den sozialen Frieden, lässt aber eine hinreichende Auseinandersetzung mit ökonomischen und ökologischen und letztlich auch mit sozialen Aspekten vermissen. In der Folge reduziert er das Ziel der Bereitstellung angemessenen Wohnraums auf ein reines Preisargument und verkennt, dass angemessener Wohnraum unter ökologischen, sozialen und ökonomischen Gesichtspunkten mehr ist als preisgünstiger Wohnraum.“
Ein Klimadeckel für den Mietendeckel? Zur Nachhaltigkeit landesrechtlicher Mietpreisregulierung am Beispiel des MietenWoG Bln

Das Bundesverfassungsgericht hat den verfassungswidrigen Mietendeckel bekanntlich pulverisiert. Das Land Berlin hatte u.a. unzulässigerweise ein paralleles Mietpreisrecht auf Landesebene eingeführt, die Privatautonomie der Parteien beim Abschluss von Mietverträgen über Wohnraum über das nach §§ 556 ff. BGB erlaubte Maß hinaus begrenzt, unzulässig und damit nichtig die von dem BGB angeordnete Austarierung der beteiligten Interessen einseitig verschoben und insbesondere auch die Modernisierungsfrage unzulässigerweise einschränkend reguliert.

§ 7 MietenWoG Bln begrenzt die mieterhöhungsrelevanten Modernisierungsmaßnahmen auf einen Katalog, der enger ist als die Maßnahmen nach § 555b Nr. 1, Nr. 3 bis Nr. 6 BGB; die Erhöhung des Gebrauchswerts der Mietsache oder die Verbesserung der allgemeinen Wohnverhältnisse wird insoweit nicht berücksichtigt. Zudem begrenzt § 7 MietenWoG Bln die zulässige Mieterhöhung nach Modernisierungsmaßnahmen stärker als § 559 Abs. 1 BGB.

Bundesverfassungsgericht

Der Berliner Mietendeckel war und ist rechtlich gescheitert. Dass er auch ökologisch zum Scheitern verurteilt war, zeigt eine neue Studie des Instituts für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) im Auftrag des Landes Berlin (Berlin Paris-konform machen: Eine Aktualisierung der Machbarkeitsstudie „Klimaneutrales Berlin 2050“ mit Blick auf die Anforderungen aus dem UN-Abkommen von Paris, 27.08.2021).

Der Berliner Mietendeckel wird dort neben den Milieuschutzgebieten als großes Hemmnis für erforderliche energetische Sanierungen (Erhöhung von Sanierungsrate und Sanierungstiefe) und klimaneutrale Wärmeversorgungslösungen festgestellt (S. 174). Die Untersuchungen bestätigen zudem, dass der Mietendeckel aus gleich meherenen Gründen dazu führte, dass in den letzten beiden Jahren bei den vermieteten Wohngebäuden weniger (energetisch) modernisiert wurde (S. 175).

Die Studie fordert, die Strategie zur Erreichung eines klimaneutralen Berlins auf eine deutlich schnellere und konsequentere Zielerreichung auszurichten, insbesondere

  • dass Berlin aktiv auf die Bundesebene einwirkt, um die Rahmenbedingungen für urbanen Klimaschutz und das Erreichen der Klimaneutralität zu verbessern,
  • dass die Zielkonflikte und Hemmnisse unter Einbeziehung von Interessengruppen, insbesondere das Vermieter-Mieter-Dilemma, konsequent adressiert und aufgelöst werden.

„Um schnell(er) mit der CO2-Emissionsreduktion voranzukommen reicht es aber nicht, einfach höhere Zielwerte festzulegen. Es müssen konsequent und prioritär die größten Hemmnisse beseitigt und Zielkonflikte in allen Handlungsfeldern aufgelöst werden, die bereits heute dem Erreichen der – deutlich zu niedrigen – Zielwerte entgegenstehen. Dazu zählen das Mieter-Vermieter-Dilemma und baukulturelle Probleme im Kontext der energetischen Sanierung, der Kampf um Straßenraum und der Konflikt um das Auto, unzureichende Konzepte für die E-Mobilität in verdichteten urbanen Räumen oder der Konflikt zwischen Geothermie und Trinkwasserschutz.“
IÖW, Berlin Paris-konform machen: Eine Aktualisierung der Machbarkeitsstudie „Klimaneutrales Berlin 2050“ mit Blick auf die Anforderungen aus dem UN-Abkommen von Paris, 27.08.2021, S. 19

„Ziel muss sein, dass auch in vermieteten Wohngebäuden in wenigen Jahren die Rahmenbedingungen durchweg förderlich für ambitionierte energetische Sanierungen sind.“
IÖW a.a.O., S. 255

Siehe zu aktuellen Studien auch Realitätscheck durch Preisschock: Steigende Energie- und CO2-Preise als Hemmnisse oder Treiber auf dem Klimapfad?

Noch bevor der regierende Bürgermeister von Berlin Müller seinen Hut genommen und im Bundestag als Abgeordneter Platz genommen hat, hat er für das Land Berlin tatsächlich den Versuch unternommen, auf die Bundesebene einzuwirken. Aber nicht etwa zur Adressierung und Auflösung von Hemnissen und Zielkonflikten, sondern dazu, das Hemmnis Mietendeckel nun mit bundesgesetzlichem Segen wieder einführen zu können.

  • Mit Antrag vom 07.09.2021 hat das Land Berlin einen Antrag in den Bundesrat eingebracht (BR-Drucksache 694/21), wonach der Bundesrat die Bundesregierung auffordern soll, einen Gesetzentwurf zur Schaffung einer Länderöffnungsklausel vorzulegen, die es ermöglicht, durch Landesrecht von den Regelungen des sozialen Mietrechts des Bürgerlichen Gesetzbuchs zur Miethöhe bei Mietverhältnissen über ungebundenen Wohnraum auf angespannten Wohnungsmärkten mietpreisbegrenzend abzuweichen.
  • Dem Vermieter-Mieter-Dielmma möchte sich die Landesregierung damit weiterhin nicht annehmen. Denn der Landesgesetzgeber hatte sich im MietenWoG Bln zum Mietendeckel schon dazu bekannt, sich der Lösung des Vermieter-Mieter-Dilemmas nicht annehmen zu wollen, sondern ohne Befassung mit dem ausdifferenzierten Rechtsverhältnis von Vermieter und Mieter ausschließlich und isoliert den Mietpreis regulieren zu wollen.
  • Die Begründung stützt sich auf das Scheitern des Landes vor dem Bundesverfassungsgericht und damit auf den landeseigenen Verfassungsverstoß, dem man durch eine „Länderöffnungsklausel“ nun noch bundesrechtlich „die Krone aufsetzen“ möchte. Das Land war wegen seines Verstoßes gegen Bundesrecht gescheitert. Nun will es, dass ausgerechnet Bundesrat und Bundestag ihm erlauben, Bundesrecht durch Landesrecht zu beseitigen. Ein Bundesrecht, das es Bundesländern erlauben soll, vom Bundesrecht umfassend abzuweichen, das klingt wie eine Selbstaufgabe des Bundesrechts, die nicht funktionieren wird. Und das klingt wie wenn der Bund sich im UN-Klimaabkommen von Paris zum Klimaschutz verpflichtet, aber einem Bundesland erlaubt, sein ganz eigenes Ding zu machen und Hemmnisse für den Klimaschutz im Gebäudesektor einzuführen. Erstaunlich ist dabei, dass das Land Berlin hier über den Bundesrat die Zustimmung der weiteren Bundesländer haben möchte, obwohl es doch gerade diese wären, die den „Ausfall“ Berlins bundesweit kompensieren müssten (Thüringen ist dem Antrag gleichwohl beigetreten).
  • Auch wenn der Antrag des Landes Berlin zur Begründung anführt, die „Mieten nachhaltig leistbar zu halten„, kann man mit Gewissheit das eine festhalten: Der Mietendeckel war und ist nicht nachhaltig, weder rechtlich noch sozial, ökologisch oder ökonomisch, und er wird es auch nicht durch eine „Länderöffnungsklausel“.

Siehe schon ausführlich: Ein Klimadeckel für den Mietendeckel? Zur Nachhaltigkeit landesrechtlicher Mietpreisregulierung

Wenn das im Auftrag des Landes erstellte Gutachten zur Aktualisierung der Machbarkeitsstudie „Klimaneutrales Berlin 2050“ mit Blick auf die Anforderungen aus dem UN-Abkommen von Paris feststellt, dass es nicht ausreicht, einfach höhere Zielwerte festzulegen, dass vielmehr konsequent und prioritär die größten Hemmnisse beseitigt und Zielkonflikte in allen Handlungsfeldern aufgelöst werden müssen, ist das nicht nur ein fundierter Wissenschaftsbefund, sondern ein Verfassungsauftrag, dem das Land Berlin ohne (erneuten) Verfassungsverstoß nicht (mehr) entgehen kann. Denn seit der Klimaschutz-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts wissen wir, dass Klimaschutz eine justiziable Angelegenheit der Verfassung ist, die den politischen Prozess bindet und das tagespolitisch motivierte, an kurzfristigen Interessen ausgerichtete Ausspielen sozialer Belange gegen ökologische Belange ebenso verbietet wie staatliches „Greenwashing“.

Das Grundgesetz gibt nicht im Einzelnen vor, was zu regeln ist, um Voraussetzungen und Anreize für die Entwicklung klimaneutraler Alternativen zu schaffen. Grundlegend hierfür und damit für eine vorausschauende Schonung künftiger Freiheit ist allerdings, dass der Gesetzgeber einer möglichst frühzeitigen Einleitung der erforderlichen Entwicklungs- und Umsetzungsprozesse auch für die Zeit nach 2030 Orientierung bietet und diesen damit zugleich ein hinreichendes Maß an Entwicklungsdruck und Planungssicherheit vermittelt.

Bundesverfassungsgericht

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