Die Energieeinsparverordnung (EnEV) ist, obwohl im Jahr 2015 von einigen Verbänden hart bekämpft, zum Beginn des Jahres 2016 mit ihrer nächsten Anforderungsstufe (Reduzierung des Primärenergiebedarfs um 25 % und Verbesserung des Wärmeschutz der Bauhülle um ca. 20%; siehe im Einzelnen etwa die GRE-Publikation „Energieeinsparverordnung 2016 (EnEV)„) in Kraft getreten und wird im Laufe des Jahres 2016 voraussichtlich einer Reform unterzogen (strukturelle Neukonzeption von EnEV und EEWärmeG, Optimierung mit dem Ziel einer hohen Klimaschutzwirkung und niedrigen Bau- und Bewirtschaftungskosten; siehe schon hier).
Viel Bewegung also rund um die EnEV. Anlass genug, einen Blick in die Rechtsprechung zum Thema zu werfen. So gab es in letzter Zeit einige Gerichtsentscheidungen zur EnEV, zu Energieausweisen und Immobilienanzeigen, die insbesondere unter Haftungs- und Gewährleistungsgesichtspunkten im Bau-, Planungs-, Kauf-, Miet- und Wettbewerbsrecht zu beachten sind. Eine Auswahl:
Bauvertrag
An erster Stelle ist ein aktuelles Urteil des OLG Düsseldorf vom 23.10.2015 (22 U 57/15) zu nennen, wonach der Auftragnehmer die Einhaltung und Erfüllung der EnEV-Anforderungen (im konkreten Fall die Luftdichtigkeit der Außenhülle) auch dann schuldet, wenn dies im Vertrag nicht ausdrücklich erwähnt bzw. als Beschaffenheit des Werkes nicht ausdrücklich vereinbart wurde.
Dies ist weder neu noch ernsthaft bestritten. Auch nach dem BGH ist die Einhaltung der Vorgaben der EnEV bauvertraglich geschuldet („[…] dass gerade die Nichteinhaltung der Vorgaben in § 12 Abs. 5 EnEV den Mangelvorwurf begründet.“ BGH, Urt. v. 11.10.2012 – VII ZR 179/11, Rn. 16).
Anmerkung:
Das OLG Düsseldorf beruft sich insoweit nicht auf den BGH, sondern verweist auf eine Entscheidung des OLG Brandenburg (Urt. v. 02.10.2008 – 12 U 92/08). Dieses hatte die EnEV den allgemein anerkannten Regeln der Technik zugeordnet. Die Einhaltung der anerkannten Regeln der Technik wird regelmäßig auch ohne ausdrückliche Vereinbarung vom Auftragnehmer als vertraglicher Mindeststandard geschuldet, da dieser die Einhaltung üblicherweise stillschweigend verspricht (BGH, Urt. v. 07.03.2013 – VII ZR 134/12, siehe auch hier). Der Umstand, dass die Einhaltung der anerkannten Regeln der Technik nicht im BGB formuliert ist, beruht auf der Befürchtung des Gesetzgebers, eine solche Regelung könne zu dem Missverständnis verleiten, dass der Werkunternehmer seine Leistungspflicht schon dann erfüllt, sobald nur diese Regeln eingehalten sind (vgl. BGH, Urt. v. 08.11.2007 – VII ZR 183/05).
Die Einordnung der EnEV als anerkannte Regeln der Technik wird von der herrschenden Rechtsmeinung jedoch abgelehnt. Statt dessen werden die Anforderungen der EnEV als gesetzliche bzw. behördliche Vorgaben verstanden, deren Einhaltung der Auftraggeber erwarten kann. Dieser kann als stillschweigend vom Auftragnehmer versprochen, zumindest aber nach § 633 Abs. 2 Satz 2 BGB, erwarten, dass das Bauwerk die öffentlich-rechtlichen und behördlichen Vorschriften erfüllt (siehe auch § 4 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 VOB/B und OLG Stuttgart, Urt. v. 31.03.2015 – 10 U 46/14: „Üblicherweise verspricht der Unternehmer stillschweigend bei Vertragsabschluss die Einhaltung der einschlägigen Gesetze und der allgemein anerkannten Regeln der Technik. Entspricht die Werkleistung diesen nicht, liegt regelmäßig ein Werkmangel vor.„). Auch nach diesem Begründungsansatz gehören die Vorgaben der EnEV also zu dem vom Auftragnehmer geschuldeten Leistungssoll. Nichts anderes gilt, wenn man mit dem sog. funktionalen Mangelbegriff arbeitet: Hält ein Bauwerk die gesetzlichen oder behördlichen Vorgaben nicht ein, so kann der Bauherr ordnungsbehördlichen Verfügungen ausgesetzt werden, die der ordnungsgemäßen Nutzung entgegenstehen; damit erfüllt der Auftragnehmers aber nicht die nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich geschuldete Funktionstauglichkeit und Zweckentsprechung seines Werkes (siehe hier).
EnEV-Nachweis und Energieberatung
Eine weitere Entscheidung stammt vom OLG Frankfurt (Beschl. v. 15.12.2014 – 18 U 38/14; BGH, Beschl. v. 23.04.2015 – VII ZA 1/15), in welcher es um die Haftung eines Planers für den von ihm im Rahmen eines Bauverfahrens erstellten Energieeinsparnachweises (EnEV-Nachweis) ging. Das Gericht differenziert wie folgt:
- Der EnEV-Nachweis dient dem Nachweis der energetischen Qualität eines Gebäudes im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Genehmigungsverfahrens.
- Der EnEV-Nachweis dient nicht dem Zweck, den Besteller zur Auswahl einer den Erfordernissen entsprechenden Heizungsanlage zu befähigen.
- Von dem EnEV-Nachweis nach Zweck und Methode zu unterscheiden ist die gesondert zu erstellende Heizlastberechnung: Deren Gegenstand sind Auslegung und Dimensionierung der Heizungsanlage.
Die Folge für die Haftung aus einem fehlerhaften EnEV-Nachweis:
- Die Haftung ist beschränkt, der Ersteller übernimmt grundsätzlich nicht die Verantwortung für etwaige Schäden, die außerhalb des Einsatzbereichs des EnEV-Nachweises liegen. Insbesondere soll der Ersteller eines EnEV-Nachweises grundsätzlich nicht damit rechnen müssen, Verantwortung auch für den Bereich übernehmen zu müssen, welcher der Heizlastberechnung zuzuordnen ist. Im konkreten Fall hatte das Gericht daher den Auftragnehmer nicht dafür haftbar gemacht, dass (angeblich aufgrund des fehlerhaften EnEV-Nachweises) eine unzureichende Heizungsanlage eingebaut wurde.
- Eine weitergehende Haftung kann sich ergeben, wenn der Auftragnehmer zugleich eine beratende Funktion im Hinblick auf die Auswahl der Heizungsanlage übernommen hat. Im konkreten Fall konnte das Gericht den Abschluss eines entsprechenden Beratungsvertrages nicht feststellen.
Kaufvertrag & Mietvertrag
Eine weitere Entscheidung ist vom OLG Schleswig (Urt. v. 13.03.2015 – 17 U 98/14) zum Immobilienkaufvertragsrecht ergangen:
- Der Energieverbrauch kann eine vereinbarte und damit vom Verkäufer geschuldete Beschaffenheit der Immobilie sein.
- Aufgrund der bestehenden Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit der Vertragsurkunde ist der Käufer gefordert, soweit es ihm im besonderen auf die Energieeffizienz, die Art der Dämmung oder andere Eigenschaften der Immobilie ankommt, auf die entsprechende Regelung im Kaufvertrag hinzuwirken. Andernfalls ist er darauf angewiesen, Umstände darzulegen, aus denen auf eine außerhalb des Beurkundungsvorgangs erfolgte Beschaffenheitsvereinbarung geschlossen werden könnte, was schon wegen des Beurkundungserfordernisses problematisch und aufgrund der neueren Rechtsprechung des BGH kaum zu begründen ist.
- Aus der Übergabe eines Energieausweises kann eine solche Beschaffenheitsvereinbarung nicht hergeleitet werden. Der Energieausweis hat nur informatorischen Charakter, worauf sowohl die gesetzliche Grundlage im EnEG als auch die Energieausweise selbst hinweisen. Nach allgemeiner Lebenserfahrung kann nicht ohne weiteres angenommen werden, dass der Verkäufer für die Richtigkeit der Angaben des Energieausweises einstehen und damit ein für ihn (regelmäßig schon mangels Fachkunde) kaum überschaubares Haftungsrisiko übernehmen möchte.
Anmerkung:
Die Rechtsprechung des OLG Schleswig spiegelt die ganz überwiegende Rechtsansicht wieder. Zuletzt wurde zwar versucht, aus den Pflichtangaben in den Immobilienanzeigen nach § 16a EnEV eine Beschaffenheitsvereinbarung zu fingieren – allerdings ohne überzeugen zu können. Weder aus den Angaben in Energieausweisen nach § 16 EnEV noch aus den Angaben in Immobilienanzeigen nach § 16a EnEV kann zutreffender Weise und vorbehaltlich abweichender Vereinbarung eine Beschaffenheitsvereinbarung hergeleitet werden, weder im Kauf- noch im Mietrecht.
Zum Mietrecht ist zudem die Diskussion um die Frage zu beachten, ob aus einem Verstoß gegen die EnEV eine Pflicht des Vermieters gegenüber dem Mieter zur Modernisierung des Mietobjekts folgt.
[Ausführlich: Bickert, Zeitschrift für Immobilienrecht (ZfIR), 2015, 233 ff.]
- Das Gericht sieht den Käufer aber nicht als schutzlos an: Zum einen hält es eine Haftung des Erstellers des Energieausweises aus einem sog. Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten des Käufers für möglich. Zum anderen ist eine Arglisthaftung des Verkäufers möglich, etwa im Fall einer Manipulation der Grundlagen oder des Inhalts des Energieausweises durch den Verkäufer.
- So haftet der Verkäufer gegenüber dem Käufer aus Arglist, wenn er (1.) dem Ersteller des Energieausweises bewusst falsche Angaben gemacht hat oder (2) sonst von der Fehlerhaftigkeit der vom Sachverständigen verwendeten Tatsachengrundlage Kenntnis hatte oder (3.) im Fall einer Nichtaufklärung des Käufers über eine auch vom Verkäufer als außergewöhnlich schlecht und nicht erwartbar wahrgenommenen energetischen Eigenschaft des Gebäudes.
Wettbewerbsverstoß durch Makler bei Immobilienanzeigen?
Eine weitere Entwicklung im Zusammenhang mit der EnEV bestand 2015 darin, dass Makler wegen wettbewerbswidrigen Verhaltens in Anspruch genommen wurden: Sie seien verpflichtet sicherzustellen, dass Immobilienanzeigen die Pflichtangaben gemäß § 16a EnEV enthalten. Sowohl das LG Gießen (Urt. v. 11.09.2015 – 8 O 7/15) als auch das LG Bielefeld (Urt. v. 06.10.2015 – 12 O 60/15) hatten (nicht rechtskräftig) entschieden, dass der Makler nicht in diesem Sinne verpflichtet sei. Dagegen hat das LG Tübingen (Urt. vom 19.10.2015 – 20 O 60/15, nicht rechtskräftig) entschieden, dass ein Makler in einem Angebot die Pflichtangaben nach der EnEV angeben muss. Die Wettbewerbszentrale rät aus diesem Grund zur Vorsicht. Dem kann man sich bis zur höchstrichterlichen Klärung nur anschließen.
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