Noch im Jahr 2012 konnte man einem Beschluss des Bundesgerichtshofes entnehmen, dass durch vorvertragliche Angaben des Verkäufers (zur Größe der Wohnfläche in einem Exposé) mit Vertragsschluss konkludent eine entsprechende Beschaffenheitsvereinbarung nach § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB zustande kommt. In diesem Sinne hatte nun ein Käufer trotz eines vereinbarten Haftungsausschlusses den Verkäufer verklagt, da im Exposé, in der Internetanzeige und schließlich in überlassenen Grundrisszeichnungen zu hohe Flächenangaben enthalten waren. Der BGH ist dem Kläger nicht gefolgt und hat erklärt, an dem eingangs formulierten Verständnis nicht festhalten zu wollen.
Der BGH (Urt. v. 06.11.2015 – V ZR 78/14) hat entschieden, dass eine Beschreibung von Eigenschaften eines Grundstücks oder Gebäudes vor Vertragsschluss durch den Verkäufer, die in der notariellen Urkunde keinen Niederschlag findet, in aller Regel nicht zu einer Beschaffenheitsvereinbarung führt.
Ausgangslage
- Auf eine Beschaffenheit nach § 434 Abs. 1 Satz 3 BGB („öffentliche Äußerung“) wegen der Angaben im Exposé und in den Immobilienanzeigen konnte sich der Käufer im konkreten Einzelfall nicht stützen. Zu einer solchen Haftung hatte sich der BGH schon zuvor geäußert (zur Haftungsrelevanz von Exposé- und weiteren Maklerangaben). Im vorliegenden Fall ging es daher primär um die Frage des Vorliegens einer Beschaffenheitsvereinbarung nach § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB infolge der vorvertraglichen Überlassung von Grundrissplänen mit Flächenangabe.
- Eine solche Beschaffenheitsvereinbarung setzt grundsätzlich keine ausdrücklichen Erklärungen der Parteien voraus, sondern kann sich auch aus den Umständen des Vertragsschlusses wie etwa dem Kontext der dabei geführten Gespräche oder den bei dieser Gelegenheit abgegebenen Beschreibungen ergeben.
- Dem Kläger konnte nicht schon der vereinbarte allgemeine Haftungsausschluss entgegen gehalten werden. Denn es besteht nach ständiger Rechtsprechung die Auslegungsregel, nach der sich ein zwischen den Parteien vereinbarter allgemeiner Ausschluss der Haftung für Sachmängel nicht auf eine von den Parteien nach § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB vertraglich vereinbarte Beschaffenheit erstreckt. Diese Rechtsprechung wurde zwar in der Rechtsliteratur kritisiert, allerdings mit nicht überzeugenden Argumenten (ausführlich: Die Erklärungsverantwortung des Immobilienverkäufers – am Beispiel des Verhältnisses von Beschaffenheitsvereinbarung und Haftungsausschluss, ZfIR 2013, 265). Dieser Grundsatz gilt auch bei nicht ausdrücklich, sondern „nur“ konkludent vereinbarten Beschaffenheiten.
Die Besonderheiten bei beurkundungsbedürftigen Verträgen
Der BGH stützt seine neue Rechtsprechung auf das bei Immobilienkaufverträgen geltende Formerfordernis der notariellen Beurkundung (§ 311b Abs. 1 BGB). Er konnte sich dabei aber nicht damit begnügen, schlicht die Unwirksamkeit des Vertrages festzustellen. Denn nach § 311b Abs. 1 Satz 2 BGB kann die Nichteinhaltung der Form geheilt werden: Ein ohne Beachtung dieser Form geschlossener Vertrag wird seinem ganzen Inhalt nach gültig, wenn die Auflassung und die Eintragung in das Grundbuch erfolgen. Der BGH argumentiert daher damit, wie der Vertrag unter Berücksichtigung des Beurkundungserfordernisses vernünftigerweise und beiderseits interessengerecht auszulegen ist. Grundsätzlich wollen die Parteien demnach vorvertraglichen Erklärungen und Beschreibungen des Verkäufers, die keinen Niederschlag in der notariellen Urkunde gefunden haben, nicht zu einer Beschaffenheitsvereinbarung machen:
- Die Parteien kennen bei Beurkundung das Beurkundungserfordernis und wissen damit auch, dass zur Gewährleistung der Rechtswirksamkeit sämtliche rechtserheblichen Erklärungen in den Vertrag augenommen werden müssen. In der Regel ist daher nicht anzunehmen, dass sie sich an eine Beschaffenheitsvereinbarung ohne Aufnahme in die Urkunde binden wollen.
- Bei beiderseits interessengerechter Auslegung kann der Käufer nicht davon ausgehen, dass der Verkäufer mit ihm eine bestimmte Beschaffenheit des Grundstücks oder Gebäudes – mit der Folge einer nicht ausschließbaren Haftung – vereinbaren will, wenn die geschuldete Beschaffenheit im Kaufvertrag nicht erwähnt wird.
- Mit dem Auslegungsgrundsatz, wonach im Zweifel derjenigen Auslegung der Vorzug gebührt, die die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts vermeidet, wäre es nicht vereinbar, bei vorvertraglichen Äußerungen des Verkäufers über Eigenschaften des Kaufgegenstands nicht beurkundete Beschaffenheitsvereinbarungen anzunehmen; denn dies hätte die Nichtigkeit des Vertrags nach § 125 Satz 1 BGB wegen Nichteinhaltung der gesetzlichen Formvorschrift zur Folge.
- Die Möglichkeit einer Heilung der Formnichtigkeit nach § 311b Abs. 1 Satz 2 BGB mit Auflassung und Eintragung stellt diesen Grundsatz nicht infrage. Denn die Parteien wollen im Zweifel keinen Vertrag schließen, der wegen Nichtbeurkundung einer Beschaffenheitsvereinbarung formnichtig wäre: Sie wollen vernünftigerweise die Folgen einer solchen Unwirksamkeit bis zur Heilung nicht, d.h. die Parteien wollen nicht
(1.) dass eine zur Sicherung des Anspruchs des Käufers eingetragene Auflassungsvormerkung nicht entsteht und damit kein Schutz nach § 883 Abs. 2 BGB gegenüber zwischenzeitlichen Verfügungen und Vollstreckungsmaßnahmen besteht,
(2.) dass es jeder Seite freisteht, sich bis zur Eintragung der Rechtsänderung auf die Formunwirksamkeit der Vereinbarung zu berufen und damit die Heilung zu vereiteln.
Schließlich stellt der BGH darauf ab, dass die Warn- und Schutzfunktion der Beurkundung entscheidend infrage gestellt wäre, wenn schon die vorvertragliche Beschreibung bestimmter Eigenschaften des Grundstücks oder Gebäudes zu einer Beschaffenheitsvereinbarung führte, ohne dass in dem notariellen Vertrag dazu etwas erklärt ist.
Arglisthaftung
Auch wenn also aus den vorvertraglichen Angaben des Verkäufers in der Regel keine Gewährleistungshaftung folgt, sind sie dennoch nicht bedeutungslos. Sie können eine Informationshaftung des Verkäufers begründen, soweit dieser die Unrichtigkeit der Angaben kannte: Dem Käufer kann ein Schadensersatzanspruch aus vorvertraglichem Verschulden wegen unrichtiger Information oder wegen unterlassener Aufklärung zustehen (§ 280 Abs. 1 i.V.m. § 241 Abs. 2, § 311 Abs. 2 BGB). Eine Rechtsfolge dieses Anspruchs besteht darin, dass der Käufer als Vertrauensschaden von dem Verkäufer den Betrag verlangen kann, um den er den Kaufgegenstand zu teuer erworben hat. Allerdings bestätigt der BGH erneut, dass die Hürden für diesen Anspruch relativ hoch sind:
- Arglistiges Verhalten des Verkäufers, welches der Käufer darlegen und beweisen muss, setzt die Kenntnis der Tatsachen voraus, aus denen sich die Unrichtigkeit seiner Angaben ergibt.
- Diese Voraussetzung des Vorsatzes kann nicht durch wertende Überlegungen ersetzt werden.
- Dass die relevanten Umstände erkennbar waren und der Verkäufer sie (etwa als Makler, Bauherr, Bewohner des Hauses) hätte kennen können oder kennen müssen, reicht für die Feststellung des Vorsatzes bzw. der Arglist nicht aus.
- Auch eine Arglisthaftung des Verkäufers wegen Verletzung einer Aufklärungspflicht bezüglich der mitgeteilten Flächenangaben konnte der BGH im konkreten Fall nicht feststellen, wobei er hierzu ausführte:
(1) Den Verkäufer, der über die Größe der Wohnfläche durch Übergabe von Grundrisszeichnungen mit Maßen und Angaben zu den Raumgrößen informiert, trifft keine weitergehende Aufklärungspflicht. Der Kaufinteressent kann nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) und den im Verkehr herrschenden Anschauungen nicht erwarten, auch darüber informiert zu werden, welche Wohnfläche das zum Verkauf stehende Haus nach den für deren Ermittlung einschlägigen Normen hat.
(2.) Ausdrücklich offen gelassen hat der BGH aber, ob ein fachkundiger Verkäufer (wie bspw. ein Immobilienmakler), zu weitergehenden Informationen zu den Grundlagen seiner Berechnung verpflichtet ist.
- Siehe ergänzend zur möglichen Haftung des Immobilienverkäufers aus einem Beratungsvertrag bereits hier: Das andere Bestellerprinzip bei Immobilienvertrieb und Maklerauftrag – Haftungsrisiken für Immobilienverkäufer.
- Siehe auch zur Frage der Haftung des Immobilienverkäufers für die Angaben eines dem Käufer überlassenen Energieausweises und der Immobilienanzeigen nach EnEV hier: EnEV 2016, Energieausweis, Immobilienanzeigen, EnEV-Nachweis und Energieberatung – „Neues“ zur Gewährleistung, zur Mangel-Haftung und zum Wettbewerbsverstoß.
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