Die Abgeordneten des EU-Parlaments haben diese Woche mit großer Mehrheit das Verhandlungsmandat mit den Mitgliedstaaten zur Infrastruktur für alternative Kraftstoffe angenommen. Es geht um neue Vorschriften aus dem Fit for 55-Paket der EU-Kommission, mit dem die EU ihre Treibhausgasemissionen bis 2030 um mindestens 55 Prozent gegenüber dem Stand von 1990 senken will. Die Kommission schlägt vor, die derzeitigen Vorschriften der Richtlinie von 2014 über die Einführung von Infrastruktur für alternative Kraftstoffe aufzuheben und sie durch eine Verordnung zu ersetzen, um eine schnellere und kohärentere Entwicklung des EU-Infrastrukturnetzes zu gewährleisten. Die Zahl klimafreundlich betriebener Fahrzeuge soll steigen. Das EU-Parlament hat nun seine Position zu den neuen EU-Vorschriften verabschiedet und wird nun mit dem Rat den finalen Wortlaut der neuen Vorschriften verhandeln.
- Es werden verbindliche nationale Mindestziele für den Ausbau der Infrastruktur für alternative Kraftstoffe festgelegt.
- Die Mitgliedstaaten müssen bis 2024 einen Plan vorlegen, wie sie diese Ziele erreichen wollen.
- Bis 2026 soll alle 60 Kilometer entlang der Hauptverkehrsstraßen der EU mindestens eine Ladestation für Elektroautos geben. Die gleiche Anforderung soll für Lkw und Busse gelten, allerdings nur auf TEN-T-Kernnetzen und mit leistungsfähigeren Stationen. Ausnahmen gibt es für Regionen in äußerster Randlage, Inseln und Straßen mit sehr geringem Verkehrsaufkommen.
- Zudem sollen mehr Wasserstofftankstellen entlang der Hauptverkehrsstraßen der EU einzurichten sein. Sie sollen alle 100 Kilometer erreichbar sein statt alle 150 Kilometer, wie von der Kommission vorgeschlagen. Umgesetzt werden soll dies bis 2028 statt bis 2031, wie von der Kommission geplant.
- Alternative Tankstellen sollen für alle Fahrzeugmarken zugänglich sein und die Bezahlung solle einfach und per Kreditkarte möglich sein. Sie sollen den Preis pro Kilowattstunde oder pro Kilogramm anzeigen und dieser solle erschwinglich und vergleichbar sein.
- Bis 2027 soll eine EU-Datenbank zu alternativen Kraftstoffen eingerichtet werden, um Informationen über die Verfügbarkeit, die Wartezeiten und die Preise an verschiedenen Tankstellen in ganz Europa verfügbar zu machen.
Ebenfalls diese Woche wurde von der Bundesregierung der Masterplan Ladeinfrastruktur II beschlossen. Als Gesamtstrategie der Bundesregierung für den weiteren Ausbau der Ladeinfrastruktur soll der neue Masterplan (siehe zum alten Masterplan HIER) entscheidende neue Weichenstellungen enthalten, um im Bereich der Ladeinfrastruktur die Voraussetzungen für die erfolgreiche Entwicklung des Markthochlaufs der Elektromobilität hin zum breiten Massenmarkt zu schaffen. Er greift auch die Entwicklungen auf der EU-Ebene auf:
„Parallel zu den nationalen Aktivitäten wird auch auf europäischer Ebene der Wechsel zu emissionsarmen Antrieben vorangetrieben. Mit der Verordnung über den Ausbau von Infrastrukturen für alternative Kraftstoffe (AFIR), welche die gleichnamige Richtlinie ablösen soll, sollen die Mitgliedstaaten künftig unmittelbar zu ambitionierten Mindestzielen beim Ausbau der öffentlich zugänglichen Ladeinfrastruktur verpflichtet werden, um den elektrischen Personen- und Güterverkehr in Europa grenzüberschreitend zu ermöglichen. Zudem sollen in der AFIR – aber auch in der RED1- und der EPBD2-Novellierung – Regelungen zum intelligenten und bidirektionalen Laden eingeführt werden. Sobald diese Verordnung in Kraft tritt, wird die Bundesregierung die notwendigen Angleichungen des nationalen Rechtsrahmens vornehmen, wobei die Handlungsspielräume für Deutschland möglichst ambitioniert ausgeschöpft bzw. weiterentwickelt werden sollen.“
Bundesregierung, Masterplan Ladeinfrastruktur II, 10/2022
Der Masterplan definiert eine Vielzahl an Schlüsselherausforderungen und Maßnahmen, unterteilt in die folgenden Kategorien:
- Maßnahmen zur Kooperation und Koordination
- Den Bedarf, den Ausbau und die Nutzung datenbasiert überprüfen und steuern
- Die finanzielle Unterstützung des Bundes effektiver gestalten
- Die Kommunen als Schlüsselakteure befähigen und stärker einbinden
- Mehr Flächen verfügbar machen
- Die Ladeinfrastruktur durch Digitalisierung verbessern
- Die Ladeinfrastruktur und das Stromsystem integrieren
- Das Straßen-, Bau- und Immissionsschutzrecht für das Laden weiterentwickeln
- Das Laden an Gebäuden einfacher möglich machen
Ein besonderer Blick lohnt hier auf die beiden letzten Kategorien.
„Mit den richtigen regulatorischen und technischen Weichenstellungen wird der Hochlauf der Elektromobilität einen zentralen Beitrag zur Transformation im Verkehrs- und Energiesektor, zum Klimaschutz sowie zur Unabhängigkeit von fossilen Energiequellen und damit zur Energiesouveränität Deutschlands leisten. Vor diesem Hintergrund bekennt sich die Bundesregierung zu dem im Koalitionsvertrag verankerten Ziel in Bezug auf die Elektromobilität. Mit dem Ziel von einer Million öffentlich und diskriminierungsfrei zugänglicher Ladepunkte im Jahr 2030 soll Deutschland zum globalen Leitmarkt für E-Mobilität werden. Die Transformation zur klimafreundlichen Mobilität sichert so auch technologische und wirtschaftliche Zukunftschancen und damit Arbeitsplätze und Wertschöpfung.“
Bundesregierung, Masterplan Ladeinfrastruktur II, 10/2022
- Die Länder sollen prüfen, ob die Musterbauordnung bis Q2/2023 so angepasst werden kann, dass neben der Ladeinfrastruktur auch die Errichtung der erforderlichen Nebenanlagen (u. a. Überdachungen, Nebengebäude, Transformatoren) für Ladeinfrastruktur grundsätzlich verfahrensfrei gestellt wird.
- Eine zu erstellende Studie soll prüfen, wie Ladeinfrastruktur und Fahrzeuge beschaffen sein müssen, um mit den geltenden Immissionsschutzvorgaben vereinbar zu sein, und mögliche regulative An- passungen und technische Weiterentwicklungen vorschlagen.
- Es soll ein Best-Practice-Leitfaden für eine praktikable und rechtssichere Nutzung von Ladeinfrastruktur auf gewerblichen Parkplätzen außerhalb der Öffnungszeiten durch Dritte entwickelt werden. Dabei werden vertrags-, haftungs-, lärmschutzrechtliche und andere Regularien berücksichtigt.
- Nach Abschluss der Revision der EU- Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden (EPBD) initiiert das BMWK unter Einbindung des BMWSB und des BMDV eine Evaluation des Gebäude-Elektromobilitätsinfrastruktur- Gesetzes (GEIG) und erarbeitet bis Ende 2023 eine Anpassung des GEIG mit dem Ziel, Gebäude vorausschauend und zukunftssicher mit ausreichender Ladeinfrastruktur auszurüsten oder alternativ die dafür notwendigen Voraussetzungen zu schaffen.
- Unter Beteiligung der Immobilienwirtschaft soll bis Ende 2023 ein Leitfaden für Gemeinschaften (§§ 741 ff., 1008 ff. BGB) und Wohnungseigentumsgemeinschaften (WEG) erarbeitet werden, in dem Lösungsansätze für den Umgang mit verschiedenen rechtlichen und tatsächlichen Konstellationen beim Einbau von Lademöglichkeiten adressiert werden (z. B. mehrere Personen sind Eigentümer eines als Parkplatz im Gemeinschaftseigentum genutzten Grundstücks). Dabei sollen auch mietrechtliche Fragen adressiert werden.
- Bis Q3/2023 soll geprüft werden, wie die Ertüchtigung des Hausanschlusses vereinfacht und die elektrische und digitale Infrastruktur insbesondere von Mehrparteienhäusern unterstützt werden kann, um den neuen Anforderungen durch die Elektrifizierung des Verkehrs, der Digitalisierung der Energiewende sowie der dezentralen Energieversorgung und -speicherung gerecht zu werden. Bestandteil der Prüfung ist auch, ob eine Förderung erforderlich ist und wie diese ausgestaltet werden kann.
- Das BMWK prüft bis Q2/2023, wie Privatpersonen und Unternehmen unbürokratisch die entgeltliche oder kostenfreie Nutzung ihrer Ladepunkte durch Dritte ermöglichen können, ohne den Anforderungen an einen Energielieferanten zu unterfallen.
- Da aktuell Hausverwaltungen, die den Fahrstrom der Bewohner eines Mehrparteienhauses oder einer Wohnanlage über die Nebenkostenabrechnung abrechnen, ihr Umsatzsteuerprivileg verlieren und daher Dritte mit dem Betrieb der Ladeinfrastruktur beauftragen mit der Folge höherer Kosten, soll möglichst bis Q2/2023 geprüft werden, ob und inwieweit das Umsatzsteuerrecht so angepasst werden kann, dass eine Umsatzsteuerbefreiung für derartige Leistungen in Betracht kommen kann und die Übertragung der Abrechnung durch die Hausverwaltung auf Betreiber unnötig wird.
- Für eine reibungslose Abrechnung der Ladevorgänge wird eine harmonisierte Regelung zur umsatzsteuerlichen Behandlung von Ladevorgängen auf EU-Ebene als essenziell angesehen. Das BMF wird hierzu bis Q3/2023 eine klärende Stellungnahme mit Übergangsregelungen veröffentlichen und sich für ein einheitliches Vorgehen bei der EU einsetzen, welches auch kleinen EMP europaweites Roaming steuerlich erleichtert.
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