Als das Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen am 12.10.2022 die von dem Bündnis bezahlbarer Wohnraum beschlossenen Maßnahmen bekannt gemacht hatte, wonach 400.000 Wohnungen, davon 100.000 öffentlich gefördert, pro Jahr errichtet werden sollen, war dies schon sehr ambitioniert. Das Ziel wurde verfehlt und es wird dieses und auch kommendes Jahr nicht zu erreichen sein. Zinsen und Baukosten machen nicht mit. Hinzu kommen Fachkräftemangel und heruntergefahrene Förderungen. Aufgrund des hohes Zuzugs geht man nun sogar von einem Bedarf von 500.000 bis 600.000 neuen Wohnungen im Jahr aus. Nach einer aktuellen GdW-Umfrage unter den sozial orientierten Wohnungsunternehmen werden in ganz Deutschland rund und ein Drittel der geplanten neuen Wohnungen (32 Prozent) in den Jahren 2023 und 2024 nicht gebaut werden können. Ohne auskömmliche und verlässliche Förderpolitik der Bundesregierung seien Neubau- und Klimaziele unerreichbar.
Wie aus der Zeit gefallen wirkt da doch die Idee, Wohnungen losgelöst von Preisfragen und Bautempo zu betrachten, wie man es im Bauhaus Museum Dessau lesen kann (nebenstehend).
Oder doch nicht?
Die EU-Kommission hat eben den ersten Fortschrittsbericht über das New European Bauhaus (NEB) vorgelegt, in dem eine Bilanz der in den ersten zwei Jahren der Initiative erzielten Ergebnisse gezogen wird, sowie das erste Tool für das NEB-Projekt: den NEB-Kompass. Die Initiative versteht sich als ein Wegbereiter für den grünen Wandel der Gesellschaft und Wirtschaft. Sie zielt auf die Umgestaltung verschiedener Sektoren der Wirtschaft, insbesondere der bebauten Umwelt, damit sie zur Erreichung der Klimaziele und zu einer Verbesserung der Lebensqualität aller Bürger beitragen. Sie wurde ins Leben gerufen, um den Europäischen Green Deal in greifbare Veränderungen vor Ort umzusetzen, die das tägliche Leben verbessern, in Gebäuden und im öffentlichen Raum, die Nachhaltigkeit mit gutem Design, Erschwinglichkeit und Vielfalt verbinden.

Und Bundesbauministerin Geywitz ruft dazu auf, jetzt sei die Zeit für eine große Transformation der Städte, des Bauens und des Wohnens. Es bräuchte „frische Ideen, wie wir unsere Städte gestalten, wie wir für die Menschen dort genügend Wohnraum schaffen und wie wir das möglichst klimagerecht tun können.“
Im SPIEGEL plädiert sie für eine grüne und digitale Transformation der Bau- und Immobilienbranche. Forderungen nach Abstrichen bei der Bauqualität – ob im Hinblick auf ökologische Anforderungen oder im Hinblick auf Wohnkomfort – und nach mehr Staatsgeldern für den Wohnungsbau lehnt sie – wohl unter Vorbehalt für Bauforschung, serielles Bauen und Wohngemeinnützigkeit – ab. Währenddessen fordert Bundeskanzler Scholz im TAGESSPIEGEL einen Sinneswandel in der Baubranche, um zugleich an dem Wohnbauziel seiner Regierung festzuhalten. Im Bauwesen sei in den letzten Jahren „etwas schiefgelaufen“, so der Kanzler.
Die Wahrheit dürfte aber auch bei dem liegen, was am 25.01.2023 der Präsident des DIW (Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung) in seinem Statement Wir brauchen eine Zeitenwende auch in der Wirtschaftspolitik schrieb. Wirtschaft und Politik haben in den letzten zehn Jahren dazu beigetragen, die Transformation zu nachhaltigen und innovativen Technologien und den Klimaschutz zu verschlafen. Statt ein Blick zurück, Zeitenwende jetzt: Fokus auf eine ökologische und digitale Investitionsoffensive.
Wenn es aber um Transformation geht, geht es nicht ohne Förderung. Eindrucksvoll etwa befürwortet das KfW Research-Paper (Nr. 413 vom 16.01.2023 – Fokus Volkswirtschaft: Schwarz, Green Finance: Der Finanzmarkt als Hebel für die Klimatransformation?) eine effektive Förderinfrastruktur:
„Ohne staatliche Förderung können private Klimainvestitionen dann ineffizient niedrig bleiben. Bei der Finanzierung der Transformation ist daher ein gelungenes Zusammenspiel von privatem und öffentlichem Kapital gefragt. Staatliche Förderbanken können hier eine Schlüsselrolle einnehmen, indem sie einerseits zur Schließung von Finanzierungslücken und andererseits zur ergänzenden Mobilisierung von privatem Kapital beitragen. Neben der Kapitalbereitstellung und der Risikobeteiligung spielen sie zudem eine zentrale Rolle als Vorbild für die Umsetzung von Nachhaltigkeitsstrategien im Bankbetrieb.“
Und so wird die gerade in die Zuständigkeit des Bundesbauministeriums gewanderte Neubauförderung von der KfW ausgeführt. Sie ist Ausdruck der Politik des Bundesbauministeriums, keine reine Neubauförderung, sondern jedenfalls auch eine Transformationsförderung: Förderprogramm „Klimafreundlicher Neubau“.
Neben der Kredit- und Zuschussförderung darf aber auch die Steuerförderung nicht übersehen werden. Das im Dezember 2022 beschlossene Jahressteuergesetz 2022 hat Steuervergünstigungen für Wohnungsbauinvestitionen gebracht.
- Zur stärkeren Unterstützung einer klimagerechten Neubauoffensive wurde der lineare AfA-Satz für die Abschreibung von Wohngebäuden (Absetzung für Abnutzung = AfA) auf 3 Prozent erhöht und wurde dies als Ergebnis der parlamentarischen Beratungen gegenüber dem Regierungsentwurf sogar noch auf den 1. Januar 2023 vorgezogen.
- Neu eingeführt wurde zudem eine additive Sonderabschreibung für neugebaute Mietwohnungen, die es erlaubt, jährlich innerhalb von vier Jahren bis zu fünf Prozent der Herstellungskosten für neu geschaffene Mietwohnungen abzusetzen. Um die erforderliche Anreizwirkung zu setzen, soll die Neuregelung erst für solche neuen Wohnungen Anwendung finden, die hergestellt werden aufgrund eines Bauantrags oder einer entsprechenden Bauanzeige in den Jahren 2023 bis 2026. Die Anschaffung einer solchen Wohnung ist dann begünstigt, wenn der Erwerber das Gebäude oder die neue Wohnung bis zum Ende des Jahres der Fertigstellung rechtswirksam erwirbt. Auch hier aber verfolgt der Gesetzgeber eine Lenkungswirkung: Für die Inanspruchnahme der Sonderabschreibung werden die Voraussetzungen an die Wohnung, für die der Bauantrag oder die Bauanzeige nach dem 31. Dezember 2022 und vor dem 1. Januar 2027 gestellt wird, an bestimmte Effizienzvorgaben gekoppelt. So ist die Inanspruchnahme der Sonderabschreibung zukünftig daran gekoppelt, dass das Gebäude, in dem die neue Wohnung hergestellt wird, die Kriterien für ein „Effizienzhaus 40“ mit Nachhaltigkeitsklasse/Effizienzgebäude-Stufe 40 erfüllt. Voraussetzung ist das „Qualitätssiegel Nachhaltiges Gebäude“ (QNG).

Das QNG-Siegel ist ein staatliches Gütesiegel des Bundesministeriums für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen für Gebäude, das durch akkreditierte Zertifizierungsstellen vergeben wird. Das QNG stellt die Erfüllung von Anforderungen an die ökologische, soziokulturelle und ökonomische Qualität von Gebäuden sowie an die Qualität der Planungs- und Bauprozesse sicher. Voraussetzung für die Vergabe des QNG durch eine akkreditierte Zertifizierungsstelle ist eine Zertifizierung mit einem Bewertungssystem für Nachhaltiges Bauen und die Einhaltung von besonderen Anforderungen im öffentlichen Interesse, die aktuelle Ziele in den Bereichen Klimaschutz, Ressourcenschonung, Gesundheitsschutz und Teilhabe aufgreifen.
BT-Drucksache 20/4729
Diese Anforderungen finden sich auch in der aktuellen Kredit- und Zuschussneubauförderung wieder. Und damit sind wir dann doch wieder beim (New European) Bauhaus. Denn das QNG steht für eine ganzheitliche Betrachtung und Transparenz von Gebäudequalitäten. Neben der ökonomische Qualität, der ökologischen Qualität, der technischen Qualität und der Prozessqualität geht es auch um die soziokulturelle und funktionale Qualität, die sich ganz im Sinne des vorstehenden Zitats mit dem Wohlbefinden und der Gesundheit der Nutzer befasst, mit einer komfortablen, gesunden und inklusiven Nutzbarkeit von Gebäuden – und hier Wohnungen.
Siehe auch Creating NEBourhoods Together:
München-Neuperlach wird mit dem Projekt „Creating NEBourhoods Together“ als Vorbild für das Neue Europäische Bauhaus NEB von der EU bis 2025 gefördert, um ein klimafreundliches, inklusives und schönes Leben und Arbeiten im Stadtteil zu sichern.
Die Breitenwirkung dieser Förderung kann wegen der hohen Anforderungen in Frage gestellt werden. Um die Legitimation des Steuerungs- und Förderzwecks kommt man aber kaum umhin. Und wenn Kapazitäten und Aktivitäten von dem Neubau in die Bestandssanierung wandern, mag auch dies politisch gewollt sein und durch die in der Zuständigkeit des Bundeswirtschaftsministeriums verbliebene Bestandsförderung noch weiter gefördert werden. Und da es bei der Wohnbaukrise weniger um die Gesamtzahl der neu errichteten Wohneinheiten als um die Schaffung von Wohnraum im unteren Preissegment in den Ballungsräumen geht, rückt das Thema Nachverdichtung im Bestand der Ballungsräume in den Fokus und damit auch das öffentliche Baurecht.
Hierzu beitragen kann die seit Jahren diskutierte Nachverdichtung im Bestand, in dem kalkulatorisch kostengünstigerer Wohnraum als auf neu erschlossenen und teuren Flächen geschaffen werden könnte. Ferner gibt es im Bereich der Aufstockung von Gebäuden mittlerweile kostengünstige Konzepte.
DIW Wochenbericht Nr. 1+2/2023, Bauboom geht zu Ende – politischer Strategiewechsel erforderlich
Immerhin kann positiv festgestellt werden, dass jenseits der gescheiterten Mietetendeckel-Brigade das Mittel der Enteignung von den maßgeblichen Akteuren abgelehnt wird.
Im Übrigen wird die Geldpolitik und Zinsentwicklung entscheidend werden. Aber das ist Gegenstand eines anderen Beitrages.
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