Photovoltaik schlägt Denkmalschutz
Eine bemerkenswerte Entscheidung hat auch das Verwaltungsgericht Braunschweig mit seinem Beschluss vom 27.01.2023 (2 B 290/22) gefällt. Zum einen stellt es zutreffend heraus, dass Denkmalschutz kein Selbstzweck ist und ein falsch verstandener Denkmalschutz sich zum Leidwesen der geschützten Denkmalobjekte letztlich selbst abschafft:
- Es verbietet sich, ausschließlich auf eine denkmalfachliche Bewertung abzustellen, die weder auf die Interessen des Eigentümers noch auf die Wertigkeit des Baudenkmals Rücksicht nimmt und praktische Kompromisse verhindert.
- Auch denkmalgeschützte Gebäude müssen schon aus eigenem Erhaltungsinteresse einen Beitrag zum Klimaschutz leisten: Die energetische Instandsetzung eines Denkmals dient nach der zutreffenden Auffassung des Gesetzgebers in Niedersachsen nicht nur der Reduzierung von CO2-Emissionen, sondern auch dem langfristigen Erhalt des historischen Bauwerks für künftige Generationen, indem die Immobilie mit möglichst geringem Energieeinsatz beheizbar und damit nutzbar gemacht wird.
Wo manche in der Vergangenheit verharren, gehen andere auch im Denkmalschutz in die Zukunft, um es mit mit dem bayerischen Staatsminister Markus Blume zu sagen. Siehe hier zu landesrechtlichen Neuerungen:
Neue Photovoltaik-Strategie setzt Freiflächen-, Agri-, Parkplatz-, Floating-, Dach- und Balkonanlagen sowie neue Mieter- und Gebäudemodelle unter Strom
Siehe auch:
Die Installation einer Photovoltaikanlage kann dem Erhalt des Denkmals also zumindest mittelbar zugutekommen:
„Es spricht viel dafür, dass die Installation, indem sie den CO2-Verbrauch des Gebäudes in Kombination mit der Wärmepumpenheizung von 20 Tonnen auf schätzungsweise 7 Tonnen reduziert, eine nachhaltige energetische Verbesserung des Kulturdenkmals bewirkt, das damit auch zumindest teilweise unabhängig wird von der Nutzung fossiler Energieträger. Zudem bringt der Erhalt eines Baudenkmals wirtschaftliche Belastungen mit sich und die Kemenate, die der Antragsteller bewohnt, weist rein äußerlich einen sehr guten Erhaltungszustand auf. Es spricht somit einiges dafür, dass die finanziellen Vorteile, die der Antragsteller langfristig aus der Nutzung der Photovoltaikanlage zieht, auch dem Erhalt des Denkmals dienen.“
Verwaltungsgericht Braunschweig – 2 B 290/22
Das Gericht stellt zudem heraus, dass die Installation von Photovoltaikanlagen im Wege der Aufdach-Montage in aller Regel allenfalls geringfügigen Eingriff darstellen, weil diese Anlagen, wenn sie fachgerecht installiert werden, die Substanz des Daches nur insofern beschädigen, als Bohrlöcher in den Dachsparren und Dachpfannen beim Verschrauben der Dachhaken entstehen. Nichts anderes gilt, wenn eine UNESCO-Weltkulturerbestätte vorliegt:
„Und wie die Antragstellerin selbst ausführt lebt eine Stadt von Veränderung, sodass es im Denkmalschutz auch nicht darum geht, ein Stadtbild komplett unverändert zu belassen. Die B.er Altstadt ist als Gesamtbestand geschützt, sodass vereinzelte Änderungen an historischen Gebäuden ihren Schutzstatus auch noch nicht gefährden.“
Verwaltungsgericht Braunschweig – 2 B 290/22
HINWEIS:
Das Gericht spricht damit die Besonderheit von Denkmalbereichen an, bei denen keine baustoffbezogene Betrachtung wie bei einem Einzeldenkmal vorgenommen werden darf. Besonders anschaulich schon das VG Dessau, Urteil vom 18. 9. 2002 – 1 A 1013/01 DE:
„Daher kann die Substanz des Denkmalbereichs nicht gleichbedeutend mit der Bausubstanz der zugehörigen Einzelbauten sein, sondern sie bezieht sich auf das Erscheinungsbild der Gesamtheit, auf die sichtbaren Bezüge zwischen den verschiedenen baulichen Anlagen. Durch die Zugehörigkeit zu einem Denkmalbereich wird die einzelne bauliche Anlage nicht selbst zu einem Einzeldenkmal erhoben. Die bauliche Substanz des Einzelgebäudes ist nicht primär Schutzobjekt. Das Einwirken auf die bauliche Substanz eines Einzelgebäudes kann nur dann zu einer Veränderung der Substanz des Denkmalbereichs führen, wenn sie eine solche Qualität hat, dass sie auf das Erscheinungsbild der Gesamtheit der Bauten ausstrahlt. (…) Nach diesen Kriterien kann die Veränderung der Substanz eines Einzelgebäudes allenfalls dann die Denkmalqualität des Denkmalbereichs wesentlich beeinträchtigen, wenn der veränderte Bauzustand dem Gesamtcharakter des Denkmalbereichs grob unangemessen ist.“
Schließlich stellt das Verwaltungsgericht Braunschweig treffend heraus, dass sich auch der Denkmalschutz nicht den Herausforderungen unserer Zeit entziehen kann:
„Dies ist im Interesse der Förderung erneuerbarer Energien jedoch in Kauf zu nehmen. Die Nutzung der Sonnenenergie durch eine Solaranlage ist nicht nur aus der privaten Sicht des Antragstellers nachvollziehbar und verständlich; die Förderung erneuerbarer Energien liegt auch im öffentlichen Interesse. Dies belegen die Regelungen in § 7 Abs. 2 NDSchG wie auch das Erneuerbare-Energien-Gesetz und nicht zuletzt das Staatsziel Klimaschutz in Art. 20a GG und Art. 6c der Niedersächsischen Verfassung. Hinzu kommen aktuell Änderungen im Baugesetzbuch und in der Baunutzungsverordnung mit dem Gesetz zur sofortigen Verbesserung der Rahmenbedingungen für die erneuerbaren Energien im Städtebaurecht vom 04.01.2023 (BGBl. 2023 I Nr. 6). Es muss auch berücksichtigt werden, dass die Abkehr von fossilen Brennstoffen hin zu erneuerbaren Energien aktuell gesamtgesellschaftlich immer größere Bedeutung gewinnt, gerade angesichts der zahlreichen extremen Wettererscheinungen und Naturkatastrophen in den vergangenen Jahren, die in besonderem Maße auch Niedersachsen betreffen. So urteilte auch das Bundesverfassungsgericht im März 2021, dass sich aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG eine Pflicht des Staates zum Schutz von Leben und Gesundheit vor den Gefahren des Klimawandels ergibt und dass Art. 20a GG auch auf die Herstellung von Klimaneutralität abzielt (BVerfG, Beschluss vom 24.03.2021 – 1 BvR 2656/18 -, juris Rn. 148, 198; zur verfassungsrechtlichen Dimension des Ausbaus erneuerbarer Energien s. auch: VG Braunschweig, Urteil vom 11.05.2022 – 2 A 100/19 -, juris Rn. 43 ff., Anm.: Zur Windenergieanlage).“
Verwaltungsgericht Braunschweig – 2 B 290/22
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