Der BGH, Urteil vom 15. Juli 2016 – V ZR 168/15, hat erneut einen Fall zu der Haftung der Immobilienverkäufers aus einem zwischen Käufer und Verkäufer neben einem Immobilienkaufvertrag abgeschlossenen Beratungsvertrag entschieden:


Grundlagen

Ein Beratungsvertrag zwischen Verkäufer und Käufer kommt zustande,

  • wenn der Verkäufer im Zuge eingehender Vertragsverhandlungen, insbesondere auf Befragen, einen ausdrücklichen Rat erteilt oder
  • wenn der Verkäufer dem Käufer als Ergebnis der Verhandlungen ein Berechnungsbeispiel über Kosten und finanzielle Vorteile des Erwerbs vorlegt, welches der Herbeiführung des Geschäftsabschlusses dienen soll.

Die Beratung durch ein Vermittler kann dem Verkäufer zugerechnet werden, wenn der Vermittler im Namen und mit Vollmacht des Verkäufers handelt.

  • Dass die Beratung eines Vermittlers auch im Namen des Verkäufers erfolgt, kann sich daraus ergeben, dass
    • der Berater in den verwendeten Prospekten als Vertriebspartner des Verkäufers genannt ist,
    • der Berater von dem Verkäufer zur Verfügung gestellte Berechnungsbeispiele verwendet oder
    • der Verkäufer auf einen Kontakt mit dem Kaufinteressenten verzichtet und es dem mit dem Vertrieb beauftragten Berater überlässt, die Vertragsverhandlungen bis zur Abschlussreife zu führen.
  • Der Vermittler handelt auch dann in Vollmacht des Verkäufers, wenn dem Vermittler im Innenverhältnis zu dem Verkäufer eine Beratung der Kaufinteresssenten im Namen der Verkäuferin untersagt war. Ein Beratungsvertrag mit dem Verkäufer kann also auch zustande kommen, wenn es an einer Innenvollmacht des Vermittlers fehlt oder wenn eine solche Vollmacht auf Grund von Beschränkungen im Innenverhältnis zwischen dem Verkäufer und dem Vermittler Beratungsverträge nicht umfasst. Denn aus den Umständen kann sich eine stillschweigend erteilte Außenvollmacht des Vermittlers ergeben. Dies wird etwa bejaht, wenn der Verkäufer keinen Kontakt zu dem Käufer hat, sondern dem Vermittler bei den Verhandlungen mit dem Käufer freie Hand lässt, diesem die Vertragsverhandlungen führen und den Vertrag in seiner Vertretung abschließen lässt.

Im entschiedenen Fall lag der Beratungsfeher darin, dass dem Käufer ein im Berechnungsbeispiel nicht ausgewiesener, nicht umlagefähiger Aufwand von jährlich 1.400 € entstanden ist.


Die Haftungsverschärfung

Die vom BGH vorgenommene Haftungsverschärfung setzt bei dem Ursachenzusammenhang an:

  • Verlangt der Käufer wegen schuldhafter Verletzung eines Beratungsvertrags so gestellt zu werden, als hätte er von dem Vertragsschluss abgesehen, setzt dies voraus, dass der Beratungsfehler für das Zustandekommen des Kaufvertrags ursächlich geworden ist.
  • Liegt ein Beratungsfehler des Verkäufers vor – etwa durch ein fehlerhaftes Berechnungsbeispiel, in dem die mit dem Erwerb der Immobilie für den Käufer verbundenen Belastungen zu niedrig ausgewiesen worden sind – wird die Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für den Vertragsschluss zu Gunsten des Käufers vermutet.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist derjenige, der vertragliche oder vorvertragliche Aufklärungspflichten verletzt, darlegungs- und beweispflichtig dafür, dass der Schaden auch bei pflichtgemäßem Verhalten eingetreten wäre, der Geschädigte also den Hinweis unbeachtet gelassen und auch bei wahrheitsgemäßen Tatsachenangaben den Vertrag so wie geschehen geschlossen hätte.

  • Nach der bisherigen Rechtsprechung des Senats greift die Kausalitätsvermutung nicht ein, wenn es für den Käufer vernünftigerweise mehrere Möglichkeiten der Reaktion (Entscheidung für oder gegen Ankauf) auf die richtige Aufklärung gegeben hätte. Daran hält der BGH nicht fest.
  • Der entscheidende Senat geht nunmehr davon aus, dass die Vermutung der Ursächlichkeit eines Beratungsfehlers des Verkäufers für den Entschluss des Käufers zum Erwerb einer als Kapitalanlage angebotenen Immobilie (Kausalitätsvermutung) auch anzuwenden ist, wenn sich der Käufer bei richtiger Information in einem Ent-scheidungskonflikt befunden hätte.
  • In dem vorgenannten Fall ist es Sache des Verkäufers, darzutun, dass die dem Käufer erteilten Fehlinformationen für dessen Entscheidung zum Kauf irrelevant gewesen sind, der Käufer sich also auch bei richtiger Aufklärung zum Erwerb entschlossen hätte. Der Verkäufer, der durch eine fehlerhafte Beratung in das Recht des Käufers eingewirkt hat, in eigener Entscheidung und Abwägung des Für und Wider über den Kauf zu befinden, hat de die tatsächliche Vermutung entkräftenden Umstände aufzuzeigen.

Nach dem BGH korrespondiert diese Beratungshaftung mit dem durch eine solche Beratung verfolgten Vorteil: Der Verkäufer ist gewöhnlich nicht verpflichtet ist, den Käufer über die Wirtschaftlichkeit des Erwerbs und seinen Nutzen aufzuklären oder zu beraten. Macht der Verkäufer dies aber doch, insbesondere durch die Vorlage eines Berechnungsbeispiels, so dient dies vornehmlich dem Interesse des Verkäufers, die Vermittlung des Immobilienkaufs zu fördern. Folglich hat er auch die daraus folgenden (Haftungs-) Nachteile zu tragen.


Nachträglicher Haftungsausschluss für Beratungsfehler?

Eine weitere Haftungsverschärfung tritt dadurch ein, dass der BGH die strengen Anforderungen an eine nachträgliche Haftungsfreizeichnung für Beratungsfehler, etwa im Rahmen eines Beratungsprotokolls, bestätigt.

  • Die Annahme einer nach Beratung des Käufers über die mit dem Erwerb einer Immobilie verbundenen Belastungen konkludent vereinbarten Haftungsfreizeichnung setzt voraus, dass konkrete Anhaltspunkte für einen Willen des Käufers vorliegen, auf Schadensersatzansprüche wegen eines Beratungsfehlers zu verzichten.
  • Eine nach erfolgter Beratung vereinbarte Freizeichnungsklausel hindert grundsätzlich nicht das Zustandekommen des Beratungsvertrags und bringt auch die dem Grunde nach durch den Beratungsfehler bereits entstandene Schadensersatzpflicht nicht wieder zu Fall.
  • Eine erst nach der fehlerhaften Beratung vereinbarte Haftungsfreizeichnung stellt sich als Erlass künftig – mit dem Abschluss des Kaufvertrags – entstehender Schadensersatzansprüche des Käufers aus fehlerhafter Beratung dar.
  • Erlassverträge nach § 397 BGB über noch nicht entstandene Ansprüche sind zwar möglich. An die Feststellung des für eine solche Vereinbarung erforderlichen Erlasswillens sind aber strenge Anforderungen zu stellen; ein Verzichtswille darf nicht vermutet werden.
  • Es bedarf konkreter Anhaltspunkte für die Feststellung des Willens des Käufers, durch eine nachträglich vereinbarte Haftungsfreistellung auf Ansprüche aus fehlerhafter Beratung zu verzichten.

Siehe zu diesem Thema auch schon die folgenden Beiträge:


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