Bekanntlich sind die inhaltlichen Anforderungen an AGB auch im B2B-Bereich nicht zu unterschätzen. Um Unwirksamkeitsrisiken nicht erst oder nur im Rahmen der Inhaltskontrolle zu begegnen, treten zwei zu unterscheidende Kriterien in den Fokus, die dazu führen können, dass Klauseln von vornherein der Inhaltskontrolle und damit dem AGB-rechtlichen Unwirksamkeitsrisiko entzogen sind:

  1. Allgemeine Geschäftsbedingungen liegen schon nicht vor, soweit die Vertragsbedingungen im Einzelnen ausgehandelt worden sind, selbst wenn sie im Übrigen die gesetzlichen AGB-Merkmale aufweisen (siehe hierzu ausführlich diesen Beitrag).
  2. Eine Unwirksamkeit muss jene Vertragspartei nicht fürchten, die nicht Verwender der AGB ist. Verwender ist diejenige Vertragspartei, die der anderen Partei bei Abschluss eines Vertrages vorformulierte Vertragsbedingungen „stellt“.

Verwendereigenschaft

Der BGH (Urt. v. 20.01.2016 – VIII ZR 26/15) hat nun zunächst zu dem zweiten Kriterium Stellung genommen: Demnach ist das Merkmal des Stellens erfüllt, wenn (1.) die Formularbestimmungen auf Initiative einer Partei oder ihres Abschlussgehilfen (siehe hierzu auch schon diesen Beitrag) in die Verhandlungen eingebracht und (2.) ihre Verwendung zum Vertragsschluss verlangt werden. Im Einzelnen:

  • Der (einseitige) Wunsch einer Partei, bestimmte von ihr bezeichnete vorformulierte Vertragsbedingungen zu verwenden, ist grundsätzlich ausreichend. Dabei kommt es nicht darauf an, wer die Geschäftsbedingungen entworfen hat.
  • An einem Stellen vorformulierter Vertragsbedingungen und damit an einer Verwendereigenschaft fehlt es hingegen, wenn deren Einbeziehung sich als Ergebnis einer freien Entscheidung desjenigen darstellt, der mit dem Verwendungsvorschlag konfrontiert wird. Erforderlich hierfür ist, dass diese Vertragspartei in der Auswahl der in Betracht kommenden Vertragstexte frei ist und insbesondere Gelegenheit erhält, alternativ eigene Textvorschläge mit der effektiven Möglichkeit ihrer Durchsetzung in die Verhandlungen einzubringen. Diese Anforderungen sind nicht schon dann erfüllt wenn

(1.) die andere Partei auf die Bitte, Anmerkungen oder Änderungswünsche mitzuteilen, nicht reagiert und von einer etwaigen Verhandlungs- und Gestaltungsmöglichkeit keinen Gebrauch macht und

(2.) die vorschlagende Partei geltend macht, sie sei uneingeschränkt bereit gewesen, auf Änderungswünsche der anderen Partei einzugehen.

 


Wirksamkeitsgrenzen bei Vertragsstrafen

Der BGH bejahte also das Vorliegen von AGB und urteilte über die Unwirksamkeit einer Vertragsstrafenklausel (siehe zur Vertragsstrafe bei Bauverzögerungen schon diesen Beitrag), nach welcher

  • dem Belieferten die Verwendung der gelieferten Produkte jenseits des vereinbarten Verwendungszwecks untersagt und jeder über den Verwendungszeck hinausgehende Weiterverkauf mit einer Vertragsstrafe in Höhe von EUR 50.000 je Auftrag unter Ausschluss des Fortsetzungszusammenhangs bewehrt war,
  • wobei sich der Warenwert der gelieferten Produkte von unter EUR 1.000 bis zu EUR 70.000 belief.

Der BGH  begründete die Unwirksamkeit mit der Unangemessenheit der Vertragsstrafenhöhe:

  • Die Sanktion darf nicht außer Verhältnis zum Gewicht des Vertragsverstoßes und seinen Folgen für den Vertragsstrafenschuldner stehen.
  • Ist ein bestimmter Betrag als pauschale Sanktion vorgesehen, ohne dass nach Art, Gewicht und Dauer der Vertragsverstöße differenziert wird, kann die Unangemessenheit schon daraus folgen. Eine solche Sanktion wäre nur dann zulässig, wenn dieser Betrag auch angesichts des typischerweise geringsten Vertragsverstoßes (außergewöhnliche, bei Vertragsabschluss nicht zu erwartende Ausnahmefälle können unberücksichtigt bleiben) noch angemessen wäre.
  • Im vorliegenden Fall war die Vertragsstrafe also unwirksam, weil sie aufgrund ihrer fehlenden Differenzierung dazu missbraucht werden konnte, dem Klauselverwender einen nicht gerechtfertigten Gewinn zu verschaffen, anstatt „nur“ ihren auch in AGB legitimen Zweck als Druckmittel zu erfüllen, den Vertragspartner zum vertragsgemäßen Verhalten anzuhalten.

Nicht entscheiden musste der BGH damit über weitere Gesichtspunkte, die zur Unwirksamkeit von Vertragsstrafen führen können:

  • Eine Vertragsstrafenklausel kann unwirksam sein, wenn sie eine kumulative Geltendmachung der Ansprüche auf Vertragsstrafe und pauschalierten Schadensersatz ermöglicht. Eine solche Gestaltung ist wegen Verstoßes gegen das Anrechnungsgebot auch im Verhältnis unter Kaufleuten unwirksam.
  • Keine Entscheidung fällte der BGH letztlich auch über die hier verwendete Formularbestimmung, die ausdrücklich auf jeden Auftrag „unter Ausschluss des Fortsetzungszusammenhangs“ abstellte. Dazu muss man wissen, dass Vertragsstrafenklasueln für den Fall von Zuwiderhandlungen gegen Unterlassungspflichten so ausgeslegt werden können, dass

(1.) mehrere zeitlich nicht zu weit auseinanderliegende fahrlässig begangene Einzelverstöße als eine einzige Zuwiderhandlung angesehen werden (natürliche Handlungseinheit = eine Handlung) oder

(2.)  mehrere zeitlich nicht zu weit auseinanderliegende fahrlässige Zuwiderhandlungen, die in der Weise zusammenhängen, dass sie gleichartig und unter Außerachtlasssung derselben Pflichtenlage begangen worden sind, nur als ein Verstoß zu werten sind.

 

Der letztgenannte Fortsetzungszusammenhang sollte mit der streitgegenständlichen Klausel ausdrücklich ausgeschlossen werden – Wirksamkeit fraglich.

 


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