In dem Projekt „Kosten durch Klimawandelfolgen in Deutschland“ haben das Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW), Prognos und die Gesellschaft für Wirtschaftliche Strukturforschung (GWS) die volkswirtschaftlichen Folgekosten sowie immaterielle Schäden klimawandelbedingter Extremwetterereignisse untersucht. Zu den betrachteten Klimawirkungen gehören unter anderem Ertragsausfälle in der Landwirtschaft, Beschädigung oder Zerstörung von Gebäuden und Infrastrukturen durch Starkregen und Überflutung, Beeinträchtigung des Warenverkehrs und Auswirkungen auf das Gesundheitssystem. Die zu erwartenden jährlichen Folgekosten für den Zeitraum von 2022 bis 2050 steigen
demnach im Zeitverlauf immer stärker an und sollen sich am Ende auf 280 bis 900 Mrd. Euro summieren.

Hinzu kommt, dass durch Überschwemmungen und Starkregen verursachte Schäden an Gebäuden nur durch eine Elementarschadenversicherung abgedeckt werden, welche jedoch für weniger als 50 Prozent der Gebäude in Deutschland besteht.

GWS Research Report 2022/02 Volkswirtschaftliche Folgekosten durch Klimawandel, S. 24

Die Bundesländer Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen haben nun eine Bundesratsinitiative gestartet (Druckssache 102/23): Entschließung des Bundesrates „Bundesweite Einführung einer Elementarschaden-Pflichtversicherung“. Demnach soll der Bundesrat die Bundesregierung auffordern, unter Fortführung der Diskussion mit den Verbänden und der rechts- und wirtschaftswissenschaftlichen
Fachöffentlichkeit kurzfristig einen konkreten bundesgesetzlichen Regelungsvorschlag zur Einführung einer Elementarschaden-Pflichtversicherung zu erarbeiten.

Schon 2022 hatte die Justizministerkonferenz aufgrund der Ergebnisser einer Arbeitsgruppe beschlossen, dass die Einführung einer Pflicht für private Wohngebäudeeigentümer zur Versicherung gegen Elementarschäden innerhalb eines vom Gesetzgeber auszugestaltenden Korridors für verfassungsrechtlich nicht ausgeschlossen erachtet wird. Die Miinisterpräsidentenkonferenz der Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder hatte die Bundesregierung daraufhin gebeten, die Einführung einer Pflichtversicherung für Elementarschäden anhand eines konkreten Regelungsvorschlags zu prüfen und hierzu im Dezember 2022 zu berichten. Die Bundesregierung hatte sich dann der rechtlichen Bewertung einer grundsätzlichen Möglichkeit einer Pflichtversicherung angeschlossen.

Das Bundesjustizministerium aber hatte zu hohe Belastungen für Eigentümer und Mieter eingewandt und auf Landesregulierungen verwiesen. Die aktuelle Bundesratsinitiative weist die Bedenken als kurzsichtig zurück und stellt fest, dass Katastrophen nicht an Landesgrenzen halt machen, vielmehr eine bundesgesetzliche Regelung erforderlich ist.

Die Belastung im Schadensfall ist um ein Vielfaches höher und kann – wie die Flut im Sommer 2021 gezeigt hat – teilweise sogar existenzbedrohend sein. (…)
Der Bundesrat ist davon überzeugt, dass eine Elementarschaden-Pflichtversicherung bundesweit gelten muss.

BR-Druckssache 102/23

Die Bundesratsinitiative verdeutlicht, dass es hierbei um eine ganz grundsätzliche Weichenstellung zur Klimafrage geht: An die Stelle spontaner staatlicher Ad-hoc-Hilfen soll eine langfristige Risikoprävention durch eine Pflichtversicherung für Elementarschäden treten. Eigentümer, die sich gegen Elementarschäden versichern, übernehmen nach diesem Ansatz auf eigene Kosten Verantwortung und unterstützen die Solidargemeinschaft. Wer dagegen erwartet, dass im Notfall staatliche Ad-hoc-Hilfen den Schaden auffangen, und etwa aus diesem Grund sich nicht gegen Elementarschäden versichert, überfordert bei immer häufigeren Großschadensereignissen die Leistungsfähigkeit der Solidargemeinschaft.

Der Bericht der Justizminister-Arbeitsgruppe „Pflichtversicherung für Elementarschäden“ vom 20.04.2022 hatte das damit verbundene Dilemma schon wie folgt beschrieben:

„So erscheint etwa eine Pflichtversicherung grundsätzlich möglich, die sich auf eine Existenzsicherung konzentriert, um einerseits dem Gebäudeeigentümer das Verlustrisiko zu nehmen und ihn mit den nötigen Mitteln auszustatten, einen Wiederaufbau zeitnah zu verwirklichen, und andererseits den Gebäudebestand insgesamt zu sichern. Dies könnte insbesondere verbunden sein mit einem substanziellen Selbstbehalt, um „moralische Risiken“ zu Lasten der Gesamtheit der Versicherungsnehmer abzuwehren und die Tarife überschaubar zu halten, so dass auch eine Umverteilungskomponente zugunsten der höchsten Risiken gering bliebe.
Ein solches Modell würde indes das „Samariter-Dilemma“ nicht zu lösen imstande sein. Der Staat würde weiterhin Adressat von Unterstützungsforderungen bleiben und die Dysfunktionalitäten von Ad-hoc-Hilfsprogrammen würden weiterhin wirken, da erfahrungsgemäß die Totalverluste von Wohngebäuden nur einen geringen Teil des gesamten Schadensaufkommens bei Kumulschadenereignissen ausmachen. Auch bei den (in der bisherigen Diskussion nicht erfassten) Gewerbeimmobilien würden die bisherigen Mechanismen des politischen Prozesses weiterhin zu Tage treten. Die Erwartung, diesen Kreislauf durch eine umfassende Elementarschaden-Pflichtversicherung für Wohngebäude substantiell aufzubrechen, dürfte sich damit nur schwerlich erfüllen lassen.“

Der Bundesrat wird am 31.03.2023 über den Antrag beschließen. Die Empfelungen der Ausschüsse liegen schon vor (BR-Drs. 102/1/23). Der federführende Ausschuss für Innere Angelegenheiten empfiehlt dem Bundesrat, die Entschließung zu fassen. Der Rechtsausschuss und der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit empfehlen dem Bundesrat, dagegen Änderungen.

Der Rechtsausschuss betont, dass die Einführung einer Pflichtversicherung nur unter engen verfassungsrechtlichen Grenzen möglich ist. Sie sei nur innerhalb eines vom Gesetzgeber auszugestaltenden Korridors verfassungsrechtlich nicht ausgeschlossen, insbesondere wenn substantielle Selbstbehalte oder vergleichbare Instrumente vorgesehen werden, die zudem versicherungsinhärent zur Vermeidung von Fehlanreizen hinsichtlich der Eigenvorsorge sachgerecht erscheinen. Zwar gibt es auch Stimmen, die dem Gesetzgeber für die Begründung und die nähere Ausgestaltung einer Versicherungspflicht gegen Elementarschäden an Gebäuden eine erhebliche Flexibilität zusprechen. So Prof. Kingreen in seinem Gutachten von 2022 über die Vereinbarkeit einer Versicherungspflicht gegen Elementarschäden an Wohngebäuden mit europäischem Unionsrecht und deutschem Verfassungsrecht für den Sachverständigenrat für Verbraucherfragen. Dieser Gutachter ist den Berliner Wohngebäudeeigentümern noch bekannt, da er in einem nicht überzeugenden Gutachten den Mietendeckel für wirksam bewertete und folgerichtig vom Bundesverfassungsgericht klar widerlegt wurde.

Der Rechtsausschuss möchte zudem die Sozialverträglichkeit der Pflichtversicherungsprämien auch für jene Fälle sichergestellt wissen, in denen die Kostenhöhe zwar zumutbar ist, aber dennoch im Einzelfall vom Adressaten nicht geschultert werden kann.

Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit empfiehlt

  • ergänzend zu berücksichtigen, dass je nach Lage des Grundstückes unterschiedlich hohe
    Risiken bestehen können und daher nach Risikostufen gestaffelte Tarife zugelassen werden sollten,
  • zwischen den relevanten Risikogebietskulissen zu unterscheiden (insbesondere zwischen Küsten- und Binnenhochwasser und deren Überlagerungsgebiete, einschließlich möglicherweise zu Tage tretendes Grundwasser),
  • darauf zu achten, dass gesetzliche Vorgaben im Zusammenhang mit der Pflichtversicherung keine Fehlanreize für die Ausweisung neuer Baugebiete in von Naturkatastrophen bedrohten Bereichen schaffen,
  • zu prüfen, wie gesetzliche Vorgaben zur Elementarschaden-Pflichtversicherung Anreize für die Einhaltung insbesondere baulicher Schutzvorschriften durch Gebäudeeigentümer setzen können.

Update

Der Bundesrat hat den Antrag in geänderter Form angenommen.

DIE VERBANDSANSICHT
Auch nach Ansicht des Gesamtverbandes der Versicherer (GDV) berücksichtigen die geltenden Bauvorschriften in Deutschland die Auswirkungen des Klimawandels und seine Folgen bislang nicht. Der Verband fordert daher, dass das Schutzziel „Klimaangepasstes Bauen“ in die Baugesetzgebung aufgenommen wird. Bestehende Gebäude sollten zudem durch präventive Maßnahmen gegen Überschwemmung und Starkregen geschützt werden. Zudem setzt sich der GDV ür ein Gesamtkonzept aus Prävention, Klimafolgenanpassung und Versicherung ein. Alle Wohngebäude sind rundum gegen Naturgefahren zu versichern. Bereits geschlossene Gebäudeversicherungen würden nach diesem Vorschlag von einem Stichtag an automatisch auf Elementarschutz umgestellt, sofern Kunden nicht widersprechen. Auch für diesen Modell bräuchte es aber eine gesetzlichen Grundlage.

In einem bislang nicht öffentlichen Positionspapier hat die Bundesregierung sich zwar noch nicht zu dem „Ob“ einer Versicherungspflicht festlegt, jedoch sich stark zurückhaltend gezeigt, was die Durchsetzung einer etwaigen Versicherungspflicht betrifft. Statt Kontrollen und Sanktionieren wird angedacht, Eigentümern die Option einzuräumen, sich von der Versicherungspflicht befreien zu lassen. Die versicherten Risiken und die versicherten Objekte lehnen sich an den GDV-Musterbedingungen an. Angdedacht wird ein System aus einer verpflichtenden Basisabsicherung (voraussichtlich 80% des Neubauwerts) und einer freiwilligen Zusatzabsicherung.

Zugleich steht das angekündigte Klimaanpassungsgesetz aus, das vom BMUV vorgelegt werden soll und welches Anlass geben könnte, auch die Versicherungsfrage auf die Agenda zu nehmen. Geplant sind damit Regelungen für eine konsequentere Governance auf Bundesebene, ähnlich wie beim Klimaschutzgesetz. Mit dem Gesetz soll ein Rahmen für die Festlegung von messbaren Zielen der Klimaanpassung, Maßnahmen zu deren Umsetzung und ein Mechanismus zur turnusmäßigen Überprüfung geschaffen werden. Auch die grundsätzliche Verpflichtung, Klimaanpassung in allen Planungen und Entscheidungen der öffentlichen Hand zu berücksichtigen und eine Vorbildfunktion für Bundesliegenschaften soll verankert werden.

Policy mixes that include weather and health insurance, social protection and adaptive social safety nets, contingent finance and reserve funds, and universal access to early warning systems combined with effective contingency plans, can reduce vulnerability and exposure of human systems. Disaster risk management, early warning systems, climate services and risk spreading and sharing approaches have broad applicability across sectors. Increasing education including capacity building, climate literacy, and information provided through climate services and community approaches can facilitate heightened risk perception and accelerate behavioural changes and planning.

IPCC AR6 Synthesis Report Climate Change 2023, IPCC AR6 SYR

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