Erneut hat der BGH (Urt. v. 12.05.2016 – VII ZR 171/15) eine wegweisende Entscheidung zum Bauträgerrecht und Kauf von Wohnungseigentum veröffentlicht und im Vergleich zu den erst kürzlich ergangenen Entscheidungen (siehe hier, und ausführlich hier) weitere praxisrelevante Rechtsfragen geklärt.


Kauf- oder Werkvertragsrecht?

Zunächst hat der BGH nun entschieden, was er bislang nur angedeutet hatte: Ansprüche der Erwerber wegen Mängeln an neu errichteten Häusern oder Eigentumswohnungen richten sich weiterhin grundsätzlich nach Werkvertragsrecht, mag auch das Bauwerk bei Vertragsschluss bereits fertiggestellt sein. Die Anwendbarkeit des Werkvertragsrechts hält der BGH für sachgerecht, da

  • für den Käufer – anders als für den werkvertraglichen Auftraggeber –  nicht die Möglichkeit besteht, einen Vorschuss für die zur Selbstbeseitigung des Mangels erforderlichen Aufwendungen zu verlangen.
  • das kaufvertragliche Recht des Käufers, zwischen Nacherfüllung und Lieferung einer mangelfreien Sache wählen zu können, bei Bauwerken nicht passt, da es etwa zu Konflikten mit dem Recht des für den Bauwerksmangel gegebenenfalls letztverantwortlichen werkvertraglichen (Nach-)Unternehmers führen kann, die Art und Weise der Mängelbeseitigung bestimmen zu dürfen.
  • dem Verkäufer das Verschulden von Dritten bezüglich der Verursachung von Bauwerksmängeln im Zuge der Errichtung des Bauwerks nur in geringerem Umfang zugerechnet werden kann als dem (Bau-)Unternehmer (siehe hierzu ausführlich hier).
  • es dem Bauträger zumutbar ist, eine (werkvertragliche) Abnahme auch des Gemeinschaftseigentums durch jeden Erwerber (auch Nachzügler) herbeizuführen.


Unwirksame Abnahmeregelungen

Hat der Bauträger die Immobilie errichtet und von der (werdenden) Wohnungseigentümergemeinschaft bereits die Abnahme des Gemeinschaftseigentums erlangt, so kann er ein Interesse daran haben, weitere Erwerber (sog. Nachzügler) an die erfolgte Abnahme zu binden. Versucht er dies über Allgemeine Geschäftsbedingungen, so muss er nach den bereits zuvor ergangenen BGH-Urteilen Unwirksamkeitsrisiken und Treuwidrigkeitseinwände beachten (siehe hier).

Auch im vorliegenden Fall versuchte dies der Bauträger:

  1. Gemäß einer Bestimmung in der Teilungserklärung sollte die Abnahme des Gemeinschaftseigentums durch ein Ingenieurbüro auf Kosten des Bauträgers in Vertretung der einzelnen Wohnungseigentümer durchgeführt werden.
  2. Das Ingenieurbüro erklärte dementsprechend auf Grundlage eines Beschlusses der zum Anfangszeitpunkt existierenden Eigentümergemeinschaft die Abnahme des Gemeinschaftseigentums auch im Namen von Nachzügler-Erwerbern, die zu diesem Zeitpunkt weder Wohnungseigentümer noch werdende Wohnungseigentümer waren.
  3. Dem klagenden Eigentümer wurde in seinem nachfolgend abgeschlossenen Erwerbsvertrag die Bindung an die bereits erfolgte Abnahme vorgegeben: „Die Abnahme des Gemeinschaftseigentums ist durch das Ingenieurbüro K. … am … erfolgt. Die Verjährungsfrist für Ansprüche und Rechte wegen Mängeln am Gemeinschaftseigentum läuft für den Käufer zum selben Termin ab wie für diejenigen Käufer, welche die gemeinschaftliche Abnahme durchgeführt haben.

Nach dem BGH

  • entfaltet die Abnahme des Gemeinschaftseigentums keine Abnahmewirkung zu Lasten der Nachzügler-Erwerber,
    • weder aufgrund der Bestimmung in der Teilungserklärung (oben unter Ziff. 1)
    • noch aufgrund des Beschlusses in der ersten Eigentümerversammlung (oben unter Ziff. 2), und
  • ist eine von einem Bauträger in einem Erwerbsvertrag gegenüber Nachzügler-Erwerbern gestellte Formularklausel mit dem Inhalt der Abnahmebindungsklausel nach Ziff. 3 unwirksam.

Teilungserklärung

Die Regelung der Teilungserklärung ist deshalb unwirksam, weil Gegenstand von Gemeinschafts-Vereinbarungen nach § 10 Abs. 2 WEG lediglich Regelungen sein können, die das Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander betreffen, worunter die Abnahme des Gemeinschaftseigentums nicht fällt. Die Abnahme betrifft das Vertragsverhältnis zwischen Bauträger und Erwerber, ihr Regelungsort ist der jeweilige Erwerbsvertrag und wesentliche Wirkungen der Abnahme betreffen das Vertragsverhältnis zwischen Erwerber und Bauträger und nicht das Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander: Fälligkeit und Verzinsung der Vergütung, Gefahrübergang und Vorbehalt eines Vertragsstrafenanspruchs.

Die Teilungserklärung ist damit jedenfalls insoweit nichtig, als damit die Wirkung der Abnahme des Gemeinschaftseigentums auf Nachzügler-Erwerber erstreckt werden soll.


Beschluss der Gemeinschaft

Der Beschlusses der ersten Eigentümerversammlung führt ebenfalls nicht dazu,  dass die vom Ingenieurbüro erklärte Abnahme zu Lasten der Nachzügler-Erwerber Bindungswirkung entfaltet. Der Beschluss ist jedenfalls insoweit nichtig, als damit die Wirkung der vom Ingenieurbüro erklärten Abnahme des Gemeinschaftseigentums auf Nachzügler-Erwerber erstreckt werden soll, denn der Wohnungseigentümerversammlung fehlt aus den vorstehenden Gründen insoweit die erforderliche Beschlusskompetenz.


Formularklausel des Erwerbsvertrages: „Die Abnahme des Gemeinschaftseigentums ist durch das Ingenieurbüro K. … am … erfolgt.“ 

Diese Klausel des Erwerbsvertrages ist dahingehend zu verstehen, dass den Nachzügler-Erwerbern mit dieser Klausel die Möglichkeit entzogen wird, bezüglich der Abnahme des Gemeinschaftseigentums selbst zu entscheiden oder hierüber durch eine Person ihres Vertrauens entscheiden zu lassen; durch diese Klausel soll die erfolgte Abnahme des Gemeinschaftseigentums im Verhältnis zu den Nachzügler-Erwerbern als für sie verbindlich festgeschrieben werden.

Die Klausel ist wegen unangemessener Benachteiligung der Nachzügler-Erwerber gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam, weil sie mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung nicht zu vereinbaren ist: Das Recht des einzelnen Erwerbers, bezüglich der Abnahme des Gemeinschaftseigentums – gegebenenfalls nach sachverständiger Beratung – selbst zu entscheiden oder durch eine von ihm zu beauftragende (Vertrauens-) Person entscheiden zu lassen. Den  Nachzügler-Erwerbern wird dieses Recht entzogen. Das Interesse des Bauträgers an einer frühzeitigen und einheitlichen Abnahme des Gemeinschaftseigentums rechtfertigt einen solchen Rechtsentzug nicht.


Formularklausel des Erwerbsvertrages: „Die Verjährungsfrist für Ansprüche und Rechte wegen Mängeln am Gemeinschaftseigentum läuft für den Käufer zum selben Termin ab wie für diejenigen Käufer, welche die gemeinschaftliche Abnahme durchgeführt haben.

Die Klausel ist gemäß § 309 Nr. 8 b) ff) BGB unwirksam, weil sie  durch Vorverlegung des Verjährungsbeginns zu einer mittelbaren Verkürzung der Verjährungsfrist betreffend Mängelansprüche führt (siehe schon hier).


Keine Berufung auf fehlende Abnahme

Durch die Formularklausel des Erwerbsvertrages hat der Bauträger den Eindruck erweckt, einer Abnahme des Gemeinschaftseigentums bedürfe es wegen der bereits erfolgten Abnahme nicht (mehr). Auf dieser Grundlage kann das in der Ingebrauchnahme und anschließenden Nutzung liegende Verhalten der Nachzügler-Erwerber redlicherweise nicht als Abnahme des Gemeinschaftseigentums verstanden werden.

Dem Bauträger ist es als Verwender dieser von ihm gestellten, unwirksamen Formularklauseln nach Treu und Glauben verwehrt, sich darauf zu berufen, dass sich der Vertrag mangels erfolgter Abnahme noch im Erfüllungsstadium befinde und deshalb ein Gewährleistungsanspruch (konkret: Anspruch aus § 637 Abs. 3 BGB) nicht bestehe (siehe schon hier).


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