Der BGH (Urt. v. 24.07.2015 – V ZR 167/14) hat die Frage entschieden, ob die Grundsätze zur Geltendmachung von Mängeln am Gemeinschaftseigentum durch den Erwerber beim Bauträgervertrag auch im Fall des Kaufs einer gebrauchten Wohnung gelten.

Was gilt beim Bauträgervertrag?

Der Erwerb einer neu errichteten Wohnung (und von sanierten Altbauten) vom Bauträger beurteilt sich nach dem Werkvertragsrecht. Mithin sind im Fall von Mängeln die werkvertraglichen Gewährleistungsansprüche einschlägig, welche jedoch im Hinblick auf die Frage der Ausübungsbefugnis und Prozessführungsbefugnis durch § 10 Abs. 6 Satz 3 WEG beeinflusst werden. Hiernach übt die Wohnungseigentümergemeinschaft

  1. die gemeinschaftsbezogenen Rechte der Wohnungseigentümer aus und nimmt die gemeinschaftsbezogenen Pflichten der Wohnungseigentümer wahr,
  2. ebenso sonstige Rechte und Pflichten der Wohnungseigentümer, soweit diese gemeinschaftlich geltend gemacht werden können oder zu erfüllen sind.

Für die Parteien eines Bauträgervertrages ist es wichtig zu prüfen, ob der jeweils vorliegende Mangel unter einer der beiden Tatbestände fällt. Ist dies der Fall (unproblematisch nicht bei Mängeln am Sondereigentum), so wäre eine Individualklage des Erwerbers unzulässig, es sei denn, der Erwerber wurde von der Gemeinschaft hierzu wirksam ermächtigt (sog. gewillkürte Prozessstandschaft). Wichtig ist insbesondere auch, dass eine solche unzulässige Rechtsausübung durch den Erwerber nicht geeignet ist, die Verjährung zu hemmen und dass auch eine nachträgliche Ermächtigung durch die Gemeinschaft nicht auf den Zeitpunkt der Klageerhebung zurückwirkt (siehe auch BGH, Urt. v. 24.07.2015 – V ZR 145/14).

Die „geborene Ausübungsbefugnis“ der Wohnungseigentümergemeinschaft (Nr. 1)

Gemeinschaftsbezogen im Sinne der vorstehenden Nr. 1 sind nur solche Rechte, die im Interesse der Wohnungseigentümer oder aus Gründen des Schuldnerschutzes eine einheitliche Rechtsverfolgung erfordern. Hierzu gehören Rechte auf Minderung und sog. kleinen Schadensersatz wegen behebbarer Mängel am Gemeinschaftseigentum. Über solche Rechte kann sich der Erwerber grundsätzlich finanziell so stellen lassen, wie wenn der Vertrag mangelfrei erfüllt worden wäre. Zur Ausübung dieser Rechte ist aber ausschließlich die Gemeinschaft befugt, da

  • die Wohnungseigentümer nur gemeinschaftlich darüber befinden können, wie das Wahlrecht zwischen Minderung und Schadensersatz auszuüben ist und wie die vom Bauträger erlangten Mittel verwendet werden sollen. Ist der Mangel noch behebbar, so ist die Wahl zwischen Minderung und Schadensersatz im Wesentlichen davon abhängig, ob und inwieweit der Mangel beseitigt werden soll, eine Entscheidung, die nach § 21 Abs. 1, 5 Nr. 2 WEG in die Zuständigkeit der Gemeinschaft fällt.
  • hierdurch der Schuldner (Bauträger) geschützt wird, der davor bewahrt werden soll, von einem Wohnungseigentümer auf Nachbesserung und von einem anderen auf Minderung oder „kleinen“ Schadensersatz in Anspruch genommen zu werden.

Die Befugnis des einzelnen Wohnungseigentümers zur Geltendmachung seiner individualvertraglichen Rechte ist also insoweit ausnahmsweise ausgeschlossen. Auch die Voraussetzungen für diese Ansprüche kann nur die Wohnungseigentümergemeinschaft schaffen.

Nicht unter die „geborene Ausübungsbefugnis“ der Gemeinschaft fallen solche Rechte des Erwerbers, die darauf gerichtet sind, so gestellt zu werden, wie wenn der Vertrag nicht zustandegekommen wäre: Der Anspruch auf Schadensersatz statt der ganzen Leistung und das Rücktrittsrecht des Erwerbers. Denn bei diesen besteht keine Kollision mit anderen Ansprüchen.

Die „gekorene Ausübungsbefugnis“ der Wohnungseigentümergemeinschaft (Nr. 2)

Liegt kein Fall der „geborenen Ausübungsbefugnis“ vor, so kann eine ausschließliche Ausübungs- und Prozessführungsbefugnis der Gemeinschaft noch aufgrund der „gekorenen Ausübungsbefugnis“ nach vorstehender Ziff. 2 begründet sein. Eine solche Vergemeinschaftung von Rechten

  • kommt in Betracht, wenn eine gemeinschaftliche Rechtsverfolgung zwar sinnvoll, aber nicht zwingend erforderlich ist und bei der nur ein Zugriffsermessen der Wohnungseigentümer im Rahmen ordnungsgemäßer Verwaltung besteht.
  • setzt voraus, dass die Gemeinschaft die gemeinschaftliche Rechtsverfolgung durch Vereinbarung oder Mehrheitsbeschluss an sich gezogen hat.

Was gilt beim Kauf einer gebrauchten Wohnung?

Der BGH hat nun entschieden, dass bei dem allein nach Kaufrecht zu beurteilenden Kauf einer gebrauchten Wohnung (Achtung: Abgrenzung zum Werkvertrag beim Vorliegen von Sanierungsleistungen) Ansprüche auf Minderung und sog. kleinen Schadensersatz

  •   jedenfalls dann nicht unter die „geborene Ausübungsbefugnis“ der Gemeinschaft fällt, wenn der Verkauf unter Ausschluss der Haftung für Sachmängel und ohne Vereinbarung einer Beschaffenheitsgarantie erfolgt ist.
  • eher nicht unter die „gekorene Ausübungsbefugnis“ der Gemeinschaft fällt („erscheint zweifelhaft„), was aber im konkreten Fall mangels „Ansichziehens“-Beschluss nicht entschieden werden musste.

Dabei ist mit dem BGH im Interesse der Rechtsklarheit und der Sicherheit des Rechtsverkehrs von einer typisierenden Betrachtung auszugehen:

  • Beim Wohnungskaufvertrag bestehen im Gegensatz zum Bauträgervertrag keine gleichgerichteten Ansprüche mehrerer Erwerber. Es besteht keine Herstellungspflicht der Verkäufers, die auf ein und dieselbe Leistung gerichtet wäre, und folglich keine gleichgerichtete Interessenlage der Wohnungseigentümer. Daher besteht in der Regel weder die Möglichkeit noch das Bedürfnis, unterschiedliche Ansprüche gleichgerichtet zu bündeln.
  • An der Gemeinschaftsbezogenheit der Mängelrechte fehlt es beim Kauf einer gebrauchten Wohnung auch deshalb, weil typischerweise keine Mängelrechte bestehen: Diese sind typischer- und üblicherweise durch Haftungsausschlüsse ausgeschlossen. Ein solcher Ausschluss ist insoweit auch in Allgemeinen Geschäftsbedingungen weitgehend wirksam, während bei dem werkvertraglichen Bauträgervertrag über neu errichtete Wohnungseinheiten ein formularmäßiger Ausschluss der Haftung für Sachmängel überhaupt nicht und ein individualvertraglicher Ausschluss nur unter strengen Voraussetzungen möglich ist. Zwar bleibt beim Wohnungskaufvertrag die Haftung des Verkäufers wegen arglistiger Täuschung, dieser fehlt jedoch jeder Gemeinschaftsbezug, sie knüpft an ein individuelles Verhalten und damit an Redlichkeitsanforderungen im Einzelfall an.
  • Eine einheitliche Rechtsverfolgung ist auch nicht aus Gründen des Schuldnerschutzes geboten. Die Gefahr einer doppelten Inanspruchnahme des Verkäufers einer gebrauchten Wohnung besteht in aller Regel nicht:
    •   Die Erwerber können den sog. kleinen Schadensersatz und die Minderung nur auf den anteilen Nachteil des jeweiligen Erwerbers beziehen. Bei Mängeln am Gemeinschaftseigentum kann der Käufer also den Minderwert bzw. Schaden nur anteilig geltend machen und zwar nach Maßgabe seines Anteils am gemeinschaftlichen Eigentum. Sein Schaden wird durch die nach seinem Miteigentumsanteil bestimmte Quote des insgesamt bestehenden Minderwerts bestimmt. Denn während der Bauträgervertrag von der werkvertraglichen Erfolgshaftung des Bauträgers geprägt ist, steht im Kaufrecht der individualisierte Marktwert der erworbenen Einheit im Vordergrund. Die Summe der einzelnen Schäden kann dabei nicht größer sein, als der am Gemeinschaftseigentum insgesamt entstandene Minderwert.
    • Der BGH lässt die Frage offen, ob der einzelne Erwerber im Rahmen einer Nacherfüllung verlangen kann, dass das Gemeinschaftseigentum insgesamt mangelfrei hergestellt wird:
      • Verneint man das, so hat der Käufer schon keinen Anspruch auf Nacherfüllung.
      • Bejaht man dagegen eines solchen Nacherfüllungsanspruch, so kann sich für den nacherfüllenden Verkäufer das Problem ergeben, dass von dieser Nacherfüllung auch solche Käufer profitieren, denen er bereits Schadensersatz geleistet oder Minderung gewährt hat. Außerdem profitieren auch weitere Eigentümer, mit denen der Verkäufer möglicherweise keine Vertragsbeziehung hat oder mit denen er einen wirksamen Haftungsausschluss vereinbart hat. Gegen solche Personen kann der ordnungsgemäß nacherfüllende Verkäufer grundsätzlich einen bereicherungsrechtlichen Ausgleichsanspruch geltend machen, gerichtet auf die Herausgabe der (anteilig) ersparten Aufwendungen für die einer ordnungsgemäßen Verwaltung entsprechenden Verbesserung des Gemeinschaftseigentums.

 


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