Windenergieanlagen schlagen Denkmalschutz

Wir bleiben bei der Windkraft und kommen zu einem weiteren Hindernis: Dem Denkmalschutz. Schon am 23.02.2023 hat das OVG Mecklenburg-Vorpommern den Denkmalschutz auf seinen berechtigten Kern zurechtgestutzt und als grundlegendes Hindernis beseitigt.

Auch das OVG Mecklenburg-Vorpommern greift auf den neuen § 2 EEG zurück:

Jede einzelne Anlage an jedem einzelnen Standort ist überragend wichtig und kann sich entsprechend § 2 Satz 2 EEG daher in der Einzelfallschutzgüterabwägung jedenfalls gegen ein nur niedrigschwellig betroffenes Denkmal und den Schutz seines Erscheinungsbildes durchsetzen; soweit – wie hier – das öffentliche Interesse nach § 2 Satz 1 EEG deutlich überwiegt, ist die Maßnahme unabweisbar bzw. verlangt sie im Sinne von § 7 Abs. 3 Nr. 2 DSchG M-V die Erteilung der Genehmigung.“ 
OVG Mecklenburg-Vorpommern – 5 K 171/22 OVG

Das OVG Mecklenburg-Vorpommern widerpricht dem im wahrsten Sinne platten Argument, ein Denkmal sei ortsgebunden, eine geplante Windenergieanlage demgegenüber nicht. Auf einen potentiellen Alternativstandort für die Windenergieanlage kommt es im Rahmen des in § 2 EEG normierten Abwägungsvorrangs nicht an. Vielmehr nimmt das Gericht den Denkmalschutz beim Wort und stellt das zeitliche Moment in den Vordergrund: Angesichts einer üblichen Auslegung von Windenergieanlagen auf eine Lebensdauer von ca. 20 Jahren ist der Eingriff in das von der Errichtung einer solchen Anlage beeinflusste Erscheinungsbild eines Kulturdenkmals für in der Regel reversibel und deshalb hinnehmbar zu halten (so auch schon OVG Lüneburg, Beschl. v. 12.10.2022 – 12 MS 188/21). 

Das OVG Mecklenburg-Vorpommern erkennt an, dass der Schutz von Kulturdenkmälern ein legitimes gesetzgeberisches Anliegen darstellt und die Denkmalpflege eine Gemeinwohlaufgabe von hohem Rang ist. Das kann jedoch mit dem OVG nicht für sich gesehen ein öffentliches Interesse begründen, das dem in § 2 Satz 1 EEG als überragend bestimmten öffentlichen Interesse an der Errichtung und dem Betrieb von Windenergieanlagen im Einzelfall entgegengehalten werden oder dieses gar überwinden könnte.

Es liegt auf der Hand, dass das gesetzgeberische Anliegen, „Sofortmaßnahmen“ für einen „beschleunigten“ Ausbau der erneuerbaren Energien nur dann greifen kann, wenn die Regelungen des § 2 EEG auf der Ebene der Einzelfallgenehmigung zum Tragen kommen und nicht nur als eine Art Programmsatz für die Exekutive missverstanden werden. Jede abweichende Auslegung würde nach Auffassung des Senats dem gesetzgeberischen Anliegen deutlich widersprechen. Auch das Bundesverfassungsgericht betont, dass der Ausbau und die Nutzung der Windkraft einen faktisch unverzichtbaren Beitrag zu der verfassungsrechtlich durch Art. 20a GG und durch grundrechtliche Schutzpflichten gebotenen Begrenzung des Klimawandels leiste, zugleich unterstütze dieser Ausbau die Sicherung der Energieversorgung, die derzeit besonders gefährdet sei. Folgerichtig macht das Bundesverfassungsgericht deutlich, „jede auf den weiteren Ausbau der Nutzung der erneuerbaren Energien gerichtete Maßnahme (dient) dem Schutz des Klimas, zu dem der Staat nach dem Klimaschutzgebot des Art. 20a GG verpflichtet ist“.
OVG Mecklenburg-Vorpommern – 5 K 171/22 OVG

Nichts anders gilt, wenn der Denkmalschutz in der Verfassung von Bundesländern aufgegriffen wird, denn auch Landesverfassungen können nicht – wie wir spätestens seit dem Berliner Mietendeckel wissen – (einfaches) Bundesrecht aushebeln. Und auch der Ausweg, den § 2 EEG 2023 als bloßen „Programmsatz“ die Relevanz abzusprechen, wird vom OVG Mecklenburg-Vorpommern widerlegt. Dabei war dieses noch gar nicht darauf eingegangen, dass der § 2 EEG 2023 auf unionsrechtlicher Ebene inzwischen seine Entsprechung und Verstärkung in Art. 3 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung (EU) 2022/2577 (VO zur Festlegung eines Rahmens für einen beschleunigten Ausbau der Nutzung erneuerbarer Energien) gefundet hat, wie das OVG Nordrhein-Westfalen hervorgehoben hat (s.o.).

HINWEIS:
Das OVG Mecklenburg-Vorpommern widerlegte damit nicht nur die Ansichten der beklagten Behörde, des zuständigen Landesministeriums und des Landesdenkmalamtes von Mecklenburg-Vorpommern. Es widersprach ausdrücklich auch der Landesregierung von Sachsen-Anhalt, die in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage (LT-Drs. 8/1926) ebenfalls versucht hatte, dem Denkmalschutz einen nicht zu rechtfertigenden Vorrang einzuräumen und § 2 EEG 2023 widerrechtlich die Bedeutung abzusprechen. Die Stellungnahme der Landesregierung von Sachsen-Anhalt war von Anfang an nicht zutreffend, mit dem OVG Meckelnburg-Vorpommern (und dem OVG Nordrhein-Westfalen, siehe vorstehend) ist sie nun aber, nachdem die beklagte Behörde in Mecklenburg-Vorpommern sich hierauf berufen hatte, endgültig widerlegt. Die Landesregierung von Sachsen-Anhalt hatte sich auf das OVG Niedersachsen berufen, das dies aber überhaupt nicht in ihrem Sinne entschieden hatte und die Frage letztlich offen ließ (OVG Lüneburg, Beschl. v.  21.04.2022 und 12.10.2022 – 12 MS 188/21).
Die klare Widerlegung durch das OVG Meckelnburg-Vorpommern ist besonders wichtig, da der landeseigene 2. Senat des Oberverwaltungsgerichts Magdeburg bislang eher ein Beispiel ist für Klimaschutzverweigerer in Richterstühlen und man nicht darauf vertrauen kann, dass von dort aus die Landesregierung korrigiert wird.
Es überrascht im Übrigen, dass ausgerechnet Behörden in Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt sich querstellen, obwohl doch schon das Bundesverfassungsgericht eben diese Bundesländer als besonders betroffen vom Klimawandel hervorgehoben hatte.
Fun Fact: Ausgerechnet in Sachsen-Anhalt, wo man eben den Standort für das Zukunftszentrum für Deutsche Einheit und Europäische Transformation (Halle) gewonnen hat, verweigert sich die Landesregierung der bundesweiten Transformation von „Alt zu Zukunftsfähig“? Dabei war man in Halle schon 2009 weiter, wie wiederum das OVG Mecklenburg-Vorpommern deutlich macht:

Nach dem OVG Mecklenburg-Vorpommern ist die Transformation von „Alt zu Zukunftsfähig“ auch gesellschaftlich längst viel weiter, als es ein überholter Denkmalschutz glauben machen möchte:

Zu berücksichtigen ist schließlich – gerade in der aktuell jederzeit präsenten gesellschaftlichen und klimapolitischen Diskussion des Ausbaus der Windenergie – auch, dass der dem Denkmalschutz aufgeschlossene Betrachter seine Augen nicht davor verschließen kann, dass die gesellschaftliche Entwicklung die Aufnahme technischer Anlagen erfordert, die in einem gewissen Kontrast zur Landschaft bzw. einem Denkmal stehen (vgl. VG Halle, Urteil vom 26. Mai 2009 – 2 A 21/08 –, juris Rn. 55). Im vorliegenden Fall würde ein solcher Beobachter die Auswirkungen der geplanten Anlage als nicht störende Notwendigkeit wahrnehmen. Im Übrigen würde die geplante Anlage dort zwar für relativ lange Zeit stehen, wäre aber insbesondere mit Blick auf die übliche „Lebensdauer“ derartiger Anlagen reversibel.“
OVG Mecklenburg-Vorpommern – 5 K 171/22 OVG

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