Dieser Beitrag setzt den vorherigen Beitrag zur Frage „Kinderlärm = Mietmangel“ fort und stellt die weiteren BGH-Grundsätze zur Bedeutung von Geräuschimmissionen im mietrechtlichen Gewährleistungsrecht dar.

In der im vorherigen Beitrag bereits dargestellten Entscheidung klärt der BGH die bislang umstrittene Frage, welche Maßstäbe an die Gebrauchserhaltungspflicht des Vermieters anzulegen sind, wenn nachträglich Geräuschimmissionen auf die Mietsache durch Dritte entstehen oder zunehmen und konkrete Parteiabreden hierzu fehlen.

Die bisherige BGH-Rechtsprechung

Zunächst stellt der BGH in seiner aktuellen Entscheidung seine bisherige Rechtsprechung dar:

  • Durch straßenbaubedingte Umleitung des Verkehrs kommt es zeitweilig zu einer erhöhten Lärmbelastung: Es liegt kein Mietmangel vor, wenn sich die Lärmbelastung innerhalb der bei Innenstadtlagen üblichen Grenzen hält. Denn bei bestimmten Innenstadtlagen muss jederzeit mit Straßenbauarbeiten größeren Umfangs und längerer Dauer gerechnet werden.
  •  Infolge veränderter Nutzungsbedürfnisse anderer Mieter nehmen die Geräuschimmissionen (Zu- und Abluftleitungen) nachträglich zu: Es liegt kein Mietmangel vor, wenn die maßgeblichen technischen Normen eingehalten werden. Auch wenn zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses ein Immissionsstandard tatsächlich vorliegt, der besser ist, als der, welcher vom Vermieter nach den maßgeblichen technischen Normen geschuldet ist, kann der Mieter mangels abweichender Vereinbarung im Allgemeinen nicht erwarten, dass der Vermieter ihm gegenüber für die Erhaltung dieses tatsächlichen Immissionsstandards während der gesamten Mietdauer einstehen will. Es liegt daher kein Mietmangel vor, wenn sich die zunächst tatsächlich bestehende (geringere) Geräuschbelastung nachträglich auf das Maß des normativ maßgeblichen Geräuschstandards verschlechtert.

Der BGH führt diese Rechtsprechung nun wie folgt fort:


Die neue BGH-Rechtsprechung

Der BGH stützt seine neue Rechtsprechung im Wesentlichen auf das Risikoverteilungskriterium der Beherrschbarkeit von Risiken, das auch in weiteren Bereichen des Mietvertragsrechts (Reparaturpflichten, Betriebs- und Nebenkosten) und in anderen Rechtsbereichen (insbesondere im Baurecht) eine zentrale und zunehmende Bedeutung hat:

  • Der Vermieter ist dem Mieter gegenüber nach § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB verpflichtet, die Mietsache während der Mietzeit in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zu erhalten (Erhaltungspflicht, die neben die Überlassungspflicht tritt). Zu dieser Erhaltungspflicht gehört auch die Pflicht des Vermieters, von Dritten ausgehende Störungen vom Mieter fernzuhalten und zu diesem Zweck gegen den Störer vorzugehen – auch dann, wenn der Mieter eigene Abwehransprüche haben sollte.
  • Die Erhaltungspflicht des Vermieters besteht aber nur im Rahmen des für ihn tatsächlich wie rechtlich Möglichen. Gehen vom Nachbargrundstück Immissionen aus, so richtet sich die Frage der Möglichkeit der Störungsbeseitung durch den Vermieter nach den aus dem nachbarrechtlichen Gemeinschaftsverhältnis und § 906 BGB resultierenden Duldungspflichten:

(1) Muss der Vermieter die Geräuschimmission demnach gegenüber dem Nachbarn ohne eigene Abwehr- oder Entschädigungsmöglichkeit als unwesentlich, ortsüblich oder sozialadäquat hinnehmen, liegt auch kein Mietmangel der Mietwohnung vor.

(2) Muss der Vermieter die Geräuschimmission nur gegen Entschädigung dulden, so kann sich der Ausgleichsanspruch gegenüber dem störenden Nachbarn in einer adäquaten Minderung der mit dem Mieter vereinbarten Miete niederschlagen.


Ist das nun gerecht? Was geht denn den Mieter das Verhältnis des Vermieters zum Nachbarn an? Selbst wenn der Vermieter gegenüber dem Nachbarn nicht in der Lage ist, die Störung tatsächlich zu beseitigen, so steht dies doch einer Minderung der Miete im Verhältnis zwischen Vermieter und Mieter nicht entgegen, als finanzielle Kompensation für den geminderten Mietgebrauch. So könnte man argumentieren. Der BGH tritt dem entgegen:

  • Die nachbarrechtlichen Normen (§ 906 BGB) haben eine Ausstrahlungswirkung auf die mietvertraglichen Rechte und Pflichten.
  • Der dem Mieter eingeräumte Mietgebrauch nimmt vorbehaltlich abweichender Vereinbarungen an der Situationsgebundenheit des Mietgrundstücks und der aus der Nachbarschaft entstammenden Einwirkungen einschließlich der damit verbundenen Veränderungsrisiken teil,
  • soweit der Vermieter aufgrund nachbarrechtlicher Bindungen die Immissionen angesichts des ihm danach billigerweise zuzumutenden Gebrauchsüberlassungsrisikos nicht beeinflussen kann.

 


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