Die Energieeffizienz und die Adaption des Klimawandels stellen wesentliche Merkmale nachhaltiger Immobilien bzw. des Nachhaltigkeitsansatzes als solches dar. Sie werden folglich in den GRESB Green Bond Guidelines for the Real Estate Sector (2015, S. 3 f.) als zwei von acht Charakteristika aufgeführt.
Immobilie ⇒ Umwelt
Unter dem Gesichtspunkt der Energieeffizienz von Immobilien geht es im Wesentlichen um deren Bedeutung für und Auswirkungen auf die Umwelt, etwa aufgrund deren Energie- und Wasservebrauchs und den von ihnen ausgehenden Umweltbelastungen. Hierzu ist an anderer Stelle zu lesen (siehe auch: Low Carbon Technology Partnerships initiative (LCTPi), led by World Business Council for Sustainable Development (WBCSD), Energy Efficiency in Buildings, 2015, S. 14).
Umwelt ⇒ Immobilie
Unter dem Gesichtspunkt der Adaption des Klimawandels geht es im Wesentlichen um die Auswirkungen veränderter klimatischer Bedingungen auf die Immobilien:
- Nach dem aktuellen RICS, Climate Risk Toolkit, March 2015 (S. 9 f.), können die Auswirkungen des Klimawandels auf Immobilien bei unterlassener Nachrüstung enorm sein, wobei insbesondere Deutschland von klimabedingten Mehrkosten bei Energieverbrauch und Betriebskosten betroffen sein wird.
- Das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung, Klimaangepasstes Bauen bei Gebäuden, 2015 (S. 19), sieht ein Großteil der wetterbedingten Schadenssummen bei Bauobjekten in den Mängeln (1.) ungenügende Beachtung der technischen Regelwerke, (2.) fehlende Anpassung an deren aktuellen Stand der Technik, (3.) mangelhafte Bauausführung und (4.) fehlende Wartung und Instandsetzung begründet.
- Siehe auch: Intergovernmental Panel on Climate Change, Climate Change – Implications for Buildings, 2014.
Zu beiden Gesichtspunkten lassen sich einige Regelungstendenzen ausmachen. Ein Stimmungsbild in Auszügen:
Stärkung der normativen Instrumente
Eine Vielzahl an internationalen NGOs fordert eine starke politische Führung, gut konzipierte, implementierte und in den Auswirkungen beobachtete Vorschriften, eine Stärkung und Verschärfung normativer Vorgaben und einen stärkeren Fokus auf Compliance, etwa:
- New Climate Economy, Better Growth, Better Climate – The Global Report (deutsche Zusammenfassung), 2014 (siehe auch hier zum Report 2015)
- Intergovernmental Panel on Climate Change (ECF, BPIE, GBPN, WBCSD, CJBS, CISL), Climate Change: Implications for Buildings, 2014, S. 17.
- ENTRANZE Project (Buildings Perfomance Institute Europe als Rechteinhaber), Laying down the pathways to nearly zero-energy buildings, 2014, S. 5, 27.
Überforderung der Wohnungswirtschaft?
In Deutschland hat sich kürzlich ein sog. Verbändebündnis Wohnungsbau (Presseerklärung 23.04.2015) über einen Anstieg der Komplexität und der Kosten des Bauens beschwert. Die normativen Vorgaben (etwa zu Energieeffizienz, Barrierefreiheit, Brand- und Schallschutz, Schnee-, Sturm- und Erdbebensicherheit) würden immer höher und die heute geltenden Standards für den Wohnungsbau bedürften unter dem Fokus der Kosten des Wohnungsbaus einer Überprüfung und neuen politischen Bewertung. So sollen sich die Normen wieder deutlich stärker an „der Praxis“ orientieren und weniger am Stand der Technik. Den Gesetzgeber wähnt man dabei im „Elfenbeinturm“ und sich selbst einem „Regel-Wildwuchs“ und „Regulierungs-Dschungel“ ausgesetzt (siehe auch den Beitrag in der Immobilienzeitung vom 09.07.2015 „Preiswerter Wohnraum hat höchste Priorität“ zur Kritik des GdW an der EnEV).
Solche Verbandspapiere zielen wohl auf das Bündnis für bezahlbares Wohnen und Bauen ab. Das Anliegen der Senkung der Baukosten wird dort in einer „Baukostensenkungskommission“ behandelt. Daneben geht es dort aber auch um die Stärkung der Investitionen in den Wohnungsbau, um altersgerechten Umbau im Quartier sowie um soziales und klimafreundliches Wohnen und Bauen. Gegen Ende 2015 sollen erste Berichte zu erwarten sein.
Reformbedarf der normativen Vorgaben
Schon heute gibt es konstruktive Ansätze zur Reform der normativen Vorgaben. So enthalten die vorgenannten Studien zur Stärkung normativer Vorgaben in Teilen bereits konkrete Optimierungsvorschläge (siehe v.a. das „toolkit for policy makers„: ENTRANZE Project, Laying down the pathways to nearly zero-energy buildings, 2014, S. 5, 27 zu Deutschland). Zusätzlicher Reformbedarf wird aufgrund des Gesichtspunkts der Adaption des Klimawandels und aufgrund des Lebenszyklusansatzes formuliert:
Mehr Zukunftsbetrachtung
- Zunächst ist der schon erwähnte RICS Climate Risk Toolkit (March 2015, S. 58) zu nennen, der unter dem Gesichtspunkt der Adaption des Klimawandels ein Problem darin sieht, dass die heutigen Bauvorschriften nicht die zukünftigen Auswirkungen des Klimawandels auf die Gebäude berücksichtigen.
- In eine ähnliche Richtung geht das ebenfalls bereits erwähnte Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (Klimaangepasstes Bauen bei Gebäuden, 2015, S. 4), wenn es im Hinblick auf zukünftige veränderte Wetterlagen die Notwendigkeit formuliert, bei der Normgebung nicht mehr nur auf Erfahrung zu setzten, sondern sich auch auf Prognosen zu beziehen.
Mehr Lebenszyklusbetrachtung
Die Europäische Kommission (Mitteilung vom 01.07.2014, COM(2014) 445, Zum effizienten Ressourceneinsatz im Gebäudesektor, S. 3 f.) setzt auf mehr Lebenszyklusbetrachtung:
- „Den Umweltauswirkungen kann nur dann wirksam begegnet werden, wenn der gesamte Lebenszyklus eines Gebäudes berücksichtigt wird. Andernfalls werden möglicherweise Auswirkungen übersehen oder in anderen Abschnitten des Lebenszyklus weitere Probleme geschaffen. Beispielsweise könnten bestimmte Lösungen zur Verbesserung der Energieeffizienz eines Gebäudes bei der Nutzung ein späteres Recycling erschweren und verteuern.“
- „Der Fahrplan für ein ressourcenschonendes Europa zielt darauf ab, die Ressourceneffizienz bei der Renovierung und dem Neubau von Gebäuden zu fördern. Hierzu sind politische Strategien erforderlich, die ein breiteres Spektrum von Umweltauswirkungen während des gesamten Lebenszyklus umfassen. […] Zwar nehmen verschiedene Instrumente Einfluss auf Gebäude und Bauprodukte wie die Richtlinie [RL] über die Gesamteffizienz von Gebäuden, die RL zur Energieeffizienz, die Bauproduktverordnung, die RL über das Emissionshandelssystem, die RL über Industrieemmissionen, die RL über Abfälle und die RL über Abfalldeponien. Die Instrumente konzentrieren sich jedoch auf unterschiedliche Ressourcen und Abschnitte des Lebenszyklus und sind derzeit nicht auf den gesamten Lebenszyklus ausgelegt.“
- Siehe zum Appell auch schon hier.
Weiter heißt es in der Mitteilung der Europäischen Union vom 25.02.2015 (COM(2015) 80, Rahmenstrategie für eine krisenfeste Energieunion mit einer zukunftsorientierten Klimaschutzstrategie) zum Thema Steigerung der Energieeffizienz im Gebäudesektor (S. 15):
- „Die Wärme- und Kälteerzeugung ist der Einzelbereich mit dem höchsten Energiebedarf in Europa, und der Großteil der europäischen Gasimporte entfällt auf diesen Bereich. So bedarf es hinsichtlich Fernheizung und -kühlung noch enormer Effizienzsteigerungen, die in einer künftigen Strategie der Kommission behandelt werden sollen.“
- „Zudem müssen die Mitgliedstaaten insbesondere auf lokaler und regionaler Ebene Maßnahmen ergreifen, um das Energieeffizienzpotenzial im Gebäudesektor auszuschöpfen.“
- „Ferner wird die Kommission als Beitrag zum „Aktionsplan für Energieeffizienz“ der G20 eine Initiative zum Thema „Weltweite Exzellenz für politische Energieeffizienzmaßnahmen“ entwickeln. Zudem wird sie sich beispielsweise im Rahmen der UN-Initiative „Nachhaltige Energie für alle“ und der Internationalen Energieagentur nachdrücklich für die Verabschiedung ehrgeiziger Energieeffizienzvorgaben und -zielwerte einsetzen. Angesichts der Führungsrolle der EU im Bereich der Energieeffizienztechnologien wird dies auch Exporte, Wachstum und Beschäftigung fördern.“
- „Mittel der EU und der EIB können dabei eine entscheidende Rolle spielen. Der Europäische Fonds für strategische Investitionen kann eine wichtige Hebelwirkung auf Investitionen in die Gebäuderenovierung ausüben. Investitionen in diesem Bereich wiederum haben positive Folgen für Wachstum und Beschäftigung.“
Welcher „Fahrplan“ gilt in Deutschland?
Auch die Bundesregierung hat bereits konkrete Optimierungs-, Weiterentwicklungs- und Reformpläne verlautbaren lassen:
- Nach dem BMWi (Bericht über die langfristige Strategie zur Mobilisierung von Investitionen in die Renovierung des nationalen Gebäudebestands, April 2014, S. 11) hat sich die Strategie aus Reduzierung des Energieverbrauchs, Effizienzsteigerung und Ersatz fossiler Energieträger bewährt und soll es nun um eine technische und wirtschaftliche Optimierung gehen.
- Weiter heißt es dort: „Neben der Erhöhung der Anzahl der Modernisierungen in den Bereichen Wärmeschutz und Wärmeversorgung ist die deutliche Verbesserung der Sanierungstiefe, also der Qualität von energetischen Modernisierungen ein entscheidender Faktor. Zudem sind bei zahlreichen Bestandsgebäuden die Grenzen der städtebaulich verträglichen Wärmedämmung schnell erreicht.“
- Der Nationale Aktionsplan Energieeffizienz der Bundesregierung (BMWi, 2014, S. 3) definiert drei Eckpfeiler der Energieeffizienzpolitik:
(1.) Die Energieeffizienz im Gebäudebereich voranbringen,
(2.) die Energieeffizienz als Rendite- und Geschäftsmodell etablieren und
(3.) die Eigenverantwortlichkeit für Energieeffizienz erhöhen.
- Zum Eckpfeiler (1.) des Nationalen Aktionsplans Energieeffizienz gehört die Energieeffizienzstrategie Gebäude mit folgenden Eckpunkten zum Energieeinsparrecht (Nationaler Aktionsplan Energieeffizienz, 2014, S. 26 f.):
(1.) „Ihr [der Energieeffizienzstrategie Gebäude] liegt das Ziel des Energiekonzepts zugrunde, den Primärenergiebedarf im Gebäudebereich durch eine Kombination aus Energieeinsparung und Einsatz erneuerbarer Energien bis 2050 in der Größenordnung von 80 % gegenüber 2008 zu senken.“
(2.) „Die letzte Änderung der EnEV ist am 01.05.2014 in Kraft getreten. Kernregelungen sind Verbesserungen beim Energieausweis und eine Anhebung der energetischen Anforderungen an Neubauten ab dem Jahre 2016.“
(3.) „Die EnEV wird im Jahr 2016 weiterentwickelt werden, um gemäß EU-Gebäuderichtlinie für Neubauten den Niedrigstenergiegebäudestandard einzuführen – für private Gebäude ab 2021 und für öffentliche Gebäude ab 2019.“
(4.) „Im Vorfeld [einer Reform der EnEV 2016] müssen die technisch und wirtschaftlich machbaren Mindestanforderungen im Einzelnen gutachterlich ermittelt werden.“
(5.) „Parallel dazu wird untersucht, ob und inwieweit die Anforderungen an Änderungen, Erweiterungen und den Ausbau von bestehenden Gebäuden angepasst werden können, soweit die Wirtschaftlichkeit nachgewiesen werden kann.“
(6.) „Zudem wird das Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz mit der EnEV abgeglichen.“
(7.) „Teil des Energieeinsparrechts ist auch die Abrechnung der Heiz- und Warmwasserkosten.“
Fazit:
„Complex problems rarely come along with simple answers.“
Das gilt vor allem auch für normative Vorgaben zur Nachhaltigkeit und zum Bau- und Immobilienwesen allgemein, da diese eine komplexe Wirklichkeit abbilden und regeln müssen. Zur Wirklichkeit lassen sich nach dem Vorstehenden nicht nur die Auswirkungen der Immobilien auf die Umwelt sondern auch die Auswirkungen des Klimawandels auf die Immobilien zählen – gerade auch im Hinblick auf die in Deutschland gelegenen Immobilien.
Von den normativen Vorgaben erwartet man, dass sie im vorstehenden Sinne gut konzipiert und implementiert sind und in ihren Auswirkungen hinreichend beobachtet werden. Eine gewisse rechtliche Komplexität der normativen Vorgaben folgt sicherlich aus den unterschiedlichen Regelungsebenen (Europa-, Bundes-, Landes- und Kommunalebene) und manche Gesetze werfen die – allerdings beim Gesetzgeber bereits angekommene – Frage des Abgleichs bzw. der Zusammenfassung von Gesetzen auf.
Es ist also einiges in Bewegung und es bleibt spannend, ob und inwieweit aktuelle Reformüberlegungen tatsächlich Gesetz werden. Jedenfalls mit einem angemessenen Compliance-Ansatz und Vertragsmanagement muss man als Bau- und Immobilienmarktteilnehmer auch die zukünftige Entwicklung der normativen Vorgaben aus rechtlicher Sicht nicht fürchten.
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