Einleitung

Die Krisen sind vielfältig und allgegenwärtig. Und sie kommen in den Mietverhältnissen von Vermietern und Mietern an. Zu heiß, zu kalt, zu laut – zu gefährlich. Schnell ist der Verantwortliche ausgemacht: Der Vermieter. Außerhalb von Adidas-Führungsetagen und der Mieter-Klageindustrie greift das natürlich zu kurz.

Die aktuelle Kurzfristenergiesicherungsverordnung (EnSikuV) meint nun, bei Auftreten von Schimmel- und Frostschäden während einer Temperaturabsenkung durch den Mieter seien eventuelle Verursachungsbeiträge aus der Sphäre des Vermieters unverändert zu berücksichtigen. Welche Verursachungsbeiträge aus der Sphäre des Vermieters sind im Rahmen einer kriegsbedingten Energiekrise und infolge einer mieterseitigen Temperaturabsenkung relevant?

Nein, der Vermieter ist nicht für alle Krisen und Störungen verantwortlich

Das OLG Düsseldorf hat kürzlich zum wiederholten Mal treffend herausgestellt, dass dem Vermieter die Risiken aus dem Klimawandel (im konkreten Fall: hohe Temperatur der Innenräume wegen hoher Außentemperaturen) nicht einseitig zugeschrieben werden können.

Ebenso wenig kann dem Vermieter einseitig das Risiko einer geräusch- und schmutzintensiven Nutzungsänderung auf einem Nachbargrundstück zugewiesen werden (BGH, Urt. v. 24.11.2021 – VIII ZR 258/19).

Auch hat der BGH nun wiederholt entschieden, dass der Vermieter weder eine Einstandspflicht für den Fall von hoheitlich angeordneten Betriebsuntersagungen und -beschränkungen infolge einer Pandemie übernimmt noch Gesundheitsrisiken aus einer Viruspandemie für den Mieter zu tragen hat.

„Ansonsten würde im Hinblick auf die Klimaerwärmung und dem damit einhergehend prognostizierten Temperaturanstieg das Risiko der Beeinträchtigung der Gebrauchstauglichkeit allein dem Vermieter überbürdet, der allgemein herrschende Umweltbedingungen naturgemäß nicht beeinflussen kann.“
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 12.09.2019 – I-24 U 197/19; Urteil vom 21.09.2021 – 24 U 155/20

„Die von der Revision beschriebene Gesundheitsgefahr durch eine vermehrte Ansammlung von Aerosolen in den Mieträumen und die damit bedingte Infektionsgefahr durch das SARS-CoV-2-Virus hat ihren Ursprung in der Nutzung eines Teils des Mietobjekts als Café und dem damit einhergehenden Publikumsverkehr. Sie betrifft damit wiederum allein die Verwendung des Mietobjekts durch die Beklagte. Der für die Annahme eines Sachmangels im Sinne von § 536 Abs. 1 Satz 1 BGB notwendige Bezug zur konkreten Beschaffenheit, dem Zustand oder der Lage der Mietsache fehlt dagegen.“
BGH, Urteil vom 13. Juli 2022 – XII ZR 75/21

EnSikuV: Was ist mit Schimmel- und Frostschäden während einer Temperaturabsenkung des Mieters

Ergibt sich nun Abweichendes durch die Verordnung zur Sicherung der Energieversorgung über kurzfristig wirksame Maßnahmen (Kurzfristenergiesicherungsverordnung – EnSikuV), wonach nun die Geltung einer Vereinbarung in einem Mietvertrag über Wohnraum, nach der der Mieter durch eigene Handlungen eine Mindesttemperatur zu gewährleisten hat, vom 01.09.2022 bis zum 28.02.2023 ausgesetzt ist?

Siehe ausführlich:

Energiesicherung und Versorgungssicherheit durch EnSikuV / EnSimiV: Neue Maßnahmen zur Energieeinsparung und Energieeffizienz im Gebäudebereich und in Unternehmen

Mit dieser Regelung soll den Mietern ermöglicht werden, die Raumtemperaturen in ihren Wohnungen auch dann freiwillig abzusenken, wenn vertraglich eine bestimmte höhere Mindesttemperatur vereinbart ist. Sie soll auch eine Signalwirkung für die Mietverhältnisse entfalten, in denen eine Mindesttemperatur vertraglich nicht vereinbart ist.

Werden dem Vermieter damit also Risiken aus der Energiekrise infolge des völkerrechtswidrigen Angriffskrieges Russlands auf die Ukraine zugewiesen? Nach dem Verordnungsgeber eigentlich nicht. Denn die Verantwortlichkeit des Mieters für die Vermeidung von Schäden an der Mietsache soll bestehen bleiben. Dazu soll insbesondere die fortbestehende Pflicht des Mieters zählen, durch angemessenes Heiz- und Lüftungsverhalten Schäden an der Mietsache vorzubeugen.

Wie aber soll der Mieter einschätzen können, welche Temperatur zum Schutz der Gebäudesubstanz erforderlich ist? Die Verordnungsbegründung selbst spricht die tatsächliche Komplexität an:

„Auch ein sorgfältiges kompensatorisches Lüftungsverhalten ist – abhängig von den unterschiedlichen bauphysikalischen und gebäudeklimatischen Gegebenheiten des jeweiligen Gebäudes – nur oberhalb einer bestimmten Mindesttemperatur effektiv. Es liegt daher in der Verantwortung des Mieters, die freiwillige Temperaturabsenkung zusätzlich zu einer verstärkten Lüftungsroutine so zu begrenzen, dass eine Schimmelbildung vermieden wird.“
Begründung EnSikuV

Zugleich spricht der Verordnungsgeber eine rechtliche Komplexität an, die sich daraus ergäbe, dass ebenso eine vertraglichen Verpflichtungen des Vermieters unberührt bleiben soll, die Mietsache in gebrauchsfähigem Zustand zu erhalten und Substanzschäden durch eine Ertüchtigung der Gebäudehülle vorzubeugen:

„Bei Auftreten von Schimmel- und Frostschäden während einer Temperaturabsenkung durch den Mieter sind eventuelle Verursachungsbeiträge aus der Sphäre des Vermieters unverändert zu berücksichtigen.“
Begründung EnSikuV

Im Ergebnis bleiben die Parteien ratlos zurück. Ein streitanfälliger Herbst/Winter ist zu befürchten. Werfen wir also einen Blick (1.) auf die Erhaltungspflicht des Vermieters und (2.) die Obhutspflicht des Mieters.

Die Erhaltungspflicht des Vermieters

Eben erst hat der BGH (Hinweisbeschl. v. 22.2.2022 – VIII ZR 38/20) die Erhaltungspflicht des Vermieters aufgegriffen:

  • Die nach § 535 I 1 BGB durch den Mietvertrag entstehende Verpflichtung des Vermieters, dem Mieter den Gebrauch der Mietsache während der Mietzeit zu gewähren, gestaltet § 535 I 2 BGB zum einen dahin aus, dass der Vermieter die Mietsache dem Mieter in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zu überlassen hat (Überlassungspflicht).
  • Zum anderen trifft den Vermieter danach auf Dauer die Verpflichtung, die Mietsache während der Mietzeit in diesem Zustand zu erhalten (Erhaltungspflicht), was zugleich die Pflicht umfasst, eine nach der Überlassung eingetretene Verschlechterung der Mietsache zu beseitigen und den zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand wiederherzustellen 
  • Der Umfang der Pflicht des Vermieters zur Gebrauchserhaltung richtet sich danach, was die Parteien als vertragsgemäß vereinbart haben
  • Der zum vertragsgemäßen Gebrauch geeignete Zustand iSd § 535 I BGB wird, wenn es an einer vertraglichen Vereinbarung fehlt, nach den gesamten Umständen des Mietverhältnisses und den daraus in – ggf. ergänzender – Auslegung abzuleitenden Standards, insbesondere nach der Mietsache und deren beabsichtigter Nutzung sowie der Verkehrsanschauung unter der Beachtung des in § 242 BGB normierten Grundsatzes von Treu und Glauben bestimmt.

Bei der Beurteilung des vom Vermieter geschuldeten Erhaltungszustandes sind nach der Verkehrsanschauung grundsätzlich die zum Zeitpunkt der Errichtung des Gebäudes geltenden Bauvorschriften und technischen Normen maßgeblich.

Dies ändert auch die EnSikuV nicht. Und wenn der Verordnungsgeber von einer „unberührt“ bleibenden Pflicht des Vermieters spricht, Substanzschäden durch eine Ertüchtigung der Gebäudehülle vorzubeugen, ist Vorsicht geboten: Eine mietrechtliche Pflicht des Vermieters zur Modernisierung besteht grundsätzlich nicht.

Siehe auch:

Bickert, Anspruch auf „Green Lease“? Zur Frage der Verpflichtung des Vermieters zur (energetischen) Modernisierung des Mietobjekts – und was bei „Green Lease“ gilt

„Wärmebrücken in den Außenwänden einer Mietwohnung und eine deshalb – bei unzureichender Lüftung und Heizung – bestehende Gefahr einer Schimmelpilzbildung sind, sofern die Vertragsparteien Vereinbarungen zur Beschaffenheit der Mietsache nicht getroffen haben, nicht als Sachmangel der Wohnung anzusehen, wenn dieser Zustand mit den zum Zeitpunkt der Errichtung des Gebäudes geltenden Bauvorschriften und technischen Normen in Einklang steht.“
BGH, Urteil vom 5. Dezember 2018 – VIII ZR 271/17

Auszug Vortrag Dr. Elmar Bickert, Runder Tisch zum nachhaltigen Klimaschutz im Gebäudebestand

Die Obhutspflicht des Mieters

Zugleich hat der BGH (Urteil vom 28.2.2018 – VIII ZR 157/17; Urteil vom 21.8.2019 – VIII ZR 263/17) die allgemeine Pflicht der Mieter hervorgehoben, die ihr überlassenen Mieträume in einem dem vertragsgemäßen Gebrauch entsprechenden Zustand zu halten,

  • insbesondere die Räume aufgrund der aus der Besitzübertragung folgenden Obhutspflicht schonend und pfleglich zu behandeln sowie
  • alles zu unterlassen, was zu einer nicht mehr vertragsgemäßen Verschlechterung führen kann.

Haben die Mieter diese Pflichten nicht oder nicht hinreichend beachtet und sind hierdurch Schäden an der Sachsubstanz der Mietsache festzustellen,

  • so haben die Mieter diese als Schadensersatz neben der Leistung nach Wahl der Vermieterin
    • durch Wiederherstellung oder
    • durch Geldzahlung zu ersetzen,
  • ohne dass es einer vorherigen Fristsetzung der Vermieterin bedarf.
  • Das gilt unabhängig von der Frage, ob es um einen Schadensausgleich während eines laufenden Mietverhältnisses oder nach dessen Beendigung geht.

HINWEIS:
Der BGH hat ausdrücklich dem Ansatz widersprochen, von einer, aus einem aktuellen Mietbesitz abgeleiteten Gestaltungsfreiheit des Mieters auf ein durch vermeintliche Rücksichtnahmepflichten des Vermieters gestütztes Recht des Mieters zu schließen, auch mit einem Schaden an der Sachsubstanz leben zu dürfen und die Gelegenheit zur Selbstbeseitigung erhalten zu müssen. Es steht nach dem BGH im alleinigen Ermessen des Vermieters als Eigentümer zu entscheiden, ob er selbst bei fehlender Inanspruchnahme durch den Mieter oder sogar gegen dessen Wunsch nach Belassung des vertragswidrigen Zustands Schäden an der Sachsubstanz gleichwohl behebt.

Bei der Beurteilung der dem Mieter obliegenden Obhutspflichten, namentlich dessen Nutzungsverhalten und insbesondere im Hinblick auf das Lüften der Wohnung, dürfen nach dem BGH nicht nur einseitig die Interessen des Mieters in den Blick genommen werden und können keine allgemeingültigen Maßstäbe aufgestellt werden, sondern müssen alle Umstände des Einzelfalls berücksichtigt werden.

„Welche Beheizung und Lüftung einer Wohnung dem Mieter zumutbar ist, kann nicht abstrakt-generell und unabhängig insbesondere von dem Alter und der Ausstattung des Gebäudes sowie dem Nutzungsverhalten des Mieters, sondern nur unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls bestimmt werden.“
BGH, Urteil vom 5. Dezember 2018 – VIII ZR 271/17

Nach dem BGH darf hierbei die Zumutbarkeitsgrenze für den Mieter nicht zu niedrig und die Erwartungshaltung des Mieters nicht zu hoch angesetzt werden:

Bereits der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, der Vermieter habe die Schimmelfreiheit der Wohnung auch unter der Voraussetzung zu gewährleisten, dass der Mieter das Schlafzimmer nur auf 16 Grad Celsius, die übrigen Zimmer auf nicht mehr als 20 Grad beheize, kalte Außenwände beliebig möbliere und die Wohnung nicht mehr als zwei Mal pro Tag für fünf bis zehn Minuten stoßlüfte, ist verfehlt. Woher das Berufungsgericht diese Anforderungen herleitet, die zudem grundsätzlich unabhängig vom konkreten Wohnverhalten der Mieter – namentlich deren Anwesenheitszeiten in der Wohnung und dem Umfang der dort ausgeübten Tätigkeiten, die mit einer Feuchtigkeitsentwicklung verbunden sind – sowie von Art, Größe und Baujahr der Mietwohnung gelten sollen, ist nicht nachvollziehbar und entbehrt einer tragfähigen Grundlage.“

Dass ein solches Lüftungsverhalten für den Mieter unter allen Umständen unzumutbar sei und deshalb die Wohnung des Klägers den Mindeststandard zeitgemäßen Wohnens nicht gewährleiste, kann – wie die Revision mit Recht rügt – entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht angenommen werden.“

Insbesondere hat das Berufungsgericht bei seiner unzutreffenden gegenteiligen Sichtweise auch außer Acht gelassen, dass es allgemein üblich ist (§ 291 ZPO), nach Vorgängen, die mit einer besonders starken Feuchtigkeitsentwicklung verbunden sind, wie etwa Kochen, Duschen und Waschen, den davon betroffenen Raum sogleich zu lüften, um die vermehrte Feuchtigkeit durch Luftaustausch alsbald aus der Wohnung zu entfernen.

Ebenso verfehlt ist die Annahme des Berufungsgerichts, dass es dem Mieter unter allen Umständen unzumutbar sei, bei der Möblierung von Außenwänden der Wohnung irgendeine Einschränkung hinzunehmen und dies zur Folge habe, dass bereits die bloße Gefahr einer Schimmelpilzbildung, die durch ein Aufstellen von Möbeln direkt und ohne Abstand an einer baualtersgemäß ungedämmten Außenwand entstehe, generell einen zur Minderung der Miete führenden Mangel darstelle.“

Letztlich läuft diese Argumentation des Berufungsgerichts darauf hinaus, mittels des von ihm angewendeten Maßstabs bei der Beurteilung des Vorliegens eines möglichen Mangels des vermieteten Wohnraums auch für eine nicht sanierte oder nicht grundlegend modernisierte Altbauwohnung und unabhängig von entsprechenden konkreten Vereinbarungen der Mietvertragsparteien einen Neubaustandard zugrunde zu legen. Dies ist ersichtlich rechtsfehlerhaft und steht im Widerspruch zu der oben dargestellten ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum maßgeblichen Zeitpunkt der Beurteilung des Vorliegens möglicher Mängel der Mietsache.

HINWEIS:
Bei zwischenzeitlich entstandenen oder bekannt gewordenen Gesundheitsgefahren der Mietsache ist der Vermieter aufgrund einer vertraglichen Nebenpflicht verpflichtet, den Mieter darauf hinzuweisen (z.B. Asbest).


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