RICS Nachhaltigkeitsstatistik 2017
Die Professional Group (PG) Sustainability der RICS Deutschland und das IRE|BS Kompetenzzentrum für Nachhaltigkeit in der Immobilienwirtschaft der Universität Regensburg haben die Europäische Nachhaltigkeitsstatistik 2017 „Grün kommt!“ vorgelegt.
Im marktwirtschaftlichen Kontext muss sich Nachhaltigkeit „rechnen“. Die Frage der wirtschaftlichen Vorteilhaftigkeit muss deshalb auf einer validen empirischen Grundlage beantwortet werden. Eine wachsende wissenschaftliche Community hat sich mittlerweile diesem Forschungsschwerpunkt verschrieben und einen „grünen Mehrwert“ in Form höherer Miet- und/oder Kaufpreise nachgewiesen. RICS / IRE|BS, Europäische Nachhaltigkeitsstatistik 2017 „Grün kommt“, S. 5.
Zertifizierung als bloßer „Hygienefaktor“?
Wie die vorherige Nachhaltigkeitsstatistik 2015 bestätigt auch die aktuelle Nachhaltigkeitsstudie 2017, dass sich die Rolle und Bedeutung des Nachhaltigkeitsansatzes bzw. von nachhaltigen Gebäuden nicht in der Anzahl bzw. dem Vorliegen von Nachhaltigkeitszertifikaten erschöpft.
Schon der RICS-Leitfaden „Sustainablitity and Commercial Property Valuation“, auf welche die aktuelle Nachhaltigkeitsstudie erneut verweist, stellt fest, dass Nachhaltigkeit alle Gebäude betrifft, nicht nur jene, die als „grün“, „umweltfreundlich“ oder „zertifiziert“ dargestellt werden, und dass die Zertifizierung nicht als konstitutiv für die Nachhaltigkeitsbewertung angesehen wird.
Und so weist die aktuelle RICS-Nachhaltigkeitsstatistik darauf hin, die Feststellung, dass ein wirtschaftlicher Mehrwert von nachhaltigen Gebäuden nachgewiesen ist, dürfe nicht dahingehend interpretiert werden, dass ein absolut höherer Wert eines zertifizierten Gebäudes automatisch und zur Gänze dem Merkmal „zertifiziert“ zugeschrieben werden kann.
Gleichwohl nimmt die Darstellung der Zertifzierungsbranche und deren Umbrüche in der aktuellen Nachhaltigkeitsstatistik einen breiten Raum ein. Dabei werden zwar Zuwächse bei den Zertifizierungen festgestellt. In Summe fällt der Befund aber doch ernüchternd aus: Bezogen auf die gesamte Bau- und Immobilienwirtschaft spielen die Zertifizierungslabels nach Aussage der Studie kaum eine Rolle.
Zertifizierte Objekte machen lediglich ca. 2 Promille des Bestandes an Gewerbeimmobilien in Europa bzw. ca. 1,6 % der jährlichen Neubauten aus. Zertifizierung ist eine Art „Hygienefaktor“ im Marktsegment der sehr großen Gewerbeimmobilien geworden. RICS / IRE|BS, Europäische Nachhaltigkeitsstatistik 2017 „Grün kommt“, S. 4.
Wo liegt die Zukunft?
Die Bedürfnisse des Marktes und damit die Bedeutung von Nachhaltigkeits-Tools verändern sich, nicht zuletzt wegen der Digitalisierung des Immobilien- und Bausektors. Die Studie sieht folglich eine hohe Zukunftsfähigkeit in solchen Systemen, die eine kontinuierliche Datenerfassung, deren Management und fließende Übergänge zum laufenden Nachhaltigkeitscontrolling gewährleisten. Generell identifiziert die Studie das Tracking und Monitoring von Verbräuchen und Einsparungen sowie die Identifizierung von Einsparungspotenzialen in den Immobilienportfolien als Kernthema.
In einer weiteren RICS-Studie wird eine zentrale Herausforderung für den Bau- und Immobiliensektor und seine Hauptakteure darin gesehen, Daten und Informationen zu sammeln, zu organisieren, zu aggregieren und zu interpretieren, damit sie in die Politik und die Kerngeschäfts- und Entscheidungsprozesse integriert werden können:
A more systematic and coherent approach to data capture and management by organisations will significantly support more informed public policy-making and investment and management practices. In addition, it will help organisations to protect the value of their assets and comply with their fiduciary duties and will provide the basis for identifying innovation needs for the building sector to achieve the 2050 targets. The benefit for businesses is an improved understanding of the impact of building performance on asset and portfolio value. Furthermore, it also enables organisations to understand and assess the impact of sustainability-related activities at the building level on corporate value. RICS-Studie, Global Trends in Data Capture and Management in Real Estate and Construction, November 2017, S. 30
In die gleiche Richtung zielt ein aktuelles Weißbuch der Energy efficient Mortgages Action Plan (EeMAP) Initiative, die sich im Zusammenhang mit der Finanzierung von Energieeffizienzmaßnahmen in der EU durch Privatbanken mit Energieeffizienzindikatoren, mit der Immobilienbewertung und mit den Auswirkungen der Energieeffizienz auf das Risikomanagement beschäftigt:
Data availability is obviously a key challenge to be addressed. The collection of larger data sets that are accompanied with standardised energy efficiency metrics across building types and geographic regions is of great importance and should be mobilised with the united effort of building rating associations, mortgage underwriters and the corresponding governmental agencies. EeMAP White Paper, Creating an energy efficient mortgage for Europe – Preliminary recommendations, Oktober 2017, S. 8.
Hinweis: Zur Funktion des Mietvertrages im Gesamtzusammenhang des Nachhaltigkeitsmanagements, über Regelungen zur Offenlegung von Verbrauchs- und Nutzungsdaten (Reporting/Monitoring) eine ganzheitliche Messung und Bewertung von „Gebäudestrukturperformance“ und „Nutzungsperformance“ zu gewährleisten siehe hier: Anspruch auf „Green Lease„? Zur Frage der Verpflichtung des Vermieters zur (energetischen) Modernisierung des Mietobjekts – und was bei „Green Lease“ gilt. Siehe auch die RICS-Studie Global Trends in Data Capture and Management in Real Estate and Construction, 2017.
Die Nachhaltigkeitsstatistik erwähnt auch die originären Treiber des Nachhaltigkeitsansatzes: Den fortschreitenden Klimawandel und die zunehmende Ressourcenknappheit sowie die daraus resultierenden normativen Vorgaben und Kundenanforderungen.
Abschläge für schlechte Nachhaltigkeitsperformance, sog. „grey Discounts“, werden zunehmen, je mehr nachhaltige Eigenschaften in der Immobilienbranche als „State of the Art“ und „common Sense“ angesehen werden. RICS / IRE|BS, Europäische Nachhaltigkeitsstatistik 2017 „Grün kommt“, S. 20
Um diese Herausforderungen zu meistern, setzen die Autoren der Nachhaltigkeitsstatistik auf ein gemeinsames Vorgehen mit der Politik und auf die sukzessive Integration der Nachhaltigkeitsstrategien im Asset Management.
Proaktives Handeln ist hier ausschlaggebend für ein vorausschauendes Risikomanagement und damit für ein „future proof“ Portfolio. RICS / IRE|BS, Europäische Nachhaltigkeitsstatistik 2017 „Grün kommt“, S. 20.
Außerdem greift die Nachhaltigkeitsstatisik unter dem Stichwort Life Cycle Assessment inhaltlich den Appell der Europäischen Kommission (COM(2014) 445 – Mitteilung zum effizienten Ressourceneinsatz im Gebäudesektor) auf, verstärkt den gesamten Lebenszyklus einer Immobilie – von der Errichtung bis zum Abriss – zu beachten.
Siehe aus globaler Sicht auch: Global Alliance for Buildings and Construction (GABC), Towards a zero-emission, efficient, and resilient buildings and construction sector, Global Status Report 2017: „Deployment of improved building energy codes and policies, including certification, labelling and incentive programmes, are needed in all countries. Clear and consistent signals, including effort to update and enforce existing policies, are needed to drive markets towards sustainable buildings and construction investments.“
Level(s)
Der Europäische Kommission ist es zu verdanken, dass sich der in der RICS Deutschland / IRE|BS Europäische Nachhaltigkeitsstatistik 2017 dargestellte Stand des Europäischen Nachhaltigkeitsansatzes bereits wieder weiterentwickelt hat. So hat die Europäische Kommission Ende September 2017 die Pilotphase für „Level(s)“ eingeleitet, einen europaweiten Rahmen für nachhaltige Gebäude (sehen Sie hierzu den gesonderten Beitrag). Mit der Bereitstellung eines Lebenszyklus-Tools bietet „Level(s)“ bereits das, was die Nachhaltigkeitsstatistik im Hinblick auf den Lebenszyklus von Immobilien fordert.
ZIA Nachhaltigkeits-Benchmarking
Die RICS Deutschland / IRE|BS Europäische Nachhaltigkeitsstatistik 2017 sieht, wie erwähnt, in dem Tracking und Monitoring von Verbräuchen und Einsparungen von Immobilienportflios ein Kernthema. Sie hebt dabei bestimmte Systeme zur Datenerfassung und Evaluierung hervor, wie etwa jene der Benchmarkinginitiativen von
- GRESB (Global Real Estate Sustainability Benchmark),
- GRA (Green Rating Alliance),
- Greenprint und
- CDP (Carbon Disclosure Project).
Erwähnung findet aber auch der Benchmarkingleitfaden des Zentralen Immobilienausschusses (ZIA e.V.) in Deutschland (Was und wie sollte verglichen werden?). Der Leitfaden soll den Akteuren der Immobilienwirtschaft ein einfaches Handwerkszeug zur Verfügung stellen, damit einheitlich Daten erhoben und berichtet werden können. So die Zielsetzung des zuständigen Arbeitskreises.
Der dringende Bedarf an Vereinheitlichung und Standardisierung bei der Datenerfassung, Datenerhebung und Evaluierung wird auch an anderer Stelle hervorgehoben: These uncertainties can compromise the accuracy and effectiveness of energy performance calculations and can potentially jeopardise the benchmarking and comparability of many building performance aspects. A very tangible risk is that without the right baseline measurement, national energy saving targets may not be achieved in practice and reporting may become distorted. RICS-Studie, Global Trends in Data Capture and Management in Real Estate and Construction, November 2017, S. 29
Damit aber nicht genug. Erklärtes Ziel des ZIA ist es auch, zu prüfen, inwiefern die erhobenen Daten auch für weitere Zwecke genutzt werden können, etwa für die Berichterstattung im Rahmen von Branchenenergienetzwerken oder für die CSR-Berichterstattung.
Mit dem CSR-Reporting ist ein Thema angesprochen, das allein aufrund der Gesetzgebungs- und Verbandsinitiativen in 2016/2017 in keiner Nachhaltigkeitsstatistik fehlen darf und mit dem ZIA-Ansatz offenbar erneut auch in der deutschen Immobilienwirtschaft seinen Niederschlag gefunden hat.
Ein einheitliches Nachhaltigkeitsreporting ist auch in der Immobilienwirtschaft die Voraussetzung für Nachhaltigkeitsbenchmarking. Die Vorteile sind mehr Transparenz und Wettbewerb, eine erheblich bessere Überwachung und Beurteilung der Verbrauchswerte, eine umfassendere Information von Eigentümern und Nutzern sowie die Reduzierung von Kosten. ZIA Nachhaltigkeitsbenchmarking, S. 10
BBP Acquisitions Sustainability Toolkit
Wenngleich aus Sicht der Kontinentaleuropäer ein Blick nach UK infolge des Brexit immer weniger interessant erscheint, sei hier noch das Better Buildings Partnership (BBP) Acquisitions Sustainability Toolkit, 2017, zur Lektüre empfohlen.
Sustainability is one of the most rapidly evolving areas of change in property ownership and can no longer acceptably be ignored. BBP Acquisitions Sustainability Toolkit
Es soll Investitions- und Akquisitionsteams unterstützen, indem es Leitlinien liefert, die in den internen Akquisitionsprozess integriert werden können und die dabei unterstützen sollen,
- die zentralen Nachhaltigkeitsrisiken und -chancen und deren Bedeutung für die Performance von Immobilienportfolios zu verstehen und zu identifizieren,
- zu prüfen, ob Maßnahmen zur Minderung der Risiken erforderlich sind und
- sicherzustellen, dass sie im Rahmen des Investitionsentscheidungsprozesses angemessen berücksichtigt werden.
Um Investitions- und Akquisitionsteams bei der Identifizierung der Risiken und Chancen zu unterstützen, werden in den Leitlinien die Nachhaltigkeitskriterien festgelegt, die bei Ankaufsprozessen berücksichtigt werden sollten. Dabei sollen sie eine praktische und realistische Widerspiegelung dessen darstellen, was von gewerblichen Immobilieneigentümern erwartet werden kann.
However, with growing awareness and evidence of the link between sustainability and investment performance, there is an increasing recognition that there is a duty to manage these issues. Future proofing portfolios against this is therefore not only a prudent action, but necessary to deliver long term performance. BBP Acquisitions Sustainability Toolkit
Die Leitlinien verfolgen die Zwecke, die der Nachhaltigkeitsansatz als solches verfolgt:
- Risikomanagement: Schutz des mittel- bis langfristigen Werts und der Liquidität von Immobilienportfolios vor Faktoren wie Nutzernachfrage, Investorenanforderungen, regulatorische Risiken, Klimawandel und Energiesicherheit.
- Wertschöpfung: Realisierung von Chancen, die den Wert von Immobilienportfolios steigern können, wie z.B. die Steigerung der Attraktivität und Bindung von Nutzern, die Steigerung des Mietwerts und die Verlangsamung der Abschreibungsrate.
Successfully managing these risks and opportunities reflects good governance and can result in attracting additional capital, receiving new mandates from a more diversified investor base, and securing new joint venture partnerships. BBP Acquisitions Sustainability Toolkit
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